Arnaud ist gerade fertig mit der Schule. Sein Vater ist gestorben und mit seinem älteren Bruder versucht er nun, das gemeinsame Tischlergeschäft am Laufen zu halten. Doch eigentlich ist Arnaud nicht mit dem Herz bei der Sache. Denn ist es das, was er mit seinem Leben anfangen will? Als er eines Tages der selbstbewussten Madeleine begegnet, ändert sich alles für ihn. Denn Madeleine ist wild entschlossen, an einem Survival-Training der französischen Armee teilzunehmen. Und Arnaud beschließt kurzer Hand, mitzukommen. Denn er weiß zwar noch nicht, was er will. Aber wen er will, das weiß er jetzt ganz genau. Das Langfilmdebüt von Thomas Cailley erzählt von der ungewöhnlichen Liebesgeschichte zwischen zwei ungewöhnlichen Helden. Kévin Azais verkörpert den ruhigen und sensiblen Arnaud zurückhaltend und doch ausdrucksstark. Und Adèle Haenel ist die perfekte Besetzung für die unabhängige und starke Madeleine, die sich nicht in irgendeine weibliche Schublade stecken lässt. Sie steht ihre Frau und ist entschlossen, es mit der Welt aufzunehmen. Nur langsam lässt sie Arnaud an sich heran und sieht ihn als einen Menschen an ihrer Seite, der sie versteht und liebt, so wie sie ist. Wunderbar leichtfüßig und charmant gestaltet der Film die Annäherungen dieser beiden ungleichen Charaktere, die sich in kurzen, knappen und präzisen Dialogen und Szenen aneinander reiben. Der Soundtrack passt dabei perfekt zur Stimmung. Und die Kamera von David Cailley liefert exzellente Bilder, die oftmals träumerisch in romantisches Sonnenlicht getaucht sind und die symbolisch aufgeladene raue Schönheit der Natur einfangen. Ein herrlich unaufgeregter Coming-of-age-Film mit zwei großartigen Hauptdarstellern, die beide für ihre Darstellung mit dem César 2014 ausgezeichnet wurden.
Jurybegründung:
Die BrüderArnaud und Manu, Söhneeines Tischlers, sitzen beim Bestatter. Anstatt über den Tod des Vaters zu trauern, meckern sie über die Qualität des Sargholzes. Sie haben die Tischlerei des Vaters übernommen und machen sich nun, zu den Klängen von Elektropop, kurz entschlossen selber daran, einen Sarg für den Vater zu zimmern. So flott und frech beginnt LIEBE AUF DEN ERSTEN SCHLAG und macht damit große Lust auf die kommenden 99 Minuten.
Die Geschichte der Brüder liefert nur den Rahmen, sozusagen die sichere Seite des Lebens, der sich Arnaud auch hätte zuwenden können.LIEBE AUF DEN ERSTEN SCHLAG erzählt die Geschichte von Arnaud und Madeleine, die sich vor dem Rekrutierungsbüro der französischen Armee kennen lernen. Madeleine ist ein wahrer Tomboy, ein Mädchen, das unbedingt zur Armee will - für Arnaud stellt die Begegnung mit Madeleine zunächst nur eine Herausforderung dar, dann entpuppt sich die junge Frau jedoch als Liebe seines Lebens. Thomas Caulleys Erstling weicht das traditionelle Rollenbild auf und richtet sich gegen das gängige, binäre Geschlechterkonzept. In der Hitze der Pyrenäen zieht er seine Zuschauer in einen Strudel aus jugendlicher Kraft und Weltuntgergangsbildern. Eine Coming-of-Age Geschichte, erzählt in vielen kleinen Geschichtchen. Das hat Potential, das der Film nach Ansicht der Jury allerdings nicht immer zu nutzen weiß.
Als überdurchschnittlich bewertete die Jury die gute Kamera und die Bilderlust des Films, die die Handlung mit ästhetischen Reizen unterstützen. Getoppt wurde diese Ästhetik von der schauspielerischen Leistung der Hauptdarsteller Kévin Azais und besonders Adèle Haenel. Die Rollen scheinen beiden Darstellern geradezu auf den Leib geschnitten. Immer authentisch, immer glaubhaft verkörpern sie jugendliche Streithähne, die sich, wie der französische Titel (Les Combattants) sehr schön wiedergibt, nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen.
Genauso hat die Jury auch kleine und kleinste Geschichtchen goutiert, wie die ironische Begegnung zwischen Militärs und Hauptdarsteller am Eingang einer Disko oder die beiläufig gemachte Aussage, dass treibende Spucke im Fluss wie Frankreich aussähe. Kleine Geschichten voller Doppelsinn, Episoden die dem Film Originalität und Rasanz verleihen und eine tiefere Aussage bergen könnten. Doch Leider lässt Thomas Calley in den Augen der Jury die Wirkung solcher Zwischenspiele teilweise verpuffen. Dazu erzählt LIEBE AUF DEN ERSTEN SCHLAG oftmals geradlinig und klassisch bis konventionell.
Immer wieder musste sich die Jury in der anschließenden Diskussion fragen, was die zentrale Handlung des Films ist. Die anfangs gestellte Frage nach einer Zukunft der Jugendlichen lässt er offen, und die wiederkehrende Thematik aus Kraft, Aggression und Untergang erschien der Jury ein wenig zu eindimensional für ein erwachsenes Publikum. Für ein jugendliches Publikum jedoch erscheint es angemessen und sinnvoll, da hier der Wahrnehmung und dem Empfinden der Altersgruppe Rechnung getragen wird.
Nicht zuletzt in Hinblick auf diese, jüngere Zuschauergruppe kam die Jury zu dem Ergebnis, dem Film LIEBE AUF DEN ERSTEN SCHLAG das Prädikat „wertvoll“ zu verleihen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)