Kommissar Dupin: Bretonische Verhältnisse: Gelungene Verfilmung von Jean-Luc Bannalecs gleichnamigem Krimi-Debüt.
Mit der Verfilmung des Bestsellers von Jean-Luc Bannalec möchte die ARD an die Erfolge der anderen Degeto-Auslandskrimis anknüpfen. Die Chancen stehen in der Tat nicht schlecht, zumal mit Pasquale Aleardi ein charismatischer Hauptdarsteller gewonnen werden konnte.
Wer am Meer lebt, sollte keine Fischallergie haben. Medizinisch allerdings lässt sich Georges Dupins Aversion gegen Meeres- und Küstenbewohner nicht nachweisen. Die Ursache dieser Unverträglichkeit bleibt nicht die einzige offene Frage, deren Beantwortung „Bretonische Verhältnisse“, die TV-Premiere des Romanhelden von Jean-Luc Bannalec (Drehbuch: Gernot Griksch, Martin Ess), schuldig bleibt; auch aus den Gründen für seine Versetzung von Paris in die Bretagne macht der Kommissar ein Geheimnis. Sehenswert aber ist der Auftakt zur neuen Krimifilmreihe der ARD-Tochter Degeto nicht nur wegen der reizvollen Hauptfigur, sondern auch wegen des nicht minder reizvollen Hauptdarstellers: Der Schweizer Pasquale Aleardi ist eine wunderbare Besetzung für den Ermittler, der selbst unter seinen Kollegen ein Fremder bleibt. Das Ensemble ist ohnehin gut zusammengestellt, auch wenn Annika Blendl als Assistentin unbedingt eine größere Rolle spielen sollte. Großartiger Gegenentwurf zu Dupin ist Jan Georg Schütte, der gerade in Filmen aus dem Norden (zuletzt „Der Tote im Watt“) immer wieder herrlich schräge Charaktere verkörpert.
Natürlich schwelgt die Kamera (Klaus Merkel) in Landschaften, Meer und Himmel, aber „Kommissar Dupin“ ist auch Teil der neuen Degeto-Philosophie. Das zeigt sich nicht nur an der Besetzung, sondern auch an der Art und Weise, wie die Geschichte erzählt ist: Bildgestaltung und Musik fallen zwar nicht aus dem Rahmen, doch die Verantwortlichen wollten offenkundig keinen Krimi von der gewohnten Degeto-Stange produzieren (Regie: Matthias Tiefenbacher). Dafür steht nicht zuletzt der Titelheld, und das keineswegs bloß wegen seiner eingebildeten Fischallergie. Aleardi sorgt dafür, dass sich die Persönlichkeit des Ermittlers aus vielen kleinen Facetten zusammensetzt. Einige sind gut sichtbar, etwa die lausbübische Freude, mit der Dupin jedes Mal extra flott an einer Radarfalle vorbeibraust, andere sind eher subtiler Natur. Und natürlich bleiben ihm die Einheimischen, die ihn als „Franzosen“ bezeichnen, genauso fremd wie er ihnen.
Aber auch die Geschichte ist nicht schlecht: Nach der Ermordung von Restaurantbesitzer Pennec findet Dupin mit Hilfe von Kunstexpertin Morgane Cassel (Ulrike C. Tscharre) heraus, dass der Mann offenbar ein bislang unbekanntes Gemälde von Gauguin besessen hat. Geschätzter Wert: 30 Millionen Euro. Seit Jahrzehnten befand es sich für jedermann sichtbar im Lokal. Das Bild, das jetzt dort hängt, ist allerdings eine Kopie. Deren Urheber, der Leiter (Ernst Stötzner) des örtlichen Museums, hatte das Original gegen eine Fälschung ausgetauscht, ist aber seinerseits auf eine Imitation reingefallen. Als sich rausstellt, dass der todkranke Pennec das Gemälde einem Museum in Paris vermachen wollte, weiß Dupin, wo er den Mörder muss; aber dann stirbt auch der Erbe.
Natürlich erliegt der Kommissar dem Charme der attraktiven Kunstexpertin, was sich ausgezeichnet nachvollziehen lässt, weil Ulrike C. Tscharre die Dame ausgesprochen gutgelaunt verkörpert. Auch Familie Pennec ist interessant besetzt (unter anderem mit Walter Kreye und Sibylle Canonica). Sehenswert ist „Bretonische Verhältnisse“ dennoch vor allem wegen des Hauptdarstellers und der Hauptfigur, deren rätselhafte Antipathie gegen das Wasser eine interessante Parallele zu dem von Walter Sittler verkörperten Gotland-Kommissar aus der ZDF-Krimireihe „Der Kommissar und das Meer“ darstellt. Jean-Luc Bannalec - der Name ist ebenso ein Pseudonym wie der von Drehbuch-Koautor Martin Ess - hat bislang drei Dupin-Romane geschrieben. Zwei weitere Verfilmungen sind bereits beschlossene Sache. tpg.