Immer wieder passiert es, wir hören davon in den Nachrichten, sind schockiert, aber schaffen es dennoch schnell, das unschöne Thema wieder von uns zu weisen: Kindsmord. Was treibt eine Mutter dazu, ihr eigenes Kind zu töten? Wie kommt es zu einer solchen Tragödie? Regisseur Jan Fehse und Autor Christian Lyra nahmen sich des schwierigen Themas an und haben es in "Jasmin" dialoglastig und tiefgründig umgesetzt.
"Jasmin" ist nicht einfach zu ertragen. Bis auf wenige Ausnahmen spielt sich der gesamte Film in einem Aufenthaltsraum der Psychiatrie ab. Hier gibt es einen Tisch, zwei Stühle, ein Fenster und eine Küchenzeile. Die Atmosphäre ist gedrückt, der Raum kalt und unpersönlich. Anstelle von Action oder bildgewaltiger Aufnahmen stehen hier einfache Kameraeinstellungen und ein fast schon schmerzhafter Fokus auf den Darstellerinnen. Bewusst als Kammerspiel inszeniert beschränkt sich Regisseur Jan Fehse ausschließlich auf die schauspielerische Leistung seiner Darstellerinnen. Und genau damit steht und fällt die Glaubwürdigkeit des Films. Die Geschichte an sich ist gut und umfassend aus realen Fällen recherchiert. Die im Skript verfassten Dialoge wirken natürlich. Leider hapert es hier zuweil an der Umsetzung. Während Wiebke Puls problemlos in die Rolle der kühlen, reservierten und professionellen Therapeutin schlüpft und ihre Rolle mit Bravur meistert, scheitert Anne Schäfer ab und an an der schwierigen Aufgabe. Ihre Mimik und theatralische Sprache erinnert oft an ihren Ursprung am Theater, nicht aber an eine verzweifelte junge Frau in der Psychiatrie. Dafür ist ihre Sprache zu betont, ihre Mimik zu bedacht. Sie wirkt oft unnatürlich und affektiert. Mitgefühl mit der Figur wird selten bis gar nicht erweckt, eine gewisse Distanz bleibt stets bestehen. Das ist schade, da ein solcher Film hauptsächlich von seinen Schauspielern lebt.
Dennoch lässt "Jasmin" nicht kalt. Die beklemmende Atmosphäre, das detailgetreue Eintauchen in das Leben einer Frau, deren Schicksal eine so schreckliche Wendung nahm. Wie Du und ich scheint sie zuerst, bis sich die Lage immer mehr zuspitzt und sie sich plötzlich in einer ausweglosen Situation sieht. Als Zuschauer schafft man es, sich gedanklich, wenn auch nicht emotional, in Jasmin hineinzuversetzen, versteht sie fast. In manchen Situation bleibt einem nur das Kopfschütteln. Eine Situation die für Jasmin so hoffnungslos scheint, wirkt von außen betrachtet lediglich wie ein kleines Problem. Jasmin schildert ihr Empfinden ausführlich und beschreibt, wie es zu der Tat kam. Trotzdem bleibt die Frage nach dem Warum, die nie wirklich geklärt wird. Vielleicht ist das auch gar nicht nötig. Oder möglich.
Entziehen kann man sich den eingehenden Dialogen nicht. Der Film wirkt wie eine Dokumentation, man taucht ein in dieses fremde Leben. Eines, in das so detailliert Einblick geboten wird wie selten der Fall. Und dennoch bleiben viele Fragen offen, das Unverständnis bleibt bestehen. Vielleicht ist es auch gar nicht möglich oder erwünscht, eine so undenkbare Tat nachvollziehen zu können. Was bewegt ist die Alltäglichkeit der Geschehnisse. Wie vollkommen unmondäne Probleme zu einem solchen Drama führen konnten. Eine Moral hat der Film nicht, außer derer vielleicht, dass wir oft nicht wissen, wie schwer jemand zu tragen hat, bis er unter der Last zerbricht.
Fazit: "Jasmin" bewegt und schockiert, regt auf und stößt ab. In einem beklemmenden Dialog wird der Zuschauer Zeuge einer schonungslosen psychischen Exploration, die oftmals ein ungläubiges Kopfschütteln zur Folge hat. "Jasmin" ist ein Versuch, das Unvorstellbare verständlich zu machen. Inwiefern dies gelingt, bleibt am Ende jedem selbst überlassen.