Ich reise allein: Feinfühlige skandinavische Dramödie mit Niveau und Stil, die mit ausgeformten Charakteren familiäre Annäherung voller menschlicher Momente betreibt.
Feinfühlige skandinavische Dramödie mit Niveau und Stil, die mit ausgeformten Charakteren familiäre Annäherung voller menschlicher Momente betreibt.
Auf „Der Mann, der Yngve liebte“, ein in Stavanger des Wendejahrs 1989 angesiedeltes Coming-of-Age um Punkmusik und (homo)sexuelle Wirrnisse, folgt Stian Kristiansens zweiter Film über Jarle Kepp, den er wieder mit Rolf Kristian Larsen („
Max Manus„) besetzt hat. Die Mitte der Neunzigerjahre angesiedelten Geschehnisse haben sich vom Komödiantischen mehr, aber nicht vollständig, ins Dramatische verlagert und handeln auf ihre Weise von Familie und Erwachsenwerden, nicht ohne allerhand (rein heterosexuelle) Beziehungs- und Liebeswirren mit einzubeziehen.
Milieu und Charakterisierungen sind die Antriebskräfte, aus denen sich Komik und Dramatik wie von allein ergeben, wenn man tief in das unbesorgte Studentenleben des 25-jährigen Jarle eintaucht, der es sich an der Uni eingerichtet hat und als junger Intellektueller mit seinen Kumpels von Bukowski und Nietzsche, Fassbinder und Bergman, Nick Cave und dunklem Rock schwärmt, während er hochgestochene Elaborate über sein Thema Marcel Proust verfasst. Das Hochkultur-Feierbiest muss über Nacht damit klar kommen, Vater zu sein, weil seine kleine Tochter Lotte (anbetungswürdig natürlich: die Entdeckung Amina Bergrem), die er vor sieben Jahren volltrunken in einem One-Night-Stand zeugte, vor seiner Tür steht. Von artgerechter Kinderhaltung hat der Hipster keinen Schimmer, lehnt das arme Mädchen ab und flüchtet in den nächsten Suff, auch weil sich seine Freundin gerade von ihm trennt.
Den Beziehungsstatus mit „es ist kompliziert“ zu umschreiben trifft die Lebensumstände präzise, denn die alleinerziehende Nachbarin, seine Ex, die dann doch wieder an ihrer Entscheidung zweifelt, seine besten Kumpels und auch seine noch recht junge Mutter erweisen sich als kinderlieb - ganz im Gegensatz zum überforderten Problemvater, der sich mit Händen und Füßen wehrt. Als dann noch Lottes attraktive Mutter Annette zum achten Geburtstag des Kindes auftaucht, sprießen wieder Gefühle und das Chaos ist komplett. Das besteht allerdings nicht - wie unzählige thematisch vergleichbare amerikanische und deutsche Klamotten - aus plumpem Familienkitsch, sondern erweist sich als feinfühlige Studie voller Zwischentöne, sanfter Feel-Good-Tendenz und so vielen anrührenden menschlichen Momenten auf einem Niveau, dass jeder Connaisseur vergnügt mit der Zunge schnalzen wird.
tk.