Peter Jackson lässt sein King Kong-Remake im Jahre 1933 spielen, das zeitgenössische New York des Originalfilms ist also die Kulisse. Und wie der 33er-Kong-Film ein Meilenstein der Tricktechnik war, hat auch Jacksons Effektfirma Weta mit ihrer Wiederauferstehung einer untergegangenen Weltstadt und mit einer komplett digital entstandenen Dschungelinsel unter Verwendung neuester Tricktechnik ganze Arbeit geleistet. Tatsächlich wirkt der Urwald trotz seiner Phantastik realistisch, der Riesenaffe Kong mit seinem behaarten Körper und dem ausdrucksstarken Gesicht echt umso mehr fällt auf, wenn sich Jackson erlaubt, manches wie mit herkömmlicher Tricktechnik hergestellt aussehen zu lassen, in der Ästhetik von Rückprojektionen und Schüfftan-Verfahren, in der Beleuchtung des Goldenen Hollywood-Zeitalters der 30er und 40er Jahre: Eine Würdigung des Altmodischen, ein Spiel mit der Nostalgie und eine Verbeugung vor der Filmgeschichte und vor den bisherigen Sehgewohnheiten des Publikums.
Der Dschungel und die Ungetüme, die darin wohnen, die Rieseninsekten und Saurier, sie sehen aus wie Phantasien von Horrorfilmregisseuren einer längst vergangenen Filmgeschichte, und dabei ist alles mit einer derart modernen Technik entstanden, dass das Dargestellte die digitale Machart mitunter überrumpelt und über den Haufen wirft. Manchmal, wenn Jackson besonders rasante Action in seinem virtuellen Raum zeigen will, wirken seine Effekte kaum anders als damals, am Anfang der digitalen Zeit bei Spielberg: Grasende Dinosaurier, die in eine wilde Stampede ausbrechen, mit Raptoren und Menschen eine Felsenschlucht entlang rasen und schließlich durcheinander purzeln: Das sieht aus wie Jurassic Park, die turbulente Sequenz wirkt wenig strukturiert und die Effekte scheinen unausgegoren und schwach gerade im Vergleich zu den vielen unmerklichen CGI-Bildern, die Dschungel und Großstadt bilden und gleichzeitig noch einen Rückgriff auf frühere Filmästhetik darstellen.
Jacksons King Kong ist zwiespältig, mal gewollt, mal ungewollt: Gerade weil manches vom technischen Standpunkt so up to date ist, dass die Effekte unsichtbar sind, fallen ein paar mangelhaftere Phasen heraus; und während sich die abenteuerlichen Sequenzen im Dschungel in ihrer Phantastik eben doch immer wieder als Höhepunkte erweisen, wirkt das Finale mit dem Riesenaffen in New York recht schwach, haben doch im jüngeren Blockbuster-Zeitalter auch schon Spielberg und Emmerich Riesenmonster amerikanische Großstädte demolieren lassen.
Es ist eben ein Problem, ein Remake zu drehen von einem Film, der ikonische Leinwandbilder erschaffen hat, die die Filmgeschichte beeinflusst haben und immer wieder aufgegriffen werden. Da hilft es Jackson auch nicht, die Szene von Kong auf dem Empire State Building eine Viertelstunde dauern zu lassen: eine eigene emblematische Qualität erhält der Film dadurch nicht, womit das zweite Problem angesprochen ist: Zuvor hat Jackson die Herr der Ringe-Trilogie gedreht, Filme, die auch nacheinander gezeigt in neun Stunden ihren großen Spannungsbogen halten und den Zuschauer zu fesseln vermögen. King Kong schafft das nicht in seinen drei Stunden.
Dabei gibt es immer wieder wunderbare Szenen: Wie Ann Darrow, um Kong zu besänftigen, ihm auf einer Klippe am Meer eine Darbietung von Vaudeville-Artistik gibt, mit Stepptanz, Saltos und Jonglieren, was Kong, obwohl er ein kritisches Publikum ist, durchaus amüsiert. Geschickt macht Jackson dieses Bild zu einer Vorausschau auf Kommendes: Später, in New York, werden Ann und Kong einen ähnlichen Moment spielerischer Leichtigkeit erleben bei einer spaßigen Rutschpartie auf einem zugefrorenen See im Park, kurz bevor Artillerie gegen das Affenungeheuer eingesetzt wird - diesmal ist Kong von Menschen bedroht, nicht Ann vom Monster. Und natürlich ist die Szene einer Vaudeville-Vorführung für Kong verknüpft mit der entwürdigenden Ausstellung von Kong für zahlendes Publikum im ausverkauften Broadway-Theater.
Ein weiterer großer Moment, wieder mit Kong und seiner weißen Frau: Wie er gegen gleich drei T-Rex-Saurier kämpft, immer darauf bedacht, die Frau nicht fallen zu lassen, ein Kampf, der sich in ein Lianengestrüpp über einem Abgrund verlagert, ein faszinierendes Spiel mit Erwartungen und Spannungsmomenten, gewitzt und witzig inszeniert. Kong als Kung-Fu-Kämpfer, der alle Hände und Füße voll zu tun hat.
Immer wieder spielt Jackson mit den Genres, lässt Genresituationen anklingen, vornehmlich aus dem Gebiet des Horrorfilms; so inszeniert er ekstatische Wilde mit angespitzten Zähnen und bedrohlichem Piercing-Schmuck aus Knochen und Hörnern in stakkatoartiger, bewegt-verwischender Kamera wie in einem Zombie-Splatterfilm: Ein Rückgriff natürlich auf die eigenen Wurzeln (und merkwürdigerweise ist das aufwändig designte Dorf der Eingeborenen weniger unheimlich als das neuseeländische Städtchen vor dem Auftauchen der Weltall-Zombies in Bad Taste). Die Expedition der Weißen wird von Rieseninsekten angegriffen wie bei Jack Arnold, selbst Vampire haben in Form riesiger Fledermäuse ihren Auftritt.
Neben diesem Streifzug durch die Subgenres des Schreckens betont Jackson auch stets besonders die melodramatischen Momente, er lässt Ann und King Kong immer wieder einander lange in die Augen sehen tatsächlich hat Kong, der Gorilla, dank CGI eine breite Spanne emotionaler Ausdrucksmöglichkeiten, die auch eingesetzt werden wollen in den Momenten einer tierischen Liebesgeschichte: Ann steht zwischen zwei Männern, dem Intellektuellen Driscoll und dem animalischen Kong. Das ist der Kern von Jacksons Geschichte, ein Kern, der auch schon im Originalfilm steckte und der besonders betont wird; ein Kern, der freilich überdeckt wird von allerlei anderen Aspekten.
Hauptsächlich baut Jackson als zweites großes Themenfeld die Angstlust auf: Carl Denham, der Regisseur im Film, baut auf das Vergnügen am Schrecken, wenn er Kong nach New York holt; er ist angewiesen darauf, dass die Menschen dafür bezahlen, dass sie geängstigt werden: Rätsel und Wunder und ein Schauer den Rücken hinunter zum Preis einer Eintrittskarte. Die Eingeborenen von Skull Island haben einen Kult um Kong aufgebaut, und überall stößt man auf stilisierte Darstellungen des Riesenaffen: eine Naturgewalt, die in Kunst ausgedrückt wird, in sinnlich erfahrbaren Bildern, die den Schrecken verarbeiten, indem sie ihn ständig neu vor Augen führen.
Jackson thematisiert die Schaulust, die er mit seinem Film selbst auch wieder befriedigen will. Im ganz kleinen: Wenn dem Filmzuschauer plötzlich Gesichter in den Klippen von Skull Island auffallen, riesige affenartige Silhouetten aus Stein; und im Großen, mit den Sequenzen aus Abenteuer und Horror, Soziodram am Anfang und Melodram am Schluss, visuelle und emotionale Impulse, die den Zuschauer treffen.
Und die es doch verfehlen, eine aufregende, erregende Mischung zu sein; zuwenig gelingt es, die disparaten Elemente füreinander fruchtbar zu machen. Carl Denham, der zuerst als genialischer Orson-Welles-Verschnitt auftritt, wandelt sich zu einem pathetischen Filmversager und entpuppt sich unversehens dann als gewiefter Geschäftemacher, der über Leichen geht. Nach einer kurzen Romanze an Bord des Dampfers Ventura wird der intellektuelle Schreiberling Driscoll plötzlich zum Helden, um seine Geliebte zu retten, die derweil bei Kong den Menschen im Tier entdeckt hat; Thomas Kretschmann in der Rolle des Captain Englehorn, der sich selbst in schleppendem Singsang synchronisiert, erscheint zweimal als deus ex machina als Retter aus Todesnot; vollends spielbergisch ist die Vater-Sohn-Beziehung in der Nebengeschichte vom Maat und seinem Schützling, dem Waisenkind Jimmy, die natürlich über heroisches Opfer zu höherer Erkenntnis führt.
Wunderbare filmische Szenen bleiben in King Kong punktuell und ohne größere Nachwirkungen auf die anderen filmischen Aspekte. Der Film war teuer, 207 Millionen Dollar, ohne Marketingkosten vermutlich; eine entsprechend große Zuschauerschaft muss er zu erreichen suchen. Während Jackson mit seinen Herr der Ringe-Filmen bewiesen hat, innere Stringenz bei gleichzeitiger größtmöglicher Publikumsaffinität erreichen zu können, ja mehr noch: einen ganz eigenen Kosmos zu erschaffen, angelehnt an eine Vorlage und zugleich selbst höchst einflussreich auf die Ästhetik des Hollywood-Effekt-Blockbusters, muss er mit seinem King Kong zurückstecken: Die Fülle an Betrachtungsweisen, die dem Zuschauer angeboten werden, führen zu einer Beliebigkeit der Darstellung, ohne eigenes Profil zu erreichen. Und die enge Anlehnung an den Originalfilm, aus dem Jackson seine Themen herausfischt und nach Laune verstärkt, unterbindet den entscheidenden Mehrwert, den sein Film benötigen würde, um zu einem eigenen, starken Charakter zu gelangen.
Der Mittelweg, den Jackson mit King Kong einschlägt, ist nicht unbedingt der bessere, denn er muss deshalb an zu vielen Fronten gleichzeitig kämpfen: Melodram mit Horror verbinden, die Nostalgie mit moderner Tricktechnik, einen 72 Jahre alten Film für ein heutiges Publikum fruchtbar machen, ohne ihn zu verraten, und dabei gleichzeitig eine eigene Persönlichkeit des Filmes entwickeln und die innere dramaturgische Stringenz erhalten; schließlich: den Erwartungen gerecht werden, die durch das Marketing und durch die eigene Filmographie geweckt werden.
Fazit: Jacksons Film der Superlative bringt wunderbare Szenen, die sich aber nicht zu einem großen Ganzen verbinden wollen und daher einen eigenen, bündigen Charakter vermissen lassen.