Angeblich soll der „Joker“ kaum Easter-Eggs haben. Das stimmt so nicht. Der wohl ungewöhnlichste Superheldenfilmen der letzten Jahre versteckt diverse Anspielungen auf das Batman-Universum und die Filmgeschichte. Im Gegensatz zu anderen Comic-Verfilmungen von Marvel und Co. haben viele Easter-Eggs eine tiefere psychologische Bedeutung. Wir haben die interessantesten darunter aufgelistet. Achtung, Spoiler zur Handlung voraus.
Batman ist von Zorro inspiriert
Der „Joker“ interpretiert einen der ikonischsten Momente der Comic-Geschichte neu. Thomas und Martha Wayne werden nach einem Kinobesuch von einem maskierten Randalierer erschossen. Es ist der Moment, in dem Bruce Wayne zu Batman wird. Wenn ihr genau aufpasst, dann entdeckt ihr, dass sie zuvor die Klamauk-Komödie „Zorro: The Gay Blade“ angeschaut haben. Das ist kein Zufall. In einer Ursprungsgeschichte aus den Comics besuchen die Waynes zuvor ebenfalls einen Zorro-Film. Bruce lässt sich deshalb bei der Kreation seines Alter Egos von Zorrors schwarzem Anzug inspirieren.
Alfred Pennyworth
Als Arthur Fleck das Anwesen der Waynes aufsucht, verwickelt er seinen vermeintlichen Halbbruder Bruce in ein bizarres Spiel. Ein Bediensteter (Douglas Hodge) entdeckt den Eindringling und scheucht ihn schroff weg. Im Abspann erfahren wir den Namen des unhöflichen Wächters. Es handelt sich um Alfred Pennyworth, der nach dem Tod der Waynes zu einer Art Ziehvater für Bruce wird. Alfred wird normalerweise als guter Mensch dargestellt. Der „Joker“ interpretiert die beliebte Figur analog zu seinem Vorgesetzten Thomas Wayne zu einem herzlosen und arroganten Schnösel um.
Superraten und Superkatzen: Ein Verweis auf zwei Bösewichte aus dem Batman-Universum?
Im Laufe des Films hören wir in den Nachrichten, dass Superraten die Straßen unsicher machen und von Superkatzen dezimiert werden sollen. Das ist eine Anspielung auf zwei Bösewichte aus dem Batman-Universum. Der sogenannte Ratcatcher alias Otis Flannegan ist ein ehemaliger Kammerjäger, der die ungewöhnliche Gabe besitzt, Ratten zu kontrollieren. Zusammen mit seinen tierischen Freunden richtet er viel Schaden in Gotham City an.
In Tim Burtons Klassiker „Batmans Rückkehr“ wird Michelle Pfeiffer auf mysteriöse Weise durch streunende Katzen in Catwoman verwandelt. Vielleicht haben die Superkatzen im „Joker“ eine ähnliche Funktion.
Anspielung auf Batman-Schöpfer Bob Kane
Die Sozialarbeiterin gehört zu Beginn zu Arthurs einzigen Vertrauten, auch wenn sie keine große Hilfe ist. Wenn man genau hinschaut, kann man Debra Kane auf ihrem Namensschild lesen, ein Verweis auf den Batman Co-Schöpfer Bob Kane.
Jokers Lachen hat einen tragischen Hintergrund
Der Ursprung von Jokers Lachen gehört zu den großen Mysterien, die die Figur umwehen. In Tim Burtons „Batman“, wie auch in vielen Comics, wird Jack Nicholsons groteske Fratze durch den Sturz in einen Chemiebottich verursacht.
In Christopher Nolans „The Dark Knight“ verunstalten zwei Narben Heath Ledgers Mundwinkel. Der Joker erzählt dort recht widersprüchliche Anekdoten über ihren Ursprung. Doch was haben eigentlich Arthur Flecks diverse Lachen zu bedeuten?
Der früheste filmische Vorläufer der Joker-Figur stammt aus dem Horror-Melodram „Der Mann, der lacht“ von 1928. Die Hauptfigur namens Gwynplaine ist der Sohn eines Edelmannes, der von einem Rivalen ermordet wird. Als Strafe operieren sie Gwynplaines Gesicht zu einer lächelnden Fratze um, wodurch er dazu verurteilt wird, nie mehr seine wahren Gefühle zeigen zu können und ewig über seinen törichten Vater zu lachen.
Arthur Flecks Lachen hat einen ähnlich tragischen Hintergrund. Bei Aufregung verfällt er in ein zwanghaftes Lachen, das ihn öfter in Schwierigkeiten bringt. Der Tick rührt daher, dass Arthur von seiner Mutter dazu genötigt wurde, immer ein „glückliches Gesicht“ aufzusetzen, selbst wenn er schwer misshandelt wird.
Wenn Arthur Fleck mit seinen Fingern die Mundwinkel hochzieht, ist es ein verzweifelter Versuch, seine Trauer zu verdrängen. Laut einem Interview mit Regisseur Todd Phillips ist Arthurs trockenes Lachen in den letzten Szenen das erste authentische Lachen im ganzen Film. Er hat die unsichere Persönlichkeit Arthurs nun endgültig abgelegt und seine dunkle Seite akzeptiert.
Es braucht nur einen schlechten Tag
Alan Moores bahnbrechender Comic „The Killing Joke“ zählt zu den großen Inspirationsquellen des Films. Der Joker ist auch hier ein gescheiterter Stand-up-Comedian, der sich an der Gesellschaft rächen will. Als grausamer Psychopath begeht er dort die scheußlichsten Verbrechen.
Als Arthur das letzte Mal auf Sophie trifft, sagt er ihr, dass er einen schlechten Tag gehabt habe. Der Joker in „The Killing Joke“ hat einen ähnlichen Spruch: „Es braucht nur einen schlechten Tag, um den gesündesten Mann zu einem Verrückten zu machen“. Eine Aussage, die Arthur sofort unterschreiben würde.
Das Arkham Asylum alias Arkham State Hospital
Arthur sucht im Laufe des Films das Arkham State Hospital auf, ein eindeutiger Verweis auf das berüchtigte Arkham Asylum, in dem die größten Verbrecher Gothams untergebracht werden. Um den Ort etwas realistischer zu gestalten, wird die Anstalt in ein ein zeitgemäßes Krankenhaus umgewandelt.
In den Comics gehört der Joker zu den ersten Insassen der Anstalt, bevor Two-Face alias Harvey Dent ebenfalls inhaftiert wird. Der Film lässt am Ende offen, ob Arthur Fleck tatsächlich in Arkham landet. Wenn dem so ist, wird der Joker dort mit Sicherheit auf Gleichgesinnte treffen.
Batman: The Animated Series
Die Schriftart von Murrays Show erinnert an die Schriftart der „Batman“-Zeichentrickserie aus den 1990er Jahren, die unter Fans Kultstatus genießt und ebenfalls ein düsteres und dreckiges Gotham zeigt.
Verweis auf Heath Ledgers Joker
Todd Phillips hat sich bewusst dazu entschieden, seinem Joker nicht den ikonischen lila-grünen Anzug zu verpassen, so wie wir es von Heath Ledger und der Comic-Vorlage kennen. Einen Verweis auf seinen berühmten Vorgänger konnte sich der „Joker“ dennoch nicht verkneifen.
Als Arthur gegen Ende in einem Streifenauto abgeführt wird, schaut er sich glücklich das Chaos auf den Straßen an. In „Batman: The Dark Knight“ gibt es eine ganz ähnliche Szene. Nachdem der Joker aus dem Gefängnis ausbricht, lehnt er sich triumphierend aus dem Rückfenster eines Polizeiautos.
Amusement Mile
Wenn ihr genau aufpasst, könnt ihr im Büro von Arthurs Boss ein Schild mit der Aufschrift „Amusement Mile“ finden. In den Comics handelt es sich um die Basis des Jokers, ein verlotterter Vergnügungspark, der im riesigen Verbrecherbezirk Arkham City liegt.
The Bat-Pole
Als Arthur vor den Toren des Wayne-Anwesens auftaucht, rutscht der kleine Bruce neugierig auf einer Stange von seinem Klettergerüst herunter. Dabei handelt es sich um eine Anspielung auf die kultige „Batman“-Serie aus den 1960er Jahren.
Detective Burke kommt auch in den Comics vor
Der Polizist, der Arthur im Laufe des Films befragt, trägt den Namen Burke. Das ist ein Verweis auf eine Figur namens Thomas Burke, der ab den 2000er Jahren in den Comics eingeführt wird. Burke ist so etwas wie der Klassenclown der Einheit und ein guter Freund von Commissioner James Gordon.
Pogo der Clown
Der Stand-up-Club, in dem Arthur auftritt, trägt den Namen Pogo. Das ist eine Anspielung auf den Serienmörder John Wayne Gacy alias Pogo der Clown, der mehrere Kinder und Jugendliche ermordete und 1980 zum Tode verurteilt wurde. Auch das Make-up des Jokers erinnert ein wenig an Gacys Aufmachung.
Die Tanzbewegungen sind von Musical-Star Ray Bolger inspiriert
Phoenix legt als Joker viele markante Tanzeinlagen auf das Parkett beziehungsweise den Asphalt. In einem Interview mit Associated Press gab Phoenix an, dass er sich von dem klassischen Musical-Schauspieler Ray Bolger (die Vogelscheuche in „Der Zauberer von Oz“) inspirieren ließ. Genauer gesagt von seiner Nummer „The Old Soft Shoe“, in der er laut Phoenix eine seltsame Arroganz in seinen Bewegungen an den Tag lege. Der Stil passt sehr gut zu Arthur, denn auch er fühlt sich besonders selbstbewusst, wenn er tanzt.
Scorsese als großes Vorbild
Zwei Filme sind für den „Joker“ von besonderer Bedeutung: Martin Scorseses „Taxi Driver“ (1976) und „The King of Comedy“ (1982). Die Parallelen zwischen Arthurs Geschichte und den Hauptfiguren der Filme – jeweils gespielt von Robert De Niro – sind groß. Umgekehrt spielt Robert De Niro im „Joker“ den Talk-Show-Host Murray Franklin, während Martin Scorsese zu Beginn als Produzent für den „Joker“ im Gespräch war.
In „Taxi Driver“ geht es um einen psychisch labilen Vietnamkriegsveteranen, der von der Gesellschaft ausgeschlossen wird und das Gesetz in die eigenen Hände nimmt. In „The King of Comedy“ ist ein Möchtegern-Comedian besessen davon, in der berühmten Fernsehshow seines geliebten Idols aufzutreten. Kommt euch das bekannt vor?
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Moderne Zeiten erfordern moderne Lösungen
In einer zentralen Szene des Films besucht Arthur Fleck eine Vorstellung von Charlie Chaplins ikonischer Stummfilm-Komödie „Modern Times“. Charlie Chaplins Figur des Tramps hat sehr viel mit Arthur Fleck gemeinsam. Beide leben am Rande der Gesellschaft und werden von dieser verlacht und ungerecht behandelt. Beide geraten wie durch Zufall in abstruse Situationen, die in einem Schmetterlingseffekt Großes bewirken.
In „Modern Times“ geht es um einen armen Arbeiter, der nicht mehr mit der effizienzgetriebenen Industriegesellschaft mithalten kann. Er lässt sich deshalb selbst ins Gefängnis einweisen, weil er sich dort sicherer fühlt als in der Welt da draußen.
Ganz ähnlich ergeht es Arthur Fleck. Auch er ist nicht mit der Zeit gegangen. Er mag alte Schnulzen, Schwarz-Weiß-Filme und pflegt zumindest zu Beginn antiquierte Tugenden, die ihn im modernen Gotham zum Verhängnis werden. An einer zentralen Stelle im Film sagt der Mitarbeiter des Arkham State Hospitals zu Arthur, dass manche Menschen in der Anstalt einfach besser aufgehoben sind. Die Welt wird also am Ende nicht nur vor dem Joker geschützt, sondern Arthur Fleck auch vor der grausamen Welt.
Eine ausführliche Interpretation zum „Joker-Ende“ findet ihr in der verlinkten Galerie.