Freud ist nicht freundlich, eher ruppig, grob und drängend. Immerhin hat er für die Sprechstunde mit Mahler seinen Urlaub abbrechen müssen. Mit ihm macht der Film denn auch am meisten Spaß, wie er ein Klappbett in sein Hotelzimmer schleppen lässt, das er zur obligatorischen Analysecouch umfunktioniert. Hier breitet Gustav Mahler seine Leben, seine Liebe, sein Leiden aus, am Ende steht so was wie eine Freundschaft: Ich bin der Gustl. Und ich bin der Siggi.
Dass es passierte, ist verbürgt. Wie es passierte, haben wir erfunden, heißt es am Anfang. Die historische Begegnung zwischen Mahler und Freud nehmen das Regieduo Percy Adlon und sein Sohn Felix zum Anlass für eine biografische Rückschau. Wobei sie ihre Rahmenhandlung das Bekenntnis beim Psychologen nochmals aufbrechen, die Rückblenden durchsetzen mit Momenten Brechtscher Verfremdung, wenn Nebenfiguren die vierte Wand durchbrechen und direkt zum Kinopublikum sprechen. Historische Briefe verlesen, über Mahler räsonieren, das Geschehen diskutieren so öffnet sich der Film formal, geht ins Essayistische, er erzählt und reflektiert zugleich diese Erzählung. Das ist durchaus originell und von frischer Unkonventionalität.
Der Inhalt freilich, der Inhalt: Was die Adlons eigentlich erzählen wollen, wissen sie vielleicht selber nicht, und wie sie es erzählen, ist, sagen wir, etwas unausbalanciert. Das schön komödiantische Freud-Mahler-Gespräch wird zu größter, schmerzvollster Ehedramatik, die oft genug die Grenze zum Kitsch überschreitet, dazu die theaterhaften Selbstreflexionen und die erhaben-monumentale Musik von Mahler, die wiederum auf unfreiwillige Komik stößt
Und dann das Namedropping, das ungefähr alle Kulturschaffende des Belle-Epoque-Wien versammelt, kontrastiert mit der Einsamkeitsidylle des Berghofes, wo die Mahlers sommers residieren.
Zunächst geht es um das Ende der Beziehung zwischen Mahler und Alma, der 20 Jahre jüngeren Ehefrau. Glücklich seien sie, meint Gustav, bis er ihren Ehebruch mit Walter Gropius, dem Bauhaus-Architekten, entdeckt: eine leidenschaftliche Affäre, die ihn zu Freud treibt. Und wo Freud draufsteht, da steckt verdrängte Schuld drin, das ist neben der kursorischen Mahler-Biographie ein weiteres Feld, das der Film beackert: die Selbsterkenntnis Mahlers, wie sich ihm die Augen öffnen, dass er seine Frau im Käfig der eigenen Genialität eingesperrt hat. Das Topos des Künstlers also, der nur mit seiner Kunst verheiratet ist, dessen großes Werk einhergeht mit großer Egomanie.
Und nebenbei bietet der Film ein bisschen Volkshochschule: Freud selbst gibt eine Drei-Satz-Einführung in sein Denken (Sie sind nicht Herr im eigenen Haus, das Verdrängte beherrscht Sie!), Gropius umreißt die moderne Architektur (Gesunde Häuser für die Arbeiterklasse, Glas, Stahl, Beton, nichts Muffiges), schließlich darf auch Alma einen emanzipatorischen Monolog sprechen.
Eine zweite Rückblende, die die Anfänge der Gustav-Alma-Ehe beleuchtet, zeigt die Zukünftige als eine Art Groupie der Stars des modernen Wiens vor dem ersten Weltkrieg. Hier eine Affäre, da eine Affäre wobei sie nicht verurteilt wird, das Schmetterlinghafte in der Kunstszene ist vielmehr Vorausschau auf die spätere Gropius-Affäre. Und, auch das spielt hier mit, es ist zudem ein weiterer Aspekt des Films, die Moderne, die sich aus dem Klassischen erhebt, ein neues, offeneres Denken, das auf Mahlers streng geregeltes, von klaren Werten geprägtes Leben stößt. Gustav und Alma das ist auch die Verbindung zwischen Alt und Neu, das ist wiederum ein neues Fass, das die Adlons aufmachen
Das alles zusammengeworfen macht den Film nicht gut; aber immerhin bietet er so was wie bildungsbürgerliches High-Camp und ist von daher doch unterhaltsam. Auch wenn man nie genau weiß, wo er absichtlich selbstironisch ist und wo das Überzogene schlicht inszenatorisches Unvermögen ist; welche Lacher nun intendiert sind und welche auf unbeabsichtigter Lächerlichkeit beruhen.
Fazit: Namedropping aus Wiens großer Zeit: Mahler bei Freud, weil seine Frau mit Walter Gropius rummacht. Formal interessant durch Brechtsche Verfremdungseffekte, weiß man beim Inhalt doch nie, wann die Komik intendiert ist und wann schlicht Kitsch und Camp herrschen.