Polen, 1943. Im Krieg versucht jeder, sich über Wasser zu halten. Auch Leopold Socha, ein Kleinkrimineller, sucht zunächst nur nach seinem Vorteil, als er einer Gruppe Juden begegnet, die sich vor den Nazis verstecken. Socha bringt sie in der Kanalisation unter und wird von den Flüchtlingen dafür bezahlt. Doch nach und nach treibt Socha nicht mehr das Geld an, sondern die ehrliche Sorge um das Leben der unschuldigen Menschen und das eigene Gewissen. Agnieszka Hollands Film erzählt die wahre Geschichte des Leopold Socha, der 14 Monate lang zehn Menschen vor dem Tod bewahrte und sein Leben dabei mehr als einmal riskierte. Dem kraftvollen Drehbuch gelingt dabei das fast unmögliche: das entsetzliche Leid der Menschen in der Kanalisation und ihre Situation erfahrbar zu machen, ohne den Film pathetisch zu überhöhen. Die klaustrophobische Enge in den Kanälen überträgt sich durch die außergewöhnliche Darstellerleistung auf den Zuschauer und man beobachtet fassungslos die Bilder, die für eine historische und unfassbare Wahrheit stehen. Ein würdiges Denkmal für Helden wie Leopold Socha und ein Mahnmal gegen das Verbrechen an der Menschheit.
Jurybegründung:
Der Film führt uns in die von der deutschen Wehrmacht besetzte polnische Stadt Lvov im Jahre 1943. Die Bewohner des jüdischen Ghettos werden entweder zur Zwangsarbeit ins KZ verschleppt oder auf offener Straße und in den Wohnungen erschossen. Eine kleine Gruppe von Frauen, Kinder und Männer konnten sich allerdings in das Labyrinth des unterirdischen Kanalsystems der Stadt retten und verstecken. Leopold Socha ist ein zunächst nur auf Eigennutz eingestellter Pole, der in seiner Arbeit als städtischer Angestellter zuständig für dieses Kanalsystem ist und sein Einkommen mit Diebstählen aufbessert. Er verhilft gegen Bezahlung der jüdischen Gruppe im Untergrund zu einem sicheren Versteck und sorgt auch für die notwendigsten Lebensmittel. In der klaustrophobischen Enge des Verließ, umgeben von bestialischem Gestank, Abwasser, Dreck und Ratten, vegetieren die jüdischen Flüchtlinge dahin und leben in der ständigen Angst, entdeckt zu werden.
So führt der Film den Zuschauer im ständigen Wechsel zwischen dem Familienleben des Hauptprotagonisten Socha und dem Überlebenskampf der Menschen im Untergrund hin und her. Er zeigt auch, wie in der qualvollen Enge der Notgemeinschaft der Juden zwischenmenschliche Gefühle wie Liebe, Freundschaft, Hass, Loyalität, Verrat, aber auch Todesangst entstehen. Er zeigt aber ebenso, wie der einstige „Kriegsgewinnler“ Socha sich vom Profiteuer zum Menschenfreund und großen Helfer, ja Retter, verändert, letztlich aber sich selbst und seine Familie in Lebensgefahr bringt. Es ist ein großes Verdienst von Regisseurin Agnieszka Holland, sich dieses wichtigen und erschütternden Themas nach einer wahren Begebenheit anzunehmen.
Ein hervorragendes Drehbuch ist verantwortlich für die spannende Grundkonstellation der zwei Erzählebenen über und unter der Erde, für eindrucksvolle und sehr realistische Szenen und glaubhafte Dialoge. Gelungen dabei ist vor allem die charakterliche Entwicklung der Hauptfigur Socha mit gutem Spiel von Robert Wieckiewicz.
Überzeugen können auch Benno Fürmann, Herbert Knaup und Maria Schrader. Ein Lob gilt auch der Kamera, vor allem bei schwierigsten Einstellungen im Kanalsystem. Kritik in der Jury entzündete sich an der Inszenierung der Geschehnisse im Untergrund, dabei vor allem bei der Schilderung des Lebens im Versteck bzw. Verließ. So berührend, ja erschütternd, die Geschichte als solche sei, so wenig bekäme man bei diesen Szenen als Zuschauer den wichtigen emotionalen Zugang. Aufgrund dieser Einschränkungen hat sich die FBW-Jury nach ausführlicher Diskussion für das Prädikat „wertvoll“ entschieden.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)