Am 9. Oktober 2012 halten Taliban-Kämpfer im Swat-Tal in Pakistan einen Schulbus an und fragen nach einem Mädchen namens Malala Yousafzai. Als sie sie gefunden haben, schießen sie ihr in den Kopf. Zu diesem Zeitpunkt war Malala 15 Jahre alt. Seit mehr als drei Jahren führte sie einen Internet-Blog, in dem sie über die Zustände in ihrer Heimat berichtete. Über die Bedrohung des Volkes durch die Taliban. Und die ungerechte Behandlung, die gerade junge Mädchen ertragen müssen, denen es verboten ist, zur Schule zu gehen und sich weiterzubilden. Den Anschlag hat Malala überlebt. Sie musste ihre Heimat verlassen und auch die Morddrohungen durch die Taliban an sie und ihre Familie halten an. Doch auch jetzt schweigt Malala nicht. Denn sie weiß: Mit ihrer Stimme kann sie etwas verändern. Im letzten Jahr erhielt Malala Yousafzai dafür den Friedensnobelpreis. Der Film von Davis Guggenheim begleitet das junge Mädchen und zeigt dabei sowohl die öffentliche als auch die private Seite. Denn Malala hat nicht nur eine Mission, sondern ist auch immer noch eine ganz normale Jugendliche mit ganz normalen Problemen, Nöten und Interessen. So kehrt der Film auch immer wieder zum Alltag von Malala und ihrer Familie zurück. Wie sie mit ihren Brüdern lernt, diskutiert, streitet und wie sie mit ihren Eltern redet. Vor allem ihr Vater steht ihr als Vertrauter bei öffentlichen Auftritten bei und unterstützt sie in ihrem Kampf. Denn Malala ist in ihrer starken Außenwirkung nicht nur eine Person, sondern ihre Auftritte müssen, wie bei einer berühmten Persönlichkeit, koordiniert und betreut werden. Das alles gerät jedoch immer dann in den Hintergrund, wenn Malala selbst zu Wort kommt. Dann hört man ihr einfach nur gebannt, beeindruckt und auch gerührt zu. Wie sie beispielsweise über ihre Heimat redet, die sie so schmerzhaft vermisst, geht dem Zuschauer besonders nahe. Hier arbeitet Guggenheim mit Animationssequenzen, die mit wenigen eindrucksvollen Pinselstrichen helfen, Erinnerungsbilder zu malen oder Szenen darzustellen, die sonst nicht möglich wären. Und wenn Malala mit Elan, Begeisterung und Esprit über die Chancen redet, die sich ergeben, wenn andere ihrem Beispiel folgen und den Mund aufmachen, dann spürt man, dass dieses Mädchen niemals aufgeben wird zu kämpfen. Für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung und gegen das Regime der Unterdrückung und des Terrors. Ein inspirierender Film und ein eindrucksvolles Porträt einer ganz besonderen Persönlichkeit.
Jurybegründung:
Dieser Film musste gemacht werden - gut, dass er so gemacht wurde. Die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai ist in den letzten Jahren immer mehr zur Heldin des Widerstands gegen die Unterdrückung von Frauen und Kindern in muslimischen Terrorsystemen geworden. Als 15-Jährige widersetzte sich die Pakistanerin den Taliban, die ihre Heimat, das Swat Tal, beherrschten und den Mädchen dort verboten, in die Schule zu gehen. Nachdem sie öffentlich gegen diese Maßregel protestiert hatte, wurde Malala in ihrem Schulbus durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt. Nach ihrer Genesung emigrierte sie mit ihrer Familie nach Großbritannien und engagiert sich seitdem für das Recht von muslimischen Mädchen auf Bildung. Nicht erst durch die Verleihung des Friedensnobelpreises im Jahr 2014 wurde sie zu einer Ikone des Kampfes für Toleranz und das Recht auf Bildung. Die inzwischen 18-Jährige spielt diese Rolle als öffentliche Person perfekt. Sie hält Reden vor großen, bedeutenden Versammlungen, spricht sympathisch und sehr eloquent vor den Fernsehkameras und reist in internationale Krisengebiete, wo sie wirkungsvoll als eine Symbolfigur agiert. Hinter all dem droht der Mensch Malala zu verschwinden. Die große künstlerische Leistung von Davis Guggenheim besteht nun darin, diese Diskrepanz deutlich zu machen. Deshalb ist es so wichtig, wenn er seinen Film mit alltäglichen Aufnahmen aus der Familie beginnt. Da beklagt sich etwa ihr kleiner Bruder darüber, wie schlecht sie ihn behandelt. Später zeigt er, wie sie, ähnlich den meisten Mädchen in ihrem Alter, für gutaussehende Sportler und Schauspieler schwärmt und so gelingt es ihm, ein interessanteres und komplexeres Bild von Malala zu zeichnen, als zu erwarten war. Sie erzählt von ihren Schwierigkeiten in der Schule (wegen den vielen Fehlzeiten ist sie keine Musterschülerin mehr) und auch davon, dass sie trotz ihres aufregenden Lebens und der Wertschätzung, die ihr überall entgegengebracht wird, Heimweh nach dem Swat Tal hat. Wenn Malala es vermeidet, vor Guggenheims Kamera von dem Angriff, ihren furchtbaren Verletzungen, ihren Schmerzen und Ängsten zu sprechen, thematisiert er eben diese Verweigerung in einer sehr dezenten, und dadurch umso bewegenderen Gesprächssequenz. Und der Film macht auch deutlich, in welchem Ausmaß Malalas Persönlichkeit durch ihren Vater geprägt wurde, der ihr als Lehrer von frühster Kindheit an eine Liebe zur Schulbildung und einen Sinn dafür, dass auch Frauen stark sein und sich wehren können, einimpfte. So gab er ihr den Namen der Heldin einer pakistanischen Legende, die ihr Volk zum Kampf gegen die Unterdrücker aufrief und dabei umkam. Diese Geschichte wird im Film durch sparsame und märchenhaft wirkende Animationen illustriert und in diesem Stil inszeniert Guggenheim auch Bilder von der Kindheit von Malalas Familie im Swat Tal, von der schleichenden Machtübernahme durch die Taliban und dem Anschlag auf das Mädchen. Durch die Wahl dieser Mittel und die sehr einfühlsame Art, mit der er nicht die Funktion und das Schicksal, sondern die Persönlichkeit von Malala in den Mittelpunkt stellt, vermeidet er jedes Pathos und zeichnet keine Heldengeschichte, sondern erzählt stattdessen von einer jungen, klugen, mutigen Frau, der man im Lauf des Films erstaunlich nah kommt.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)