Hans Zeisig ist Komödiant. Sein großer Traum ist Hollywood. Doch im Jahr 1938, bedroht von den NS-Schergen, bleibt Zeisig bald nur noch die Flucht nach Russland mit gefälschtem Ausweis. Im von Kommunisten besiedelten Hotel Lux fühlt er sich nicht lange sicher, denn augenscheinlich waren die gefälschten Papiere für jemand anders bestimmt. Und Zeisig muss nun zeigen, wie wandelbar sein Talent als Parodie-Künstler wirklich ist. Die groteske Tragikomödie von Leander Haussmann nutzt historisch verbürgte Wahrheiten und Personen und versetzt sie kreativ mit fiktionalen Elementen. Dabei überzeugen auch die detailgenaue und historisch stimmige Ausstattung. Der Film betrachtet mit satirischem Augenzwinkern seine Figuren, ohne sie zu denunzieren. Das Timing stimmt, die Pointen sitzen, die Musik passt genau und die Besetzung ist bis auf die kleinste Nebenrolle absolut gelungen. Vor allem Michael „Bully“ Herbig meistert bravourös die schauspielerische Gratwanderung zwischen schelmenhaftem Clown und tragischem Held in der Klemme. Ein aberwitziger und origineller Ausflug in die Geschichte.
Jurybegründung:
Es steht in den Sternen, ob einem Film der große Erfolg beim Kinopublikum vergönnt ist. Aber man sollte nicht etwa abwarten und in den Mond gucken, sondern vielmehr die erste Gelegenheit nutzen, um den famosen Film HOTEL LUX zu sehen. An diesem berüchtigten Ort waren deutsche Kommunisten im Moskauer Exil unterbracht bzw. interniert. Viele von ihnen wurden denunziert und liquidiert. Es ist ein Ort, der Angst, Versagen, Verrat, enttäuschte Hoffnungen und Tragik symbolisiert. Kann so eine filmische Idee überhaupt gut gehen? Eine Komödie (- oder besser gesagt: ein „Schelmenstück“) über stalinistischen Terror und die Schrecken der „Großen Säuberung“? Kann dabei dann auch noch ein Schauspieler wie Michael Bully Herbig in einer Hauptrolle überzeugend agieren? Er selbst hatte Zweifel und wollte absagen. Es ist wohl hauptsächlich dem Produzenten Günter Rohrbach zu verdanken, dass Herbig seine Entscheidung revidierte und das Wagnis einging. Da die Leistung der Produzenten oft unberücksichtigt bleibt bzw. unterschlagen wird, soll sie an dieser Stelle ausdrücklich hervorgehoben werden. Günter Rohrbach und Corinna Eich haben ein großartiges Team zusammengestellt und offenbar eine ausgezeichnete Arbeit vor und während der Produktion geleistet. Hier sollen nur wenige Beispiele genannt werden, an denen die Qualitäten des Films ablesbar sind. Da wäre zunächst die Ausstattung. Tischler Pieck hat vermutlich nie solche stilechten Möbelstücke gefertigt - ob Varieté-Künstlergarderobe oder das Hotelmobiliar - alles wirkt sehr authentisch. Szenenbildner Uli Hanisch schuf auch die Grundlage für eine sehr originelle Spielidee in Stalins Bad und WC. Beim Casting (Simone Bär) wurden die passenden Typen gefunden und Mimen von Rang gewonnen. Die Kamera von Hagen Bogdanski führt den Blick des Zuschauers präzise zu aussagekräftigen Bildmotiven. Auch Ton, Licht und andere Stab-Bereiche müssten hier gewürdigt werden, denn das alles trägt neben der Regie zum Gelingen der Schauspielkunst bei. Die Darsteller agieren tatsächlich großartig - sie versetzen die Spiegelneuronen in volle Erregung, holen den Zuschauer quasi mitten hinein ins Geschehen. Rasant wird das Abenteuer erzählt, das (die so besungenen „guten Freunde“) Hans Zeisig (Michael Bully Herbig) und Siggi Meyer (Jürgen Vogel) gemeinsam mit ihrer Genossin Frida van Oorten (Thekla Reuten) durchleben. Mal kommt Spannung auf, mal wird das Zwerchfell strapaziert, mal kommt die Biochemie der Verliebtheit ins Spiel - ein Wechselbad der Gefühle eben. Man spürt, wie sogar bei Zeisig das sogenannte „Bindungsmodul“ aktiviert wird und der einstige Playboy sich unsterblich in Frida verliebt. Solche Affekte werden dann z. B. geschickt mit dem Gesang der Internationale gekontert, sodass der Humor die romantische Liebe sublimiert bzw. durch den Anreiz zu herzhaftem Lachen auflockert. Missverständnisse und Überraschungen, Situationskomik und Wortwitz treiben das Geschehen voran. Wie im Flug vergeht die Zeit und am Ende möchte man den Film ein zweites Mal sehen, um die dichte (mehrschichtige) Semantik (mit vielen Details und Anspielungen) weiter zu erschließen. Haußmann löst die Varieté-Drohung ein. Er hat offenbar wirklich Mittel, „jeden zum Lachen zu bringen“. Aber doch bleibt der historische Ernst, den man nicht einfach weglachen kann. Handelt es sich um eine „historisch korrekt erfundene Geschichte“? Strenge Historiker werden vielleicht entgegnen, dass sie nur historisch kokett erfunden ist. Filmkunst kann, muss aber nicht politisch oder historisch korrekt sein. Sie vermag freilich ein veritables Interesse für Politik und Geschichte zu wecken, wenn ihre Ästhetik das Publikum verblüfft, provoziert, unterhält … und begeistert. Das dürfte dem Film bei vielen Zuschauern gelingen. Leander Haußmann führte nicht nur Regie, sondern brachte auch das Drehbuch in die richtige Fasson. Daher gebührt ihm wohl das höchste Lob. Man findet übrigens kaum geeignete Vergleiche, um diesen faszinierenden Film einzustufen. Vielleicht könnte man auf Chaplins DER GROSSE DIKTATOR eingehen oder an DER BRAVE SOLDAT SCHWEJK erinnern. Doch mit HOTEL LUX ist schon etwas ganz besonderes gelungen. Die FBW-Jury brauchte nicht lange, um sich auf das Prädikat „besonders wertvoll“ zu einigen, welches der Höchstzahl an Sternen entspricht. Wer diesen Film gesehen hat, wird wahrscheinlich lange seine Freude daran haben, denn kleine Einfälle (wie Ulbrichts Mauer aus Zuckerwürfeln) oder überzeugende Gesten humaner Haltung bleiben bestimmt in Erinnerung.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)