Im Panzer ist es eng, dunkel, die Sicht ist beschränkt, es gibt keinen Ausweg. Kommandant, Fahrer, Richtschütze und Ladeschütze sind auf Gedeih und Verderb eingepfercht; eher auf Verderb, denn selbst wer den Krieg überlebt, hat seine Seele verloren so beschreibt es Samuel Maoz, der 1982 als 20jähriger im israelischen Krieg gegen den Libanon in einem solchen Panzer saß: Als ist zurück nach Hause kam, umarmte mich meine Mutter, weinte und dankte, dass ich gesund und wohlbehalten zurückgekehrt war. Damals konnte sie nicht erkennen, dass ich keineswegs gesund und wohlbehalten zurückgekommen war. Tatsächlich kam ich überhaupt nicht nach Hause. Sie ahnte nicht, dass ihr Sohn im Libanon gestorben war und sie gerade eine leere Hülle umarmte.
Das Trauma seiner Jugend, seines Lebens, konnte Maoz erst über 25 Jahre später verarbeiten mit der Inszenierung dieses Films. Mit Lebanon, seinem kraftvollen Spielfilmdebüt, hat er einen Film über sich selbst geschaffen; nicht in Details autobiographisch, aber zutiefst und spürbar von den Kriegserfahrungen geprägt; der Richtschütze im Film heißt Shmulik, das ist auch Maoz Spitzname. Lebanon drückt das aus, was einen Soldaten, der in einen Krieg geworfen wird, bewegt, antreibt, was ihm zusetzt, woraus er sich nie mehr befreien kann. Dafür erhielt Maoz die Goldene Palme von Venedig 2009.
Maoz sperrt den Zuschauer mit in den Panzer. Er nimmt die Kamera hinein in die enge Kammer und verweigert damit dem Zuschauer den Blick: allein das verstört, dass man nur durch de Begrenzungen des Fadenkreuzes etwas sieht, eine fragmentarische Welt durchs Zielfernrohr, das im Lauf des Films mehr und mehr zersplittert. Dazu kommt das völlige Vorenthalten von Informationen, im Filmschnitt wurden ganze Sequenzen entfernt, die Erklärungen gaben, die uns die Charaktere vorstellten, ihre Hintergründe beleuchteten das, was ein konventioneller Film bietet.
Durch diese Verweigerung von Sicht und Wissen stürzt Maoz den Zuschauer direkt ins Chaos. Und trifft ihn damit hart, weil der Krieg von der Leinwand direkt über ihm ausgeschüttet wird Lebanon ist eine sehr heftige Erfahrung. Und dabei ist dem Zuschauer die ganze Zeit bewusst, dass dies nur eine Inszenierung, eine Darstellung ist, wenn auch eine verzweifelt Wahrhaftige dass das wirkliche Erleben aber vielfach schlimmer ist.
Nein, es geht nicht um den Libanon-Krieg. Es geht um den Krieg an sich, mit all seinem Grauen, mit Leid und Tod, Bedrohung und Angst, mit seiner Unübersichtlichkeit, mit seiner Unmenschlichkeit, mit seiner allzerstörerischen Kraft. Es sind niemals schöne Bilder sprich: Bilder von Heroismus oder Katharsis , die sich beim Blick durch das Fadenkreuz auftun. Allein das Zeigen enthält die pazifistische Botschaft, der Film ist Agitation, ohne je didaktisch zu werden, moralinsauer oder plakativ.
Und zugleich ist Lebanon ein Statement gegen die konkrete israelische Politik. Nach internationalem Recht sind Phosphorgranaten verboten, sagt der Major, das respektieren wir. Phosphor heißt deshalb künftig rauchendes Feuer. Im Kleinen deutet sich hier etwa auch Israels kokettes Versteckspiel mit dem seinem Atomwaffenarsenal an, das es ja offiziell gar nicht gibt und das zugleich als Schreckensszenario die arabischen Feinde im Zaum halten soll. Und wenn einer der Falangisten, arabische Christen und Israels Verbündete im Libanon, einem syrischen Kriegsgefangenen die qualvollste Folter androht, klingt das dreitägige Massaker von Falangisten in libanesischen Flüchtlingslagern an mit geschätzten 3.000 Toten, Männer, Frauen, Kinder und Alte, im August 82.
Aber all diese Hintergründe braucht es nicht, der Film spricht sie auch nie an: er ist gerade in seiner absichtsvollen Selbstbeschränkung eines der größten Antikriegsfilme aller Zeiten.
Fazit: Der Zuschauer wird mit in den Panzer gesperrt und direkt mit Chaos, Leid, Angst und Tod konfrontiert kraftvolles, preisgekröntes Filmdebüt mit starker emotionaler Wirkung.