Ein Film mit drei voneinander abgegrenzten, voneinander unabhängigen Handlungsfäden, die sich alle ums Jenseits drehen: das kann schief gehen. Leicht gerät man in einen Sumpf voll esoterischem Quark, in dem man unrettbar verloren ist; leicht wird das zu einem religiösen Pamphlet egal welcher Richtung; leicht versinkt man in Sentiment, wenn sich Wünsche, Hoffnungen, Glauben, die auf die Möglichkeit eines Lebens nach dem Tod ausgerichtet sind, in Banalität, Kitsch oder Gefühlsduselei auflösen. Und: Die Gefahr besteht, dass die drei Episoden einander doppeln, redundant werden, einmal Gesagtes wieder und wieder wiederholen.
Aber andererseits ist Clint Eastwood ein Versprechen. Und er hält es.
Die erste Sequenz ist gewaltig, eine ungeheure Wucht, mit der der Film den Zuschauer überrollt. Urlaubsalltag in Thailand, herrlicher Strand, lange Ausschlafen im Hotel, ein Besuch auf dem Markt und dann ein Grollen, panische Schreie, eine Wasserwand türmt sich auf
Und der Tsunami verschlingt alles, was wir vorher als Paradies kennengelernt haben, die Wassermassen verschlucken die Stadt: was man sich aus den Nachrichtenbildern nie hat vorstellen können, wird hier gezeigt, wird erlebbar: die Riesenwelle, die Zerstörung, das Leid, der Tod. Eine Katastrophe: und Eastwod vermeidet alles Roland-Emmerichhafte daran.
Der inszeniert das Desaster um seiner selbst willen, und das heißt letztlich: unecht, distanziert, ohne wirkliche Wirkung. Bei Eastwood wird das Schlimmstmögliche real, die Macht des Todes erhebt sich; und das heißt: er inszeniert das Menschliche im Untergang, das Unglück als realen Einbruch ins Leben. Eastwood braucht das für seinen Film, darum geht es: wie der Tod ins Leben herübergreift, und wie wir damit umgehen. Mit dem Tsunami etabliert er das Thema, und er etabliert eine seiner Figuren, Marie, bringt sie dem Zuschauer nahe. Denn Maries Veränderung nach diesem Erleben, der Wandel ihrer Person, ihres Lebens, erschließt sich aus der Nahtoderfahrung unter Wasser.
Eastwood lässt das Reale in seinen Film einbrechen, und das bedeutet auch, dass er das Fiktive als unbedingte Realität zeigt. Die wuchtige Wirklichkeit des Tsunamis lässt Eastwood hinübergleiten ins Märchenhaft-Fantastische in der Episode in San Francisco, wo Matt Damon als George darunter leidet, dass er ein Hellseher ist. Dass er bei Körperkontakt, bei jedem Händeschütteln, hineinsehen kann in den anderen, hin zu dessen Erfahrungen mit dem Tod, dass dann sofort Kontakt hergestellt ist zu denen, denen das Gegenüber nachtrauert, zu den Geistern seiner Vergangenheit, die nun auch George bespuken. Das ist keine Gabe, das ist ein Fluch, George ist ein Freak, der unwillkürlich, unversehens, jederzeit in die Todeserfahrungen anderer eintauchen muss; der niemals normal-menschlichen Kontakt mit anderen haben kann. Weil er stets mit Trauer, mit Verzweiflung konfrontiert ist, mit dem Tod.
Verzweiflung und Trauer bestimmen das Leben des 12jährigen Marcus in London, dessen geliebter Zwillingsbruder tragisch zu Tode gekommen ist: der einzige Halt in seinem Leben, das bisher im prekären Sumpf unterster Unterschicht steckte, mit dauerbesoffener Junkie-Mutter, mit ständiger Angst vor dem Jugendamt, mit der kindlichen Sehnsucht nach Normalität, die dann doch niemals kommt.
Eastwood erzählt mit dem ihm typischen einfachen Einfühlungsvermögen von diesen dreien, für die der Tod so eminent ins Leben getreten ist. Geschickt schaltet er von einer Geschichte auf die andere, verbindet sie harmonisch miteinander, streut auch Witz und Komik ein, und weil er sich so auf seine Figuren einlässt, vermeidet er das Esoterische, auch wenn es um Hellsehen, um Nahtoderfahrung, um das Eingreifen der Toten ins Leben geht. Er will keine wie auch immer geartete Botschaft, kein Glaubensbekenntnis bieten: eher mit leiser Ironie verbindet er Reales Tsunami, die Londoner Terroranschläge mit dem, was unerforscht bleiben wird, mit parapsychologisch-obskuren Phänomenen, die er aber als Wirkliches darstellt.
Am Ende treffen die drei Episoden, die drei Protagonisten, ungezwungen aufeinander, die sich auf unterschiedliche Art, aus unterschiedlichen Gründen mit dem Tod, mit dem Ende des Lebens und dem Anfang im Jenseits, auseinandersetzen mussten; im Wissen, dass es mehr Dinge im Himmel und auf Erden gibt, als unsere Schulweisheit zu träumen wagt. Im Film wird dieses Mehr, dieses Unbekannte der Schulweisheit als gegeben gesetzt als etwas, das Trost bieten, das Verzweiflung lindern kann. Das aber auch Last bedeuten kann, und das keine Antworten bietet. Er geht, er verlässt mich, sagt George zu Marcus nach dessen Hellsehersitzung. Wohin, wohin geht er? Ich weiß es nicht. Nach all der Erfahrung, nach all den Blicken ins Reich der Toten bleibt doch immer ein Geheimnis.
Fazit: Eastwood beschäftigt sich mit dem Tod, mit dem Leben danach; ohne ins esoterische oder religiöse Fantasieren zu kommen, zeigt er das Menschliche im Umgang mit Lebensende und Jenseits; und er weiß geschickt Spannung und filmische Harmonie zwischen den drei Episoden des Films zu halten.