In einem Interview ließ sich der verdiente Filmemacher Oliver Stone über „John Wick: Kapitel 4“ aus. Der Actionfilm habe nicht mehr viel mit einem Film gemein.
Wenn sich geachtete und verdiente Filmschaffende über das moderne Kino auslassen, dann konzentriert sich ihre Kritik so gut wie jedes Mal auf die Leinwandadaptionen von Marvel- und DC-Comics. Diese seien für den Niedergang der Genrevielfalt im Kino verantwortlich, für die Verdrängung kleiner Independent-Filme und Werken mittleren Budgets, die heutzutage stattdessen direkt über Streamingdienste veröffentlicht würden. Manch einer behauptet gar, Comicverfilmungen seien überhaupt gar keine Filme im eigentlichen Sinne, sondern hätten mehr Ähnlichkeit mit Achterbahnfahrten.
Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Steven Spielberg, Terry Gilliam, Quentin Tarantino, Ridley Scott, David Cronenberg, Roland Emmerich, Denis Villeneuve, Alejandro G. Iñárritu, Bong Joon-ho, Jodie Foster: Sie alle haben Comic-Verfilmungen teils mit nachvollziehbaren Argumenten, teils aus reiner Abneigung heraus kritisiert. Da ist es fast schon eine willkommene Abwechslung, dass sich ein Filmemacher einmal nicht gegen die noch immer ins Kino drängenden Comic-Verfilmungen ausspricht, sondern sich auf einen klassischen Actionfilm stürzt: In diesem Fall handelt es sich dabei um Oliver Stone, der im Gespräch mit Variety nicht unbedingt die nettesten Worte für das Action-Franchise „John Wick“ und ganz besonders „John Wick: Kapitel 4“ übrig hatte.
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„Ich habe ‚John Wick: Kapitel 4‘ im Flugzeug gesehen. […] Ich finde den Film unfassbar ekelhaft. Widerlich. Ich weiß nicht, was sich die Leute [dabei] denken. Vielleicht habe ich ‚G.I. Joe‘ geschaut, als ich ein Kind war. Aber [Keanu] Reeves tötet drei-, vierhundert Menschen in diesem verdammten Film. Und als Kriegsveteran muss ich dir sagen, dass kein einziger von ihnen glaubwürdig ist. Mir ist klar, dass es ein Film ist, aber es ist mehr ein Videospiel als ein Film geworden.“
Die Filmreihe habe jeglichen Bezug zur Realität verloren, lamentiert Stone und glaubt, dass das Publikum womöglich genau diesen Aspekt an ihr interessant finden könnte, wenn es Videospiele liebt. Es mache überhaupt keinen Unterschied mehr, ob man auf der Leinwand einer Marvel-Figur oder John Wick zuschaue, so der Filmemacher. „Es ist nicht glaubwürdig.“
In gewisser Weise muss man Stone recht geben. Während „John Wick“ und „John Wick: Kapitel 2“ noch rasante, gnadenlose Erwachsenenunterhaltung darstellten, nahmen spätestens mit „John Wick: Kapitel 3“ die geradezu übermenschlichen Fähigkeiten von John Wick zu, während die immer mehr aufgeblasene Parallelwelt im Grunde kaum Interessantes zu bieten hatte, um die exorbitante Action aufzuwiegen – fast wie bei Steven Seagal, nur in hübscher. Und Hunderte von Toten durch die Hand fast eines einzelnen Mannes? Das wirkt dann in der Tat fast so wie in einem Videospiel der Marke „Max Payne“ oder „Grand Theft Auto“.
Was Oliver Stone zu diesen anderen tödlichsten Charakteren aus Actionfilmen in unserem Video sagt, würde uns jetzt schon interessieren.
Oliver Stone hatte seinen eigenen „Skandal-Moment“
Aber Moment, ist das nicht der Regisseur, der 1994 mit „Natural Born Killers“ für eine massive Kontroverse aufgrund der enthemmten Gewaltdarstellung gesorgt hatte? So wurde ihm vorgeworfen, dass sein als Satire und Medien- sowie Sozialkritik angedachter Thriller, aus der Feder von Quentin Tarantino, das Gangsterpärchen Mickey (Woody Harrelson) und Mallory Knox (Juliette Lewis) zu sehr verherrlicht und zu cool darstellt. Die Verantwortlichen mussten sich gar den Vorwurf gefallen lassen, „Natural Born Killers“ sei verantwortlich für einige Gewalttaten wie das Massaker an der Columbine High School in Littleton im US-Bundesstaat Colorado 1999 (via Frankfurter Rundschau).
Aber schaut man sich die komplette Vita des 76-Jährigen an, dann erkennt man, dass sich Stone in erster Linie für die Abbildung realer Ereignisse um reale Personen interessiert. Und er will mit seinen Filmen, zumindest mit seinen besten, in die Psyche der Hauptfiguren eindringen und ihr Handeln offenlegen, ihre Entscheidungen greifbar machen. „Natural Born Killers“ kann man vor diesem Hintergrund als sein ungewöhnlichstes, aber vielleicht auch deshalb als eines seiner besten Werke betrachten.
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