Nach "Das verborgene Gesicht" und "Miss Bala" handelt es sich bei Anna Piterbargs Debüt "Jeder hat einen Plan" um den dritten spanischsprachigen Film von "Fox International Pictures", der innerhalb eines Jahres unsere Kinos erreicht. Doch trotz viel versprechender Ansätze besitzt das von Regisseur Geraldo Herrero, Christoph Friedel von Pandora Film und Hauptdarsteller Viggo Mortensen mitproduzierte Werk nicht die Meisterschaft der beiden Vorgänger. Das liegt nicht an der perfekten Performance des US-Stars, der zwar erstmals in einem argentinischen, nicht aber einem spanischsprachigen Film ("Captain Alatriste") auftritt, und hier zurückhaltend zwei desillusionierte Zwillingsbrüder verkörpert.
Es liegt ebenso wenig an der nur in Ansätzen skizzierten Motivation der Charaktere, da es durchaus seinen Reiz hat, Leerstellen selbst zu füllen. Von Kinderarzt Agustin erfährt man wenig über seine steigende Frustration in Ehe und Beruf. Offenbar will der Mediziner, ansonsten für das Wohl seiner kleinen Patienten zuständig, privat nicht die Verantwortung einer Vaterschaft übernehmen, weshalb er sich völlig zurück zieht. Über das gespaltene Verhältnis zu seinen Bruder Pedro und ihrem Jugendfreund Adrián erfährt man lediglich Bruchstücke anhand alter Erinnerungsfotos. Es wird deutlich, dass der skrupellose Adrián, der schon in der Eröffnungssequenz einen Mord begeht, der Antriebsmotor hinter der gemeinsam lancierten Verbrechenswelle ist. Über den weißhaarigen Gauner weiß man nur, dass er Spielschulen hat, während Imker Pedro immerhin eine teilweise gesicherte Existenz mit Honigverkauf und junger, verliebter Freundin Rosa aufgebaut hat.
Dessen Bienen dienen Regisseurin und Co-Autorin Piterbarg zugleich als Metapher für die fest gefahrene Situation der Charaktere. Adrian wird als Drohne bezeichnet, der nur Krankheiten verbreitet und für Unheil sorgt. Für den ausstiegswilligen Agustin wirkt die Bienenzucht seines Bruder zunächst wie ein Kokon, mit dem er sich vor der Außenwelt abschirmen kann. Doch dabei gerät er selbst in ein Netz aus Hass, Lügen und Gewalt. Gerade der Protagonist widerlegt den Titel: Selbst besitzt der Aussteiger keinen Lebensplan, was er an einer Stelle seiner neuen Geliebten gesteht, die er gewissermaßen von seinem ermordeten Bruder übernahm. Ihr schenkt Agustin ein vierblättriges Kleeblatt als Zeichen der Hoffnung, was sich später ins Gegenteil verkehren soll.
Zuletzt wurde die mehrfach variierte Ausgangssituation mit dem "guten" Zwilling, der in die Identität des "bösen" Gegenparts schlüpfen muss, besonders für Gangsterkomödien wie "Le Mac" mit José Garcia verwendet, da wilde Verwechselungen garantiert sind. Immerhin verzichtet Regisseurin Piterbarg auf eingefahrene Schwarzweiß-Klischees, zumal Protagonist Agustin schon zu Beginn kriminelle Energie an den Tag legt, wenn auch nur aus einem momentanen Impuls aus. Zu den weiteren Pluspunkten zählt die versierte Kameraarbeit und die stimmig eingefangene Atmosphäre des argentinischen Tigre-Deltas: Hier kennt jeder jeden, und es stellt sich schnell eine Stimmung aus Verdächtigungen, Rivalitäten und Misstrauen ein, die wie eine Lunte glimmt.
Doch leider bietet die Story entgegen den Titelversprechungen wenig Überraschungen. Von Beginn baut Piterbarg eine Oberflächenspannung auf, die sich im Verlauf kaum weiter zuspitzt. Zwar findet das getragene Tempo ihr Äquivalent im melancholischen Agieren des Protagonisten, wobei in der getragenen Inszenierung stets Distanz mitschwingt. Man fragt sich zudem, warum Rosa es nicht an der unterschiedlichen Stimmfärbung auffällt, dass sie einen Fremden vor sich hat (weil es sich natürlich um den gleichen Darsteller beziehungsweise den gleichen Synchronsprecher - Bernd Vollbrecht - handelt). Über solche Ungereimtheiten hilft die stimmige Atmosphäre kaum hinweg.
Fazit: Trotz des überzeugend eingefangenen Sumpf-Kolorits und eines starken Viggo Mortensen in einer Doppelrolle krankt "Jeder hat einen Plan" an einem gemächlichen Tempo und der wenig wendungsreichen Story.