Dies ist eine wahre Geschichte. Ganz ehrlich. Behauptet der Vorspann, und damit ist auch begründet, warum der eigentlichen Handlung eine Vorgeschichte vorausgeht von Steven Russell, den Jim Carrey spielt, der in seiner Kindheit brutal erfährt, dass er adoptiert wurde, und genau deshalb zu einem besonders guten Menschen wird. Polizist, liebevoller Ehemann und Vater, ein Vorzeige-Vorstadtbürger. Der dann aber doch seiner leiblichen Mutter nachspürt. Und herb enttäuscht wird.
Diese Anfangsgeschichte hat sicherlich etwas mit einer lebensechten Charakterisierung der Hauptfigur zu tun, die ja einem wirklichen Menschen nachempfunden ist aber auch mit einer Strategie des Films, der einen Ton ironischer Satire hält und zudem immer wieder den Zuschauer in eine Falle lockt. Indem er plötzlich einen Umschwung einleitet, sozusagen neu beginnt. Denn Steven Russell ist eben auch schwul. Stockschwul. Und er beginnt ein neues Leben, heißt: einen neuen Lebensstil. In Miami, in den luxuriösesten Hotels, mit den luxuriösesten Autos, in luxuriösester Kleidung damit hält er sich seinen Freund Jimmy, doch schwuppdi: muss er auch bemerken, dass der schwule Lebensstil sauteuer ist.
Und er beginnt wieder ein neues Leben: Versicherungsbetrug. Um sich zu finanzieren. Und landet dafür im Gefängnis. Wo nun wirklich ein neues Leben für ihn beginnt: weil er Phillip Morris kennenlernt (nicht verwandt mit dem Tabakkonzern). Den er aufrichtig und treu liebt, und der ihn wiederliebt: eine wunderschöne, höchst romantische Liebesgeschichte hinter Gefängnismauern.
Eine Liebe, die immer abhängig ist von der Gefängnisverwaltung, die Häftlinge verlegen oder gar entlassen kann. Ein Horror für Steven, der so sehr, so sehr liebt! Und der sich folglich einfach als Anwalt ausgibt, um seinen Phillip zu sich in die Freiheit zu holen.
Jim Carrey spielt diesen Hochstapler, diesen unehrlichen, niemals aufrichtigen Betrüger, der aber zumindest zur Liebe aus tiefstem Herzen fähig ist (und dafür immer nur die falschen Mittel aufwenden kann). Carrey ähnelt auf frappierende Weise immer mehr Willem Dafoe, mit kantigem Gesicht, breitestem Grinsen während Dafoe wilde, leidenschaftliche und immer wieder böse Charaktere verkörpert, haftet an Carrey freilich seine Komiker-Geschichte: perfekt für einen schillernden Charakter, wie er ihn hier verkörpert. Ewan McGregor seinerseits ist als Phillip Morris der Naive, der Reine, der naiv und rein Liebende, ohne Arg, ohne Misstrauen, stets offen und ehrlich und damit ist er das allergrößte Opfer von Stevens Hochstapeleien.
Denn auch wenn der seine Liebe ganz ernst meint: er kann nicht von den Lügen lassen, die sein Leben ausmachen. Als Anwalt schlägt er sich durch, der er nicht ist, er lässt sich mit gefälschten Zeugnissen bei einem Unternehmen als hochbezahlter Finanzfachmann anheuern, steigt in der Hierarchie auf und findet jedes Loch zur Unterschlagung von Geldern denn nur mit Geld vermag er, seine Liebe auszudrücken.
Neben der schwulen Liebesgeschichte unter merkwürdigsten Umständen bauen die Regisseure Glenn Ficarra und John Requa hier eine zweite Schiene auf: Sie verknüpfen in der Person des Steven Materialismus mit Gefühl. Nur, wenn er Geld ausgeben kann und wenn sein Gegenüber das Geld annimmt, ist sich Steven der Liebe sicher; und nur, wenn er in eine Rolle schlüpfen kann, die ihm Geld einbringt, ist er sich seiner selbst sicher. Eine wirkliche, eigene, innere Identität ist ihm fremd er definiert sich über das Geld, das er bekommt, und über Phillip Morris Liebe, die er sich damit erkauft.
Liebesgeschichte und Mann ohne Eigenschaften: diese Verbindung gelingt Ficarra und Requa, und sie bringen am Ende sogar ein Stück Melodram hinein, eine AIDS-Tragik. Doch das Sprichwort (ist es böswillig?), dass sogenannte Independent-Filme mit Starbesetzung lediglich Hollywood-Mainstream ohne Happy End sei, das bewahrheiten sie wenn man so will doch wiederum auf ganz neue Weise. Denn zwischendurch muss Steven Russell natürlich nochmal ein, zwei neue Leben anfangen.
Fazit: Schwule Liebesgeschichte hinter Gittern: Zwei Topstars in einem Indiefilm.