In einem Interview sprach Action-Virtuose John Woo über die Arbeit an seinem US-Debüt „Hard Target“ und Jean-Claude Van Dammes verrückte Selbstverliebtheit.
Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre führte kein Weg am Actionfilm mit muskelbepackten Ein-Mann-Armeen vorbei. Diese Filmgattung war das, was bis vor einiger Zeit das Comic-Kino heutzutage dargestellt hat: Brot und Butter für die Studios. Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone, die Archetypen des Genres, konnten natürlich nicht in jedem Film auftreten. Abgesehen davon konnte sich nicht jedes Studio ihre Dienste leisten. Also mussten neue und alternative Actionhelden herangezüchtet werden, die mindestens genauso viel Testosteron schwitzen konnten und mit ihren Muskeln zu glänzen wussten. Es war die Zeit von Namen wie Steven Seagal, Dolph Lundgren und Jean-Claude Van Damme.
Vor allem Letzterer beherrschte sein Handwerk so gut, dass er für eine kurze Zeit von Anfang bis Mitte der Neunziger mit Stallone und Schwarzenegger in der A-Liga Hollywoods mitmischen konnte. Fragt man seine Fans nach ihrem absoluten Lieblingsfilm mit dem Belgier, dann fällt in den meisten Fällen der Titel „Harte Ziele – Hard Target“. Kein Wunder, denn bei diesem 1993er-Actionfilm handelt es sich um das US-Debüt des Hongkong-Action-Maestros John Woo. Der Meister des zelebrierten Leinwand-Tötens in anmutiger Zeitlupe musste zwar gezwungenermaßen mächtig auf die Bremse treten bei seinem ersten Hollywood-Actionfilm, aber selbst 70 Prozent Woo bedeuteten für US-Verhältnisse 110 Prozent Action par excellence.
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Woos Ästhetik und Action-Stil inspirierte und inspiriert bis heute Filmschaffende wie die Wachowski-Schwestern Lana und Lilly („Matrix“), Robert Rodriguez („Desperado“) und Chad Stahelski („John Wick“-Filme). Im Gespräch mit Vulture erinnert sich der 77-Jährige an seine Arbeit an seinem ersten Hollywood-Film und die Zusammenarbeit mit Jean-Claude Van Damme, der sich damals auf der Höhe seines Erfolgs befand. Van Damme galt als der Schönling unter den Actionhelden und entsprechend wichtig war ihm sein Aussehen, was sich in einer kuriosen Forderung zeigte:
„Er war so besorgt um seine Frisur und um gut aussehende Blickwinkel und hatte gerne eine zusätzliche Kamera, um seine Muskeln einzufangen. Er war wie ein großes Kind. Das ist meine Spezialität: Ich weiß, wie ich meine Stars gut aussehen lasse. Ich weiß, wie ich den richtigen Winkel finde, damit sie schön aussehen. Denn ich liebe meine Stars. Ich respektiere meine Stars. Die Stars in meinen Filmen sind alles. Ich versuche für alle einen anderen Blickwinkel oder eine besondere Beleuchtung zu finden, damit sie gut aussehen. […] Ich habe mich so sehr bemüht, Van Damme großartig aussehen zu lassen – und er weiß das.“
Dass Van Damme seine Muskeln in bester Form und in voller Pracht präsentiert haben wollte, war verständlich. Immerhin trägt er auch den Spritznamen Muscles from Brussels. Und Woo machte eine großartige Arbeit:
„Hard Target“: John Woo lobt die Einsatzbereitschaft von Jean-Claude Van Damme
Aber eines konnte man Jean-Claude Van Damme im Gegensatz zu manch anderem Action-Star nie vorwerfen: dass er faul wäre. Tatsächlich erinnert sich John Woo daran, dass sein Hauptdarsteller möglichst viele Stunts selbst ausprobieren wollte und voller Tatendrang war:
„Ich glaube, er mochte Filme und er wollte gute Arbeit verrichten. Er war zu der Zeit ziemlich beliebt und etwas zu beschäftigt. Er bekam so viele Telefonanrufe! Wenn wir drehten oder etwas gegessen haben, war er immer mit anderen Studios am telefonieren, sprach über den Vertrag für seinen nächsten Film und über Gagen. Am Set mussten wir immer auf ihn warten, bis er telefoniert hatte. Jedenfalls glaube ich, dass er seine Arbeit sehr ernst nimmt und klug ist. Er kann kämpfen, er ist charmant und er ist eine Art Romantiker. Er war bereit, neue Dinge auszuprobieren. Selbst wenn eine Actionszene ziemlich gefährlich aussah, wollte er es dennoch probieren.“
Die Zusammenarbeit hatte sich gelohnt: „Harte Ziele“ wurde zu einem moderaten Erfolg und genießt heute einen Kultstatus unter Actionfans. John Woo ist übrigens nach langer Zeit nach Hollywood zurückgekehrt und hat mit „Silent Night“ einen Actionfilm mit Joel Kinnaman gedreht, in dem kein einziges Wort gesprochen wird.
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