Io e te: Lorenzo, 14, steht mit seinen Mitschülern nicht auf bestem Fuß. Auf dem Weg zum Skikurs macht er kehrt und versteckt sich im weitläufigen Keller. Er freut sich auf eine ungestörte Woche nur mit seiner Lieblingsmusik, Büchern und einer Ameisenkolonie. Doch in der Nacht wecken ihn Schritte: Seine ältere Halbschwester Olivia, vor Jahren abgehauen, sucht nach ihren Sachen. Nun braucht sie seinen Schutz...
Handlung und Hintergrund
Das Verhältnis zwischen dem 14jährigen Lorenzo und seiner fürsorglichen Mutter ist nicht das Beste, auch mit den Mitschülern kommt er nicht klar. Als die Klasse in die Ski-Ferien fährt, büxt er aus und versteckt sich im Keller des Mietshauses, will eine Woche nur Musik hören und Bücher lesen, endlich alleine sein. Daraus wird nichts, als plötzlich seine ältere drogensüchtige Halbschwester auftaucht und Unterschlupf sucht. Beide machen auf cool, um ihre Verwundbarkeit zu kaschieren, am Ende keimt Hoffnung, dass sie vielleicht ihren Weg finden.
Besetzung und Crew
Regisseur
Produzent
- Mario Gianani,
- Lorenzo Mieli
Darsteller
- Jacopo Olmo Antinori,
- Tea Falco,
- Sonia Bergamasco,
- Veronica Lazar,
- Tommaso Ragno,
- Pippo Delbono
Drehbuch
- Niccolò Ammaniti,
- Alessandro Bertolucci,
- Umberto Contarello,
- Francesca Marciano
Musik
Kamera
Schnitt
Casting
Buchvorlage
Kritikerrezensionen
Cinefacts.de
Nach fast zehnjähriger Regiepause knüpft der inzwischen an den Rollstuhl gefesselte Altmeister Bernardo Bertolucci mit "Ich und Du" an seine letzten Kammerspiele wie "Shandurai und der Klavierspieler" oder "Die Träumer" an. Wieder porträtiert er konträre Charaktere, die sich in ihrer Abgeschiedenheit allmählich annähern und gegenseitig Halt verleihen. Mit Ausnahme einiger direkter Dialoge verzichtet der einstige Skandalregisseur in dieser Literaturadaption jedoch auf provokante Einlagen, wie man sie aus früheren Werken kennt. Es fällt auf, dass seine Protagonisten von "Stealing Beauty" über "Die Träumer" bis zu "Ich und Du" immer jünger werden.
Anfangs wirkt der pickelgesichtige Lorenzo trotz unangenehmer Erfahrungen in seiner Verstocktheit, Trotzigkeit und mangelnden Dialogbereitschaft wenig sympathisch, was bis zu einem gewissen Grad ebenfalls auf seine selbstsüchtige Schwester zutrifft. Erst als sich beide in ihrer Verlorenheit gegenseitig stärken, findet man langsam Zugang zu ihren Nöten. Genauere Details über Olivias Probleme mit ihren Liebhabern, der Familie und dem Drogenentzug fließen erst nachträglich ein, wobei die vollständigen Ursachen für beider Weltschmerz nur vage angerissen werden. Letztlich will Lorenzo nicht nur seinen Mitschülern aus dem Weg gehen, sondern sich gleichzeitig vor der übervorsorglichen Mutter zurück ziehen.
Ebenso wie ein Inzest-Dialog zu Beginn weckt die Mutter-Sohn-Thematik Erinnerungen an das Drama "La Luna" (1979). Es finden sich noch weitere Verweise auf frühere Bertolucci-Arbeiten: Tea Falco, ebenso eine Neuentdeckung wie ihr Co-Darsteller, wirkt wie eine junge Ausgabe von Liv Tyler, die in "Stealing Beauty" die Hauptrolle spielte. Wie in dem eher aufgeblasenen "Shandurai" finden hier zwei gegensätzliche Figuren zueinander, wobei einige verwinkelnde Kameraeinstellungen erneut wie Einblicke in die Protagonistenpsyche erscheinen.
Überhaupt setzt Bertolucci von den ersten Minuten an auf eine bewegliche Kamera, um den Zwängen eines theatralischen Kammerspiels zu entgehen. Trotz des klaustrophobischen Ansatzes entdeckt man im Keller immer neue Räume, in denen die beiden Teenager ihre Entwicklung vollziehen können. Irgendwann entlässt Lorenzo seine Ameisenkolonie als Sinnbild seiner Lage in die Freiheit, weil er diese Ablenkung nicht mehr benötigt. Als Handlungskommentar setzt Bertolucci Pop-Klassikern wie "Boys Dont Cry" von "The Cure" oder "Ragazzo solo, Ragazza sola", die italienische Version von David Bowies "Space Oddity", sowie aktuelle Stücke ein. (Mangels bekannter Darsteller warb man in einigen Ländern sogar mit den Interpreten auf dem Filmplakat.)
"Ich und Du" mag wie eine beiläufige Fingerübung eines legendären Regisseurs wirken. Dass die Teenager auf Dauer im Keller kein Aufsehen erregen, mag wenig realistisch sein. Doch letztlich hinterlässt Bernardo Bertoluccis cineastische Rückkehr in seine italienische Heimat einen stimmigeren, geschlosseneren Eindruck als viele seiner Werke aus den Neunzigern. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht seine finale Arbeit bleiben wird.
Fazit: Bernardo Bertoluccis "Ich und Du" ist eine psychologisch stimmige, sezierende Adoleszenzstudie, die dank lebendiger Kameraarbeit theatralische Ansätze hinter sich lässt.
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