MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM erweckt Bertolt Brechts und Kurt Weills Dreigroschenoper auf der Leinwand zu neuem Leben- und erzählt gleichzeitig die Geschichte von Brechts großem gescheiterten Traum, sein Werk nach seinen Vorstellungen zu verfilmen.
„Und der Haifisch, der hat Zähne. Und die trägt er im Gesicht.“ Jeder kennt das Lied über Mackie Messer, das die berühmte „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill einläutet. Das Stück, das 1928 in Berlin uraufgeführt wurde, gehört zu den größten Theatererfolgen der Weimarer Zeit und verhalf Brecht und Weill zu Ruhm und Anerkennung. Schon bald interessiert sich eine große Produktionsfirma für die Filmrechte. Natürlich will der Produzent die Oberhand behalten, wenn es darum geht, wie das Stück verfilmt werden soll. Doch genau das will Brecht auch. Denn schließlich sind es seine Worte, die das Stück erst erschaffen haben. Dem Produzenten erzählt er von seinen Plänen. Und lässt sie vor den Augen aller Betrachter lebendig werden. Bertolt Brecht gilt als Schöpfer des epischen Theaters. Und als brillanter, wenn auch streitbarer Geist. Sein großer Traum, die Dreigroschenoper auf die Leinwand zu bannen, sollte sich in einen großen Rechtsstreit verwandeln. Regisseur Joachim Lang vereint für MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM mehrere Ebenen und verbindet sie zu einem außergewöhnlichen filmischen Erlebnis. Denn so wie im epischen Theater spielt auch Langs Film mit Regeln und Konventionen der Rezeption. Da verwandelt sich eine Spielszene aus der Dreigroschenoper in eine lebendige Diskussion der Schauspieler über ihre Rollen. Oder Brecht selbst durchbricht die vierte Wand und spricht mit dem Zuschauer über seine Gedanken und Vorhaben. Das alles untermalt und gerahmt von den hervorragend dargebrachten und federleicht in Szene gesetzten musikalischen Stücken der Oper selbst. Lang inszeniert mit Esprit und Lust, welche sich auch in der großen Spielfreude des glanzvollen Ensembles wiederspiegelt. Claudia Michelsen, Joachim Krol, Hannah Herzsprung und Tobias Moretti spielen ihre Parts mit Verve und beeindruckendem stimmlichen Einsatz. Und Robert Stadlober als Kurt Weill und Peri Baumeister als Elisabeth Hauptmann überzeugen als flankierende Pfeiler des Meisters Bertolt Brecht, den Lars Eidinger mit einer so berückenden Mischung aus Süffisanz und Eloquenz darstellt, dass man sich der Faszination seines Charakters nicht entziehen kann. Das Tempo der Inszenierung ist schwindelerregend, die visuellen Effekte enorm. Die Kamera schwebt durch die Kulissen, das Licht erweckt Theatergefühle. Und durch geschickte dramaturgische Wendungen gelingt Lang die Verbindung des literaturhistorischen Stoffes mit aktuellen gesellschaftlichen Konflikten. MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM ist mehr als eine Verfilmung der Dreigroschenoper. Mehr als ein Blick hinter die Kulissen der historischen Ereignisse von damals. Es ist ein Film, der Brechts Theaterkunst huldigt, indem er sie meisterhaft auf die filmische Ebene überträgt. Ein wahrhaft Brecht’scher Film.
Jurybegründung:
Nicht nur an Schulen gilt: „Brecht geht immer“. Werke Bertold Brechts gehören mittlerweile zum Repertoire jeder Bühne und auch aus den Radio- und TV-Programmen sind sie kaum noch weg zu denken, zumindest aus deren kulturellem Teil. Ganz anders war das zu Brechts Lebzeiten. Nach Erfolgen während der Weimarer Republik wurde es für ihn zunehmend schwieriger, seine gesellschaftskritischen Stücke aufzuführen.
Joachim Lang folgt mit seinem Spielfilm MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM der realen Entstehungsgeschichte einer von Brecht geplanten Verfilmung der Dreigroschenoper. In interessanter Wechselwirkung von Theaterstück, geplanter Verfilmung und sowohl zeitgenössischer wie auch zeitloser Gesellschaftskritik führt er seinen Zuschauern unversehens die Grundzüge von Brechts epischem Theaters vor Augen.
Der Titel deutet es bereits an: MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM setzt durchaus hohe Ansprüche an sein Publikum. Dabei erfordern 136 Minuten gar kein außergewöhnliches Sitzfleisch. Lang gönnt seinen Zuschauern nur wenige Minuten, um Atem zu schöpfen. Zumindest für Nichtbrechtianer strotzt der Film vor Informationen aus Leben und Wirken Bertold Brechts. Lang arbeitet mit ineinandergreifenden Rahmenhandlungen. Dabei wechseln sich zeitgenössisches Kolorit, harte Gesellschaftskritik und Hintergründe der (Nicht-)Verfilmung mit den frechen Tönen und Szenen der Dreigroschenoper ab. Aber irgendwie gehört ja auch alles zusammen. Das alles muss natürlich wirken. Der Jury ist es erst in der Filmdiskussion komplett gelungen, die einzelnen Handlungsfäden zu verknüpfen und die Klugheit von Langs Filmprojekt zu erkennen. Der Regisseur folgt nicht nur mit der Handlung dem Nonkonformisten Brecht, sondern übernimmt auch dessen nichtkonforme Dramaturgie.
Raffiniert arrangiert Lang die Handlungsebenen, bricht inszenatorisch mit der gängigen, raumzeitlich-chronologischen Darstellung und überrascht mit der Durchdringung von Stück, zeitgenössischem Hintergrund, Gesellschaftskritik und natürlich Brechts Arbeiten an der Verfilmung der Dreigroschenoper. Auflockerung findet seine Dramaturgie in den, musikalisch noch immer gut funktionierenden, Kurt Weill-Titeln aus der Dreigroschenoper.
Der Dramaturgie folgt die bildliche Umsetzung. Der Film springt von Theaterkulissen zu Realbauten und spielt mit Lichtmodellierung und theaterhafter Beleuchtung. Auch hier scheinen sich Realität und Bühne zu durchdringen. Das sorgt für Irritationen und schafft Distanz. Ganz im Brecht’schen Sinne kann Lang damit erreichen, dass sein Publikum nicht einfach nur konsumiert, sondern mitdenkt und sich engagiert. Dass es für so eine Inszenierung eines ausgezeichneten Casts bedarf, versteht sich, und der Regisseur konnte sich tatsächlich eines tollen Ensembles versichern. Tobias Moretti, Hanna Herzsprung, Joachim Król, um nur einige zu nennen, agieren hervorragend. Auch Lars Eidinger überzeugt, wenn er auch, nach Auffassung der Jury, den Charakter in manchen Sequenzen etwas zu eindimensional anlegt.
Mit MACKIE MESSER - BRECHTS DREIGROSCHENFILM hat Regisseur Joachim Lang eine filmische Herausforderung an die Zuschauer geschaffen. Ganz im Sinne Brechts ist es eine noch immer gültige, profunde Kritik an den bestehenden Herrschaftsverhältnissen geworden, aber auch eine Hommage an Brecht und eines seiner bekanntesten Werke. Man muss sich einfach nur die Zeit nehmen, sich wirklich darauf einzulassen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)