Jiao you: Visuell herausragendes und das Publikum herausforderndes Drama über das Schicksal von Menschen am Rande der Gesellschaft Taipehs.
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Handlung und Hintergrund
Ein Mann steht bei Wind und Wetter am Straßenrand und hält ein Schild für eine Immobilie in die Höhe, er bringt sich und seine Kinder als „human billboard“ durch. Alle 5o Minuten darf er zehn Minuten Pause machen. Sein Sohn und seine Tochter streunen derweil in der Stadt herum. Gemeinsam hausen sie in einer Ruine in Taipeh, teilen eine Matratze, waschen sich in öffentlichen Toiletten. Eine Frau, die den Kindern helfen und sie dem Vater wegnehmen will, bringt das Leben des Trios durcheinander.
Besetzung und Crew
Regisseur
Tsai Ming-liang
Darsteller
Lee Kang-sheng,
Lu Yi-ching,
Lee Yi-cheng,
Lee Yi-chieh,
Chen Shiang-chyi
Drehbuch
Tsai Ming-liang,
Tung Cheng-yu,
Peng Fei
Kamera
Liao Pen Jung
Schnitt
Lei Chen Ching
Kritikerrezensionen
Jiao you Kritik
Jiao you: Visuell herausragendes und das Publikum herausforderndes Drama über das Schicksal von Menschen am Rande der Gesellschaft Taipehs.
Visuell herausragendes und das Publikum herausforderndes Drama über das Schicksal von Menschen am Rande der Gesellschaft Taipehs.
Eine mutige Entscheidung, Tsai Ming-liangs meditative Ode an die Langsamkeit mit dem Großen Preis der Jury bei der 70. Mostra Internationale d’Arte Cinematografica auszuzeichnen. Für den in Malaysia geborenen und in Taiwan arbeitenden Filmemacher sind Geschichten mit einem strukturierten Handlungsbogen, definiertem Anfang, Mitte und Ende ein Gräuel. Er setzt auf Bilder statt auf Sprache, auf minutenlange Einstellungen mit fast quälender Statik. Damit macht er es dem Kinopublikum nicht leicht, schon die erste Einstellung dauert fast sieben Minuten. Die kaputten Helden einer saturierten Gesellschaft sind ein Vater, der als „Human Billboard“ arbeitet und mit einem Schild in der Hand bei jedem Wetter am Straßenrand für eine Immobilie wirbt, und seine beiden Kinder, die derweil durch die Stadt streunen. Die Familie haust in einer Ruine ohne Wasser und Strom, teilt eine große Matratze, wäscht sich in öffentlichen Toiletten.
Auf den ersten Blick passiert nichts, auf den zweiten ahnt man die unterdrückten Emotionen, die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit. Die Brüche in der Gesellschaft machen die Menschen zu Gebrochenen. Manchmal ist es aufgrund mangelnder Stringenz schwierig, dem Verlauf zu folgen, auch die Frauenfiguren und ihre unterschiedlichen Schauspielerinnen irritieren. Zu Beginn kämmt die eine den Kids vorsichtig die Haare, die andere entdeckt das Mädchen im Supermarkt und will helfen und eine dritte am Ende dem Mann die Kinder wegnehmen. Man weiß nicht, ob es immer dieselbe Frau sein soll oder nur ein nicht ganz durchschaubarer dramaturgischer Kniff. Die Zeit scheint stillzustehen, wenn Tsai Ming-liangs Lieblingsdarsteller Lee Kang-sheng (hätte eine Coppa Volpi verdient) ungefähr fünf Minuten lang ein Volkslied singt, während die Laster lärmend um ihn herum brettern oder er über elf Minuten hinweg die „Puppe“ der Tochter (einen Kohlkopf) erst streichelt, dann mit dem Kissen erwürgt und anschließend wie im Wahn auffrisst. Die Szene wird begleitet von einer Tonebene, die unter die Haut geht.
Das düstere Drama spiegelt die Angst und Unsicherheit des Individuums, das den Preis für die schnellen Sprung in die Moderne zahlt, spielt ironisch mit Gegensätzen: Der, der keine Wohnung hat, wirbt für eine Wohnung. Auf der Wand in der urbanen Brache ist eine Landschaft gemalt - ein Zusammenstoß von Wirklichkeit und Traum. „Stray Dogs“ ist wie ein Film von einem anderen Stern. und es kann schön sein, nachts am Himmel ein neues Gestirn zu erkunden. mk.