Kristen Stewart und Katy M. O’Brian führen in dem Pulp-Thriller eine lustvolle, actiongeladene Romanze. Was „Love Lies Bleeding“ so außergewöhnlich macht, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Nachdem die britische Filmemacherin Rose Glass 2019 mit dem Horrorfilm „Saint Maud“ ein von der Kritik hochgelobtes Regiedebüt ablegte, wurde ihr Action-Thriller „Love Lies Bleeding“, mit Hollywoodstar Kristen Stewart in der Hauptrolle, sehnlichst erwartet. Die A24-Produktion feierte Anfang des Jahres 2024 Premiere auf dem Sundance Film Festival und startet am 18. Juli 2024 in den deutschen Kinos.
Angesiedelt ist „Love Lies Bleeding“ in einer Kleinstadt inmitten der kargen Wüstenlandschaft von New Mexico zum Ende der 1980er-Jahre. Hier betreibt Lou (Kristen Stewart) ein Fitnessstudio, welches vornehmlich von muskelbepackten, männlichen Pumpern frequentiert wird. Umso mehr staunt Lou, als sie Bodybuilderin Jackie im Studio erblickt. Als bereits beim ersten Kennenlernen die Funken zwischen beiden Frauen sprühen, offenbart sich für die alleinstehende lesbische Lou ein Hoffnungsschimmer abseits von verstopften Gym-Toiletten, verkorksten Familienverhältnissen und stumpfsinnigen Dates mit ihrer Ex-Freundin (Anna Barishnikov), aus bloßem Mangel an Alternativen.
Jackie ist lediglich auf der Durchreise, mit dem Ziel, in Las Vegas das große Preisgeld eines Bodybuilding-Contests zu gewinnen. Bereits nach der ersten gemeinsamen Nacht zieht die mittellose Sportlerin kurzerhand bei Lou ein, die ihren Traum vom Bodybuilding zusätzlich noch mit Steroidspritzen unterstützt. Rasant entfaltet sich zwischen ihnen eine Liebe, die teils fürsorglich und zärtlich, meistens aber lustvoll, verschwitzt und grob anmutet. Dem gemeinsamen Glück der beiden Frauen steht jedoch vor allem Lous Familie im Weg. Ihr Vater (Ed Harris) ist Waffenhändler und wird für seine kriminellen Machenschaften vom FBI gesucht, während ihre Schwester Beth (Jena Malone) von Ehemann JJ (Dave Franco), der linken Hand ihres Gangster-Vaters, regelmäßig verprügelt wird. Eine Reihe verheerender Ereignisse und Anabolika-induzierte Selbstjustiz sorgen schließlich dafür, dass Lou und Jackie in den gefährlichen Strudel der Gewalt und des Blutvergießens geraten.
Was „Love Lies Bleeding“ abseits dieser vielversprechenden Prämisse so sehenswert macht, erfahrt ihr im Folgenden und ganz ohne Spoiler in unserer Kritik. Erste Eindrücke von Kristen Stewart als Vokuhila-tragende Fitnessstudiobesitzerin liefert außerdem der offizielle Trailer:
Rose Glass liefert starke Frauenrollen, abseits vom Heldinnentum
Das Bild, welches von dem kleinen Mikrokosmos in der verstaubten Wüstenstadt gezeichnet wird, ist ein patriarchales, in dem kriminelle Männer mit ihren illegalen Geschäften und unmoralischen Taten im Beruflichen und im Privaten davonkommen und dabei von der korrupten Polizei oder der eigenen Familie gedeckt werden. Kein unkonventionelles Szenario in einem 80er-Jahre Setting, doch was „Love Lies Bleeding“ in meinen Augen so außergewöhnlich macht, ist die Rolle der beiden Protagonistinnen innerhalb dieses Konstrukts. Rose Glass entwirft mit Jackie und Lou vielschichtige Frauenrollen, die sich nicht unbedingt mit ihrem starken Moralkompass und ihrer friedliebenden Art gegen die Ungerechtigkeit behaupten, sondern unter den vorherrschenden Strukturen selbst gewalttätig und nicht immer nachvollziehbar handeln.
Bedeutsam für das überzeugende Auftreten der Protagonistinnen sind hierbei selbstverständlich die hervorragend gecasteten Hauptdarstellerinnen. Die US-amerikanische Schauspielerin und Kampfsportlerin Katy O‘Brian („The Mandalorian“) brilliert in ihrer ersten großen Kinorolle als die angehende Bodybuilderin Jackie. Neben Jackies Zuneigung zu Lou wachsen unter ihrem Steroidkonsum auch ihre Muskeln, ihr Größenwahn und ihre hemmungslose Gewaltbereitschaft, die ihr zuweilen die Sinne zu vernebeln scheinen. Ihr Gegengewicht ist Lou, verkörpert von Kristen Stewart, die ihr in blinder Liebe die Omeletts ohne Eigelb zubereitet, die Anabolikaspritzen setzt und hinter ihr aufwischt, wenn es blutig wird. Die größte Schwäche der Fitnessstudiobesitzerin ist ganz klar Jackie, doch auch ihre Familiengeschichte und eine scheinbar traumatische Vergangenheit machen ihr sichtbar zu schaffen.
Kristen Stewart so authentisch wie nie zuvor
Einst durch die „Twilight“-Filme berühmt geworden, hat Kristen Stewart sich längst einen Namen abseits der wortkargen Bella Swan gemacht und zuletzt in David Cronenbergs „Crimes of the Future“, oder mit ihrer Oscar-nominierten Darstellung der Prinzessin Diana in Pablo Larraíns „Spencer“ überzeugt. Auch wenn die US-Amerikanerin nach ihrem Outing bereits in der romantischen Komödie „Happiest Season“ einen lesbischen Charakter spielte, scheint sie mir in „Love Lies Bleeding“ so authentisch wie nie zuvor. Dass der Thriller trotz seiner düsteren Themen enorm unterhaltsam und auf abstrakte Weise komisch ist, ist neben dem Drehbuch von Rose Glass und Weronika Tofilska, in meinen Augen vor allem der herausragenden Performance Stewarts geschuldet. Zwischen ihrer verkorksten Familie und einer freidrehenden Geliebten auf Steroiden ist da Lou, die Stewart in sportlichen Muscle-Shirts und einem Vokuhila verkörpert. Mit nervösen Gebärden, einer Zigarettenabhängigkeit, die sie sich einfach nicht abtrainieren kann und ihrer Hingabe zu Jackie lässt Stewart gekonnt durchscheinen, was sich hinter Lous harter Schale wirklich verbirgt.
Was „Love Lies Bleeding“ für ein fulminantes Ende findet, lässt sich hier nicht preisgeben, ohne zu spoilern, aber es ist eine Szene, so unkonventionell wie der Rest des Thrillers. Rose Glass traut sich in ihrem zweiten Spielfilm Genregrenzen nicht bloß zu verwischen, sondern löst diese gänzlich auf und bewegt sich spielerisch zwischen blutigen Slasher-Momenten und pastellfarbener Romanze, die sich definitiv auf der großen Leinwand anzusehen lohnen.