Lena Fauch und die Tochter des Amokläufers: Sehenswerter Krimi mit Veronica Ferres als Notfallseelsorgerin, die sich mit der Polizei anlegt.
Sehenswerter Krimi mit Veronica Ferres als Notfallseelsorgerin und großem Reihenpotential.
Der Titel klingt wie der Auftakt einer neuen Reihe, und tatsächlich ist eine Fortsetzung schon in Arbeit. Der ungewöhnliche Beruf der Hauptfigur enthält in der Tat viel Potenzial für weitere Geschichten: Lena Fauch ist eine protestantische Pastorin, die für einen Kollegen als Polizeiseelsorgerin einspringt. Der Reiz des Einstiegs in diese Geschichte von Olaf Kraemer (Bearbeitung: Astrid Ströher) liegt in der unvermittelten Wucht, mit der die Ereignisse eskalieren: Eigentlich soll die Pastorin bloß ein paar Polizeihunde segnen. Aber dann müssen die Beamten zu einem Einsatz: Ein Mann hat auf die Besucher eines Biergartens geschossen.
Das erste Drittel des Films entwickelt eine enorme Dynamik. Die Handlung fesselt, weil der harmlose ältere Herr offenbar völlig grundlos aus dem Fenster schießt, die Polizei hilflos ist und Lena Fauch (Veronica Ferres) selbstlos zu helfen versucht. Kai Wessel inszeniert diese gute zwanzig Minuten überaus packend, der Schnitt (Tina Freitag) gibt einem gar nicht die Möglichkeit, sich den Aktionen zu entziehen. Höhepunkt des ersten Aktes ist die schwere Verletzung der zweiten Titelfigur: Auch die Tochter des Schützen, dessen Amokbilanz schließlich drei Tote und viele Schwerverletzte aufweist, ist anscheinend von einer seiner Kugeln getroffen worden. Aber weil die Mitglieder des Sondereinsatzkommandos offenkundig völlig überfordert waren, ist Lena Fauch überzeugt, dass Einsatzleiter Trautenwolf (Werner Wölbern) für den Tod der jungen Frau (Rosalie Thomass) verantwortlich ist; womöglich ist sie sogar an einer Polizeikugel gestorben. Zumindest diese Unterstellung wird jedoch durch die ballistische Untersuchung widerlegt. Trautenwolfs Chef (Markus Boysen) hält ohnehin nicht viel von den Anschuldigungen der Pastorin, schließlich gibt sie Trautenwolf auch die Schuld am Tod ihres Mannes (Alexander Radszun, nur auf Fotos präsent), eines SEK-Beamten, der bei einem früheren Einsatz ums Leben gekommen ist.
Veronica Ferres verkörpert die Pfarrerin gewissermaßen mit Trauerflor: Ihr gramgebeugtes und betont ausdrucksloses Spiel lässt von vornherein erahnen, dass Lena Fauch eine Last zu tragen hat, die durch Nebenschauplätze wie die regelmäßigen Auseinandersetzungen mit ihrem nichtsnutzigen Bruder (Thomas Schmauser) noch vergrößert wird. Die Auftritte des drogenabhängigen Kleinganoven sind für den Hauptstrang der Erzählung völlig unerheblich, tragen aber ebenso zum Reihenpotenzial der Figuren bei wie Fauchs Freundin Marlies (Idil Üner), bei der sie nach dem Verlust des Gatten Trost, Zuversicht und ein Dach über dem Kopf gefunden hat, sowie ihr Mentor Bader (Jörg Gudzuhn), mit dem sie philosophische Gespräche führt.
Diese nachdenkliche Ebene der Geschichte setzt Wessel natürlich ganz anders um, und da nicht nur die Wahrheitssuche, sondern auch die Aufarbeitung der Vergangenheit den Rest des Films dominieren, wird „Lena Fauch und die Tochter des Amokläufers“ inhaltlich und stilistisch ein völlig anderer Film. Immer stärker rückt nun Max Trautenwolf (Ludwig Blochberger), der Sohn des Einsatzleiters, ins Zentrum: Der junge Mann ist traumatisiert, seit bei einem gemeinsamen Autounfall sein Bruder starb, er war maßgeblich daran beteiligt, dass der Einsatz im Haus des Amokschützen zu einem Fiasko führte, und läuft nun als wandelnde Zeitbombe durch die Gegend. Mindestens so interessant wie die Hauptfigur sind die Schilderungen der polizeilichen Seilschaften; sie würden gleichfalls Stoff für weitere Krimis mit Lena Fauch bieten, wie auch das Ende des Films andeutet. tpg.