Im Schatten ist es genau richtig für Trojan. Er bewegt sich stets unter dem Radarschirm der anderen, die Unterwelt ist seine Heimat: kaum aus dem Knast gekommen, besucht er seinen früheren Komplizen Bauer. Offenbar aus einem nie explizit gemachten Ehrbegriff hat er ihn damals nicht verpfiffen; doch seinen Anteil holt er sich zur Not mit Waffengewalt. Womit er sich einen Feind gemacht hat, aber das schert ihn kaum.
Er ist ein Einzelgänger, schließt sich verschiedenen Jobs an: Raub ist sein Metier, der Planer, von Hanns Zischler gespielt, schiebt ihm manchmal Aufträge zu. Um Juwelen solls beim neuen Coup gehen, Trojan besichtigt die beiden, mit denen er den Raubzug ausführen soll, einen Alki und einen Junkie, das missfällt ihm: er ist Profi. Doch der Schaden ist schon angerichtet: Meyer, ein Polizist, hat Wind davon bekommen, dass Trojan wieder was plant, er ist dessen Antagonist, die Nemesis, er hängt sich an Trojan ran, will ihn zur Strecke bringen. Nicht aus Gerechtigkeitswillen, nein: weil er durch und durch korrupt ist, weil er sich einen Anteil erhofft, einen hohen. Den höchsten, was immer es koste.
Korrupt ist nicht nur die Polizei, auch die Justiz. Karoline Eichhorn spielt eine Pflichtverteidigerin, die ihre Mandanten gerne mal aushorcht nach neuen Jobs und diese Infos dann Trojan zuspielt. Für einen gewissen Anteil der Beute, natürlich.
Auftraggeber, Makler, Provisionen, Akquise: Trojan ist selbstständiger Unternehmer in der Schattenwelt, ein Freiberufler, der sich seinen Lebensunterhalt nicht mit anständiger handwerklicher Arbeit erstreitet, sondern mit möglichst perfekt ausgeführten kriminellen Taten; er ist ein Profi. Misel Maticevic spielt ihn genau so: vorsichtig, zupackend, emotionslos, pragmatisch. Kaum Regungen in seinem Gesicht, keine überflüssige Bewegung, ein ruhiges, bestimmtes Suchen nach dem nächsten Job, den er dann wohlvorbereitet nach genauem Plan durchführt, mit möglichst geringem Risiko.
Drei Parteien lässt Regisseur Thomas Arslan einander umkreisen: Trojan, mit den wechselnden Aufträgen des Planers und der Anwältin; Bauer, der ihm aus Rache seine Handlanger hinterherschickt; Meyer, der ihn aus kaltblütiger Gier nachschleicht. Ein präzises Genrestück ist das geworden, durchaus anders als die vorherigen Arslan-Filme, die ganz Berliner Schule Handlung minimal hielten und Wert auf Charakter- und Situationenporträts legten. Hier nun verbindet er den nüchternen Stil der Berliner Schule Beobachtung ohne Wertung mit Gangsterfilm-Genre-Elementen. Ganz ähnlich ist Christian Petzold bei Jerichow vorgegangen, diesem Noir-Film in der ostdeutschen Provinz.
Allein schon aus den Standardsituationen des Genres bezieht Im Schatten seine Spannung, da sind die ständigen Wohnungswechsel, da ist das Unterwegssein, die Autowerkstätte mit Schrottplatz, das Versteck im Wald, Verfolgungen und Überfall
Und Arslan lässt seine eigene Art einfließen, inszeniert nicht auf Action hin, sondern macht das alltägliche Handwerk, die Mühsal des Gangster-Freelancers deutlich, der weiß, dass er sich keinen Fehler leisten darf.
Wie geschickt Arslan seine Erzählperspektiven, die Wechsel der Sichtweisen arrangiert: er springt von Filmpartei zu Filmpartei, erzählt auf den Punkt, gibt einem ökonomisch das nötige an Information, um damit die Spannung zu halten; beobachtet lange, wie sich die Gegner beobachten, umtänzeln. Da finden wir uns dann bei Meyer im Auto, der Trojan hinterherfährt; der ihn beobachtet mit der Anwältin; der dann ihr hinterherfährt, der sie beobachtet mit dem Überfallkomplizen; der immer wieder warten muss, bis das nächste Puzzlestück sich ergibt, der dann eins und eins zusammenzählt und sich seine Chancen ausrechnet, um nach dem Coup dann einzugreifen und abzugreifen. Und dann sind wir später bei Trojan, nach dem Überfall, wie er die Scherben zusammenliest; nicht panisch, sondern ganz sachlich, orientiert am Notwendigen. Und der auch beim bitteren Ende keine Regung erkennen lässt; denn alles gehört zum Spiel des Schattenmannes, die Niederlage wie das Erlangen reicher Beute.
Fazit: Präzise inszenierter Gangsterthriller, distanziert-beobachtend erzählt und dadurch von großer Spannung.