Der Begriff des female gaze findet zunehmend Verwendung im Film-Jargon. Was mit der Formulierung gemeint ist und welche fünf Film-Highlights dem female gaze entsprechen, verraten wir euch anbei.
Beim female gaze handelt es sich um einen aus der feministischen Filmtheorie stammenden Begriff, der den Blick einer weiblichen Figur, Filmschaffenden oder Zuschauerin beschreibt. Der female gaze legt den Fokus vor allem darauf, dass Frauen in Filmen und Serien als autonome Handlungsträgerinnen dargestellt werden und nicht als Objekte männlicher Begierde. Der female gaze dient somit als Gegenentwurf zum male gaze und subvertiert die in der Filmindustrie vorherrschenden, nicht selten sexualisierten Darstellungen von Frauen. Verschiedene sexuelle Orientierungen werden dabei häufig ebenfalls berücksichtigt.
Diese sexistischen Darstellungen, die seit der Geburtsstunde des Films auf ein heterosexuelles männliches Publikum zugeschnitten wurden und nach wie vor werden, können dabei durch verschiedene Inszenierungsmöglichkeiten so subtil auf die Leinwand gebracht werden, dass wir diese als Zuschauer*innen nicht unbedingt bewusst als sexistisch wahrnehmen. Dies kann beispielsweise durch eine Kameraeinstellung, die Beleuchtung oder das Kostümbild geschehen – wie wir euch im nachfolgenden Absatz anhand eines Beispiels veranschaulichen möchten. Vorab stellen wir euch in unserem Video jedoch die zehn stärksten Frauen der Filmgeschichte vor:
Harley Quinn: Der weibliche und männliche Blick im Kontrast
Ein Paradebeispiel für die konträre Darstellung einer Figur aus der weiblichen wie auch männlichen Perspektive ist Harley Quinn, die von Margot Robbie in „Suicide Squad“ sowie „Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn“ verkörpert wurde. Während ihr erster Auftritt im Jahr 2016 vom US-amerikanischen Regisseur David Ayer inszeniert wurde, war für den Solo-Auftritt der DC-Schurkin die sino-amerikanische Filmemacherin Cathy Yan verantwortlich.
In „Suicide Squad“ wurde Harley Quinn mit knappem Höschen, Netzmuster-Strümpfen, zerrissenem Top und Hundehalsband dargestellt. Hier wurde die Figur offenkundig von einem Mann für ein männliches Publikum in Szene gesetzt. In „Birds of Prey“ hingegen ist Harley Quinn dieselbe durchgeknallte Gaunerin wie zuvor, nur dieses Mal zielt ihr Äußeres nicht darauf ab, ein heterosexuelles Männerpublikum zufriedenzustellen.
Der female gaze: 5 Filmempfehlungen
Shiva Baby
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Studentinnen, die sich als Sugar Baby Geld für ihr Studium verdienen? In Deutschland vielleicht ein weniger präsentes Szenario, doch in den USA soll dies laut Regisseurin Emma Seligman nicht selten der Fall sein. Drum beleuchtet sie in ihrem Langfilm-Debüt „Shiva Baby“ das Leben einer jungen Frau, die auf einer Trauerfeier ihren Sugar Daddy trifft. Als wäre die Situation nicht schon unangenehm genug, machen ihr ihre Familienmitglieder und Bekannten die Veranstaltung mit Fragen rund um ihre Bisexualität, ihr Körpergewicht sowie ihre Zukunftspläne zur Hölle. „Shiva Baby“ ist ein chaotisches Desaster, das mit bitterbösem Humor und großer Einfühlsamkeit die Probleme einer jungen Frau einfängt. Und mit einer Laufzeit von 78 Minuten sehr kurzweilig ausfällt.
Thelma & Louise
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Dass ein Film, der seine Gesichte aus einem weiblichen Blick erzählt, nicht zwingend von einer Frau inszeniert werden muss, hat Ridley Scott bereits 1991 mit „Thelma & Louise“ bewiesen. In einem Mix aus modernem Western, Drama und Roadmovie folgt der Film den titelgebenden Freundinnen auf einer Reise durch die USA. Was als entspannter Urlaub in den Bergen geplant war, artet in einem Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei aus, in dem die zwei Frauen mit erhobener Faust gegen die männliche Dominanz und Objektifizierung rebellieren. Ein actiongeladener Trip, in dem die bösen Jungs das bekommen, was sie verdienen.
Promising Young Woman
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Statt zu den Waffen zu greifen, gibt es allerdings auch andere Wege, übergriffige Herrschaften in die Schranken zu weisen, wie es uns Cassandra Thomas (Carey Mulligan) in „Promising Young Woman“ beweist. Immer wieder wird sie Zeugin von sexistischen Übergriffen und beschließt – angetrieben von einem Trauma – etwas gegen dieses Verhalten zu unternehmen. Mit psychologisch ausgeklügeltem Kalkül inszeniert Emerald Fennell eine Frau, die als One-Woman-Army Jagd auf widerwärtige Flegel macht. Grandioses Kino mit einigen bösen Überraschungen und einer brillanten Hauptdarstellerin.
Little Women
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In „Frances Ha“ haben wir Greta Gerwig als Darstellerin im Film ihres Ehepartners Noah Baumbach gesehen, einige Jahre später trat sie selbst hinter die Kamera, um mit „Lady Bird“ eine äußerst authentische Tragikomödie zu zeichnen. Mit „Little Women“ bewies die US-amerikanische Filmschaffende 2019 erneut, welch feinfühliges Gespür sie für das Erzählen von Geschichten mit starken und vor allem glaubwürdigen Frauenfiguren hat. Das Historiendrama folgt vier Schwestern, die sich nach dem amerikanischen Bürgerkrieg den Herausforderungen des Erwachsenwerdens stellen müssen. Die Adaption von Louise May Alcotts gleichnamigen Roman ist großes Wohlfühlkino mit viel Herz und Verstand.
Porträt einer jungen Frau in Flammen
Nachdem sich die französische Regisseurin Céline Sciamma bereits mit ihrer Jugendfilm-Trilogie – bestehend aus „Water Lilies“, „Tomboy“ und „Mädchenbande“ – ausgiebig mit Themen der Feminität auseinandersetze, widmete sie sich in „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ einer erwachsenen Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen. Die Malerin Marianne (Noémi Merlant) wird im Jahr 1770 damit beauftragt, abseits der Öffentlichkeit ein Porträt von der Adeligen Héloïse (Adèle Haenel) anzufertigen, die sich gegen die Vermählung widersetzt. Im Laufe des Prozesses entsteht zwischen den beiden Frauen eine ganz besondere Beziehung, die so nuanciert und liebevoll wie jenes titelgebende Porträt selbst auf die Leinwand gebracht wird. Ein wahres Kunstwerk im doppelten Sinne.
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