Der Clownprinz von Gotham ist zurück und singt und tanzt sich diesmal durch ein eher ungewöhnliches Spektakel. Ob dieses unterhält, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Vor fünf Jahren feierte Joaquin Phoenix in „Joker“ sein DC-Debüt als Arthur Fleck, der sich in den frühen 1980er-Jahren als Außenseiter durch einen Alltag voller Gewalt und Schikanen schlagen muss. Der von Todd Phillips inszenierte Psycho-Thriller konnte dabei das Publikum überzeugen und phänomenale eine Milliarde US-Dollar an den Kinokassen einspielen. Demnach sind die Erwartungen an die langersehnte Fortsetzung „Joker: Folie à Deux“ nun entsprechend hoch.
In „Joker: Folie à Deux“ befindet sich Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) nach den Verbrechen, die er im Vorgänger begangen hat, hinter Schloss und Riegel. Als Mehrfachmörder sitzt er seine Zeit im Hochsicherheitstrakt von Arkham Asylum ab, wo er von den Wärtern drangsaliert wird. Während seine Anwältin Maryanne Stewart (Catherine Keener) versucht, Arthur auf den Prozess vorzubereiten und ihn aus seiner Misere zu ziehen, lernt der selbsternannte Clownprinz Lee Quinzel (Lady Gaga) kennen und verliebt sich in die Unruhestifterin, die eine rigorose Begeisterung für ihn vorzuweisen hat – und so beginnt ein Tanz, der reichlich Chaos und Schrecken verspricht.
Wenn ihr euch bislang noch keinen Eindruck von „Joker: Folie à Deux“ machen konntet, hilft euch der folgende Trailer dabei:
Celina: Weniger Wahnsinn als erwartet
Als Fan vom ersten “Joker“-Film mit Joaquin Phoenix freute ich mich auf ein Wiedersehen mit Arthur Fleck, vor allem, seit bekannt wurde, dass er Gesellschaft von Lady Gaga als Harley Quinn bekommen wird. Was die angekündigten Musical-Elemente anging war ich gleichermaßen gespannt wie skeptisch, freute ich mich doch auf Gesangseinlagen von Lady Gaga (und vielleicht sogar wirklich Joaquin Phoenix?) und fürchtete gleichzeitig, die musikalischen Darbietungen könnten die düstere Tonalität des Films stören.
Nach Sichtung von „Joker: Folie à Deux“ muss ich sagen, dass die Musical-Szenen mit tollen Songklassikern zwar passen, sich aber doch anders als erwartet in den Film einfügen. Außerdem hatte ich durchaus das Gefühl, dass sich “Joker 2“ ein wenig zu sehr auf diesen (am Ende dann doch nicht allzu innovativen) Musical-Szenen ausruht, statt wirklich die Handlung voranzutreiben oder uns in die Abgründe von Arthurs beziehungsweise Jokers Psyche blicken zu lassen. “Joker 2“ brach mit meinen Erwartungen, konnte diese (und vor allem Teil 1) jedoch nicht übertreffen.
Trotz spannender Elemente gelingt es “Joker: Folie à Deux“ nicht, seine volle Wirkung und die eigentlich erwartete Eskalation so richtig zu entfesseln. Teil 2 kann sich durchaus sehen lassen, ist allerdings weniger gewagt und wahnsinnig, als es in Anbetracht des mutigen Titels zunächst den Anschein hat. Besonders in der zweiten Hälfte des Films funktioniert vor allem die Figur von Arthur, aber Joker nicht. Wenn der Film sich zu sehr auf der bereits bekannten Prämisse ausruht, statt Joker und Harley Quinn neue und völlig irre Wege gehen zu lassen, kann auch Joaquin Phoenix‘ erneut brillante Performance am Ende nicht allzu viel bewirken. Ähnlich wie in Teil 1 besteht die Hauptspannung von “Joker 2“ in der Frage, wann Arthurs Geduldsfaden reißt und der Joker endgültig eskaliert, mit dem Unterschied, dass es irgendwie nie so richtig passiert.
Olli: Ein Hirngespinst von einem Film
Die eisernen Pforten werden aufgezerrt, das schwache Licht verdrängt jeglichen Hoffnungsschimmer, die Insassen ziehen wie Marionetten durch die Gänge und die Schwere aus Hildur Guðnadóttirs Soundtrack schlägt mich nieder wie der Knüppel eines Gefängniswärters. „Joker: Folie à Deux“ schafft es in wenigen Minuten, mich zurück in die atmosphärische Welt von Phillips‘ Gotham zu entführen, in der das Arkham Asylum nicht wie eine Besserungsanstalt wirkt, sondern wie der Vorhof zur Hölle.
Trotz dieser altbekannten Atmosphäre wird schnell klar: Dieser Film ist anders als sein Vorgänger. Statt einem Psycho-Thriller liefert uns Todd Phillips ein entschleunigtes Beziehungsdrama, das jegliche Gewalteskapaden nahezu gänzlich missen lässt. In „Joker: Folie à Deux“ steht Arthur Flecks Sehnsucht nach einer romantischen Kompliz*innenschaft und der damit verbundenen Entwicklung im Vordergrund. Genau dieser Aspekt dürfte das Publikum spalten, doch als Fan von derartigen Slow-Burn-Narrations hatte ich mit dem Sequel eine unterhaltsame Zeit im Kino.
Dazu hat vor allem eine explizite Musicalnummer beigetragen, die für mich das Highlight des 138-minütigen Spektakels dargestellt hat. Grandios in Szene gesetzt singt und tanzt der kranke Anarchist durch einen Gerichtssaal, während er auf eine unerwartete Weise das tut, was man vom Joker erwartet. Die Musicalnummern sind Hingucker, die sich vom Stil her perfekt in das Schlossgespenst einreihen, das Todd Phillips mit den zwei Spielfilmen erbaut hat – doch leider gibt es hier einen großen Haken.
Wo uns der erste Film stets im Ungewissen ließ, was Realität und was Fantasie war, verraten die Gesangseinlagen nun unmissverständlich, dass wir uns im Kopf von Arthur Fleck befinden. Die Musicalparts liefern zwar eine schöne Erweiterung hinsichtlich des Innenlebens des Jokers, doch leider wird auf diese Weise auch jegliche dramaturgische Spannung torpediert. Hätte man auf die meisten Nummern verzichtet und sich schlichtweg auf eine Musicaleinlage konzentriert, hätte der Film am Ende des Tages etwas besser für mich funktioniert.
Sadia: Das Portrait eines gebrochenen Mannes
Der Thriller „Joker“ funktionierte für mich durch die konsequente Gesellschaftskritik anhand der Figur Arthur Fleck, die durch ihre mentalen Erkrankungen und ihr leeres Bankkonto keinen Platz in Gotham City hatte. Von der ersten Szene an wurde Arthur von seiner Umwelt kleingehalten, gedemütigt und verprügelt. Das zieht sich in der „Joker“-Fortsetzung durch, aber gelingt für mich nicht vollständig.
Obwohl sich Arthur im ersten Teil auf grauenvolle Art und Weise an seiner Umwelt rächt, lässt sich seine Figur als Anti-Held interpretieren, der zurückschlägt. In „Joker: Folie à Deux“ schlägt vor allem eine Sache zu: die traurige Realität. Dadurch verliert die „Joker“-Erzählung für mich etwas von ihrer Gesellschaftskritik und ihrem verdrehten Charm, denn Arthur Fleck fehlt der Raum, sich wirklich zu entwickeln.
Trotzdem begeisterten mich die Musical-Elemente, in denen Joaquin Phoenix sich in alter Joker-Manier zeigt. An seiner Seite die talentierte Lady Gaga, die mit ihrer gewaltigen Stimme ihre gemeinsame erdachte Welt hervorragend ergänzt. Bereits im ersten Teil gab es immer wieder Momente, in denen Arthur Fleck innehielt, gedankenverloren summte oder zu tanzen begann. Diese Augenblicke der Stille füllt „Joker: Folie à Deux“ mit kleinen Musical-Nummern. Ich würde den Film all denjenigen empfehlen, die wissen wollen, wie es mit Arthur Fleck weitergeht und die sich auf die absurde Dynamik zwischen ihm und Harley Quinn freuen.
Doch wie immer gilt: Am besten fällt ihr euer eigenes Urteil über den Film. Wenn ihr euch „Joker: Folie à Deux“ ansehen möchtet, dann könnt ihr euch ab sofort eure Kinotickets sichern und die Fortsetzung ab dem 3. Oktober 2024 auf der großen Leinwand bestaunen.
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