Love & Mercy: Biopic über den legendären Beach Boys-Musiker Brian Wilson, seine rauschende Karriere und seinen Zusammenbruch und seine anschließende Therapie.
Unkonventionelles, aber zwingend gelungenes Biopic über den legendären Beach-Boys-Musiker Brian Wilson, seine kreativen Höhenflüge, seinen Zusammenbruch und seine anschließende Rettung zwei Jahrzehnte später.
Dass „Love & Mercy“ ein so bewegender und gelungener Triumph werden würde, war nicht vorherzusehe. Natürlich ist die Lebensgeschichte von Brian Wilson, des Architekten des Beach-Boys-Sounds, der beim Versuch, im Studio all die Klänge umzusetzen, die er sich in seinem Kopf vorstellen konnte, buchstäblich den Verstand verlor und die nächsten Jahrzehnte mit psychischen Problemen, Drogen, Alkohol und Übergewicht zu kämpfen hatte, faszinierend, und auch Regisseur Bill Pohlad ist kein unbeschriebenes Blatt: Der amerikanische Multimillionär hat als Produzent von Filmen wie „
The Tree of Life“ oder „
12 Years a Slave“ wiederholt bewiesen, dass er ein untrügliches Gespür besitzt für ungewöhnliche Filmstoffe mit Klassiker-Potenzial. Aber „Love & Mercy“, das roch doch zu sehr nach Eitelkeitsprojekt eines Produzenten, der endlich auch einmal auf dem Regiestuhl sitzen wollte. Was für ein Irrtum: Der Film ist ein Triumph, der sich Konventionen gängiger Künstler-Biopics strikt verweigert und mit einem Minimum an Aufwand, aber einem Maximum an Fantasie und Verständnis für den Mann im Mittelpunkt regelrecht mit den Augen Wilsons sehen und verstehen lässt.
Basierend auf einem Drehbuch von Oren Moverman erzählt der Film nicht chronologisch von Aufstieg und Fall des begnadeten Musiker und Komponisten. Stattdessen wechselt er fließend zwischen zwei Zeitebenen, die entscheidende Phasen im Leben Wilsons umfassen. Zum einen ist da die Zeit Mitte der Sechzigerjahre, in der Brian Wilson an seinen visionären Alben „Pet Sounds“ und „Smile“ arbeitet und schließlich an der eigenen Ambition und dem äußeren Druck von Plattenfirma, Bandkollegen und seinem herrischen Vater zerbricht. Zum anderen zeigt der Film Brian Wilson als psychisches und körperliches Wrack Mitte der Achtzigerjahre, als sein Leben von dem kontroversen Psychotherapeuten Eugene Landy kontrolliert wird und er sich in die Autoverkäuferin Melinda Ledbetter verliebt. Der Clou an dem Film: Wilson wird in den beiden Phasen von zwei verschiedenen Schauspielern verkörpert, die sich äußerlich nicht im Entferntesten ähneln.
Während Paul Dano in den Sixties-Szenen Wilson wie aus dem Gesicht geschnitten ist, lässt Pohlad auf der anderen Zeitebene John Cusack einfach aussehen wie John Cusack, als wolle er sagen: Dies ist ein Mann, der nichts mehr mit dem Brian Wilson von früher zu tun hat. Es ist ein Kniff, der großartig funktioniert. Zum einen weil die beiden Schauspieler wunderbar sind - Dano, meist abonniert auf schmierige Psychos wie in „
There Will Be Blood“ oder „Prisoners“, ist eine Offenbarung, wenn er Wilson als großes, sanftes Kind spielt, das von der eigenen Vision völlig überwältigt ist, während Cusack mit seiner einfühlsamen und ganz sparsamen Darstellung daran erinnert, warum man ihn einmal für einen der Besten seiner Generation hielt. Zum anderen weil Pohlad nicht einfach nur Look and Feel der Zeit mit einfachen Mitteln perfekt einfängt, sondern auch voll und ganz verinnerlicht hat, was das Genie von Brian Wilson ausgemacht hat: Wunderbare Details wie das strategische Verteilen von Büroklammern auf den Klaviersaiten, um den gewünschten Sound zu erzielen, oder der Sandkasten, den Wilson sich in seinem Wohnzimmer bauen ließ, um beim Komponieren am Klavier die Füße durch den Sand streichen lassen zu können, sind nicht nur als Gimmicks dabei, sondern unterstreichen ganz elementar, wie maßlos und exzentrisch der damals gerade einmal 24-Jährige bei der Umsetzung seiner bahnbrechenden Ideen vorging. Paul Giamatti ist ein wunderbares Filmmonster als Landy, der Wilson mit geradezu unmenschlichen Methoden (und einer falschen Diagnose) zu therapieren versuchte. Elizabeth Banks bildet einen faszinierenden Gegenpol als Rettungsanker. Und dann natürlich diese gottgleiche Musik, die „Love & Mercy“ immer perfekt einsetzt - am besten in der Gänsehautszene, in der Brian seiner Melinda wortlos seine Liebe erklärt und „Wouldn’t It Be Nice“ quasi den Dialog übernimmt, während sie gemeinsam auf eine unbehauste Sackgasse blicken: Abbild eines gequälten Lebens, mit dem es fortan bergauf gehen wird. ts.