Howl ist definitiv kein gewöhnliches Biopic. Die Regisseure Rob Epstein bekannt durch den Dokumentarfilm The Times of Harvey Milk und Jeffrey Friedman entschieden sich dafür, die Handlung aufzuspalten und auf vier Ebenen zu verteilen. Die erste Ebene besteht aus fiktiven Interviewszenen mit Allen Ginsberg, die während oder kurz nach dem Prozess stattfinden. Hier ist am deutlichsten spürbar, dass Epstein und Friedman eigentlich aus dem Dokumentarfilmbereich kommen. Diese Interviewszenen sind eng verknüpft mit der (zweiten) Ebene, die aus Rückblenden in gestochenem Schwarzweiß besteht. Dort ist der junge Ginsberg zu sehen. Mal lange bevor er Howl geschrieben hat, dann während dessen und bei seiner ersten Lesung. Alle drei Zeitabschnitte werden innerhalb der Rückblenden wild durcheinandergemischt und sind deshalb eng mit den Interviewszenen verbunden, weil der dortige Ginsberg die Rückblenden einleitet und auch weiter kommentiert. In den Rückblenden spielt der Dialog eine absolut untergeordnete Rolle mit Ausnahme der Lesung in dem Jazzclub natürlich.
Auf der dritten Ebene vollzieht sich die Handlung im Verlauf der Darstellung des Gerichtsprozesses. Diese Ebene ist gleichzeitig auch die konventionellste, da sie aus einer Aneinanderreihung von durchaus amüsanten Standardsituationen des Gerichtsfilms besteht. Eigentlich handelt es sich hauptsächlich um ein Duell zwischen Verteidiger und Staatsanwalt. Die interessante Figur des Lawrence Ferlinghetti, da nicht nur Chef von City Light Books, sondern auch selbst bekannter Dichter dieser Zeit, verkommt da leider zu einem Statisten ohne Sprechrolle. Allerdings fallen dort so geniale wie auch einfach logische Dialogzeilen wie: "Man kann Poesie nicht in Prosa übersetzen, sonst wäre es ja keine Poesie."
Die vierte Ebene schließlich besteht aus abgedrehten Animationssequenzen, kreiert von Graphic Novelist Eric Drooker, seiner Zeit ein Mitarbeiter von Ginsberg. Die Animationen sind ein Versuch, Bilder für den Inhalt von Ginsbergs Gedicht Howl zu finden und sorgen gleichzeitig dafür, dass der ansonsten eher ruhige Film deutlich an Tempo gewinnt. Ob es sich dabei um eine gelungene Interpretation des Gedichts handelt, ist schwer verallgemeinernd zu sagen, da wahrscheinlich jeder, der Howl gelesen hat, andere Bilder damit verbindet. Manch einem mögen die psychedelisch-bunten Bilder über kopulierende Körper, die am Höhepunkt angelangt zu Sternenstaub explodieren, vielleicht etwas zu platt sein, aber im Prinzip strotzen die Bilder nur so vor Lebenshunger und Chaos wie auch Ginsbergs Gedicht selbst.
James Franco in der Rolle des Allen Ginsberg trägt diesen Film maßgeblich und wird während des Vortrages von Howl in dem Jazzclub nahezu zu Allen Ginsberg, mit dessen Art der Gestikulation und vor allem seiner ihm eigenen Art der Intonation. Franco beim Spielen beim Ginsberg-Sein zuzuschauen, ist eine wahre Freude. Er ist in der Lage, die unterschiedlichen Lebens- und Altersstadien Ginsbergs absolut glaubwürdig darzustellen und verhindert, dass dem Zuschauer langweilig wird, bei den Interviewszenen, die ausschließlich Franco zeigen, wie er als Ginsberg Antworten für das Wie der Entstehung eines Gedichtes gibt.
Howl hat nicht den Anspruch, ein Lehrfilm über die Zeit der Beat-Generation zu sein. Wer bislang nichts über diese Zeit wusste, wird auch danach nicht viel schlauer sein. Allerdings verortet der Vorspann mit seiner Bildercollage den bereits wissenden Zuschauer gekonnt in der Zeit der Beatniks und der weitere Verlauf des Films lässt das Gefühl zu dieser verrückten Zeit, als alles möglich zu sein schien, wieder spürbar werden.
Fazit: Howl ist ein innovativer Genremix über das Schreiben, Reden und Streiten über Literatur. Eine Erinnerung an eine Zeit, die Aufbruch bedeutete und vor allem ein Film mit einem fabelhaften Schauspieler in der Hauptrolle.