Es ist zunächst nur der Aufzug, der nicht mitspielt. Als Hedi Schneider eines Tages in ihm feststeckt, bemüht sie sich noch, ihre gute Laune nicht darunter leiden zu lassen. Immerhin ist sie glücklich verheiratet, hat einen kleinen Sohn und versucht auch in der Firma, ihr sonniges Gemüt auf andere abfärben zu lassen. Doch eines Tages ist alles anders. Ganz plötzlich bekommt Hedi keine Luft mehr. Sie wird panisch, hat Angst zu sterben. Die Ärzte versuchen sie zu beruhigen, verschreiben Medikamente. Auch ihr Mann und ihre Mutter sind überzeugt, das wird schon wieder. Doch Hedis Angst bleibt. Nicht nur vorm Sterben. Sondern auch vorm Leben. Und so müssen alle einsehen: Die Hedi, die sie kannten, gibt es nicht mehr. Denn Hedi Schneider steckt fest. Was beginnt wie eine heitere und herrlich entspannte Komödie, entwickelt sich nach und nach zu einer intensiven Geschichte voller ernsthafter Momente. Denn so wie das heitere und stets gutgelaunte Wesen Hedis entschwindet, desto ernsthafter wird auch ihr Zustand. Doch dank eines großartigen Drehbuchs und der kongenialen Hauptdarstellerin Laura Tonke gelingt es der Regisseurin Sonja Heiss, trotz Traurigkeit auch immer wieder Leichtigkeit in die Erzählung zu bringen. Tonke spielt Hedi so nuanciert, dass in ihrer Mimik eine ganze Landkarte der Emotionen lesbar ist, selbst wenn diese Emotionen nicht mehr offen hervortreten können. Das Krankheitsbild wird glaubhaft dargestellt und auch der wichtige Aspekt des Umgangs der Familie damit wird nachvollziehbar vermittelt. Dazu trägt auch die Leistung der Darsteller, allen voran Hans Löw als Ehemann, deutlich bei. Alle Figuren, einschließlich Hedi, müssen lernen, die Angstzustände als einen Teil von ihr anzusehen. Dahin führt der Film mit sanfter und feinfühliger Hand und erschafft eine komplexe und dennoch unterhaltsame Geschichte. Am Ende beschließen Hedi und ihr Mann, das gemeinsame Glück nicht aufzugeben, so flüchtig und zerbrechlich es auch sein mag. Denn wer weiß schon, was morgen ist. Oder wie man sich fühlt. HEDI SCHNEIDER STECKT FEST ist ein Glücksfall im deutschen Erzählkino. Ein Film, der unterhält und fordert, der begeistert und berührt.
Jurybegründung:
Es ist ein Zeichen der Zeit: Immer mehr Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer psychischen Erkrankung, über die sie aus falsch verstandener Scham und der Angst vor Ausgrenzung nicht gerne reden. In ihrem Film HEDI SCHNEIDER STECKT FEST widmet sich Sonja Heiss diesem Thema auf ungewöhnliche Weise und zeigt damit auf gelungene Weise, dass man diesem Phänomen auf ganz andere, aber nicht minder ernsthafte Weise zuleibe rücken kann.
Der Titel von Sonja Heiss‘ Film verspricht nicht zu viel: Am Anfang bleibt Hedi Schneider auf dem Weg ins Büro zu ihrem ungeliebten Job bei einem Reiseveranstalter im Fahrstuhl stecken: Im Falle eines aufkommenden Panikgefühls solle sie ganz ruhig ein- und ausatmen, empfiehlt ihr der Mann am anderen Ende des Notrufs - dabei ist sie doch ganz ruhig. Noch. Denn genau das wird sich alsbald ändern.
Es sind die ersten Szenen, der Auftakt des Films, die Titelsequenz mit der betont heiteren Musik, die den Zuschauer zunächst auf eine falsche Fährte locken: Zwar beginnt der Film wie eine Komödie und bleibt selbst bei dramatischen Wendungen vorwiegend heiter, doch das Thema, vom dem der Film erzählt, ist gemeinhin nicht gerade das, worüber man normalerweise lacht. Die junge Frau entwickelt aus heiterem Himmel eine Angststörung, ein Burn-out-Syndrom vielleicht (so genau benennt das der Film nicht) - und danach ist nichts mehr so wie es war. Die Sicherheit, sich mit ihrem Mann (Hans Löw) und dem gemeinsamen kleinen Sohn Finn am richtigen Fleck zu befinden und das Leben meistern zu können, diese und andere Gewissheiten sind plötzlich weg. Stattdessen: Unkontrollierte Panikattacken und der dringende Wunsch, dass diese fremden Gefühle endlich wieder weggehen mögen.
Dass die Schilderung von psychischen Krankheiten nicht zwangsläufig in Form eines Dramas daherkommen muss, dafür gibt es mittlerweile zahlreiche filmische Beispiele. Wenigen aber gelingt dies auf so leichte (ja sogar unterhaltende) und dennoch bewegende Weise wie in diesem Fall.
Neben der mit leichter Hand vorgetragenen Inszenierung und einem stimmigen Drehbuch sind es vor allem die darstellerischen Leistungen, die HEDI SCHNEIDER STECKT FEST zu einem ungewöhnlichen Erlebnis machen. Laura Tonke meistert die verschiedenen Seelenzustände der Protagonistin bravourös (exemplarisch sei hier etwa der Besuch einer Zoohandlung genannt, in der Hedi, leicht zugedröhnt von Psychopharmaka, einen jungen Verkäufer ziemlich durcheinander bringt), und auch Hans Löw als zunehmend hilfloser Ehemann Hedis versteht es, die Zuschauer auf seine Seite zu ziehen. Die hinreißenden Dialoge und die überaus gelungene Ausstattung zeichnen ein stimmiges Bild des sozialen Milieus - im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Filmen glaubt man hier wirklich, dass die Räume, in denen sich der Film entfaltet, von echten Menschen bewohnt werden. Der Detailreichtum und die Liebe zu den Figuren, das gelungene Sounddesign und die stimmige Musikauswahl, dazu eine exzellente Kameraführung, all dies präsentiert sich wie aus einem Guss und versteht es doch immer wieder, überraschende Details und Wendungen hervorzuzaubern, die diesen Film so überaus sympathisch machen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)