Man weiß nie, worauf der Filme eigentlich hinauswill. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er chronologisch merkwürdig zusammengebaut ist; dass die Stationen der Biographie von Li Cunxin oft ganz einfach abgehandelt werden, ohne in Zusammenhang gesetzt zu werden; dass er deshalb ziemlich disparat wirkt; dass er zu lang ist.
Zunächst scheint es die Geschichte eines Culture Clash zu sein, als im Houston des Jahres 1981 Tänzer Li ankommt und erstmal alles bestaunt: Wolkenkratzer, Mixer, Mall und Geldautomat sind völlig neu für ihn. Kontrastiv dazu sind die Szenen seines bisherigen Lebens im China des Mao-Systems geschnitten, wie er vom Dorf seiner Eltern für die Pekinger Kunstakademie auserwählt wird, wie er dort zum Tänzer gezüchtet und ideologisch indoktriniert wird.
Dem schließt sich direkt das an, was im Fußball als Nachtreten mit roter Karte geahndet würde: die Lächerlichmachung der kommunistischen Propaganda wider den bösen kapitalistischen Westen mit den Schauermärchen angeblicher andauernder Finsternis, und dem angeblich geringen Lebensstandard im angeblichen Gegensatz zum ach so reichen China: lächerliche Aussagen, gewiss, die der Film aber unnötigerweise noch weiter denunziert, indem er im Gegenschnitt das Gegenteil beweist; dazu kommt das Pekinger Konzept politischen Balletts mit eingebautem Antlitz der Revolution, das als vollkommene Albernheit der Chinesen inszeniert ist. Wie das gezeigt wird, ist allzu deutliches Hohnlachen aus der westlich-amerikanischen Perspektive des geschichtlichen Siegers über den chinesischen Kommunismus der Mao-Zeit.
Wobei diese Haltung agitierender Gegenpropaganda nicht lange beibehalten wird, weil nun die Geschichte vom Aufstieg des Stars im Land der unbegrenzten Möglichkeiten folgt; wobei der Film, der bisher in zwei Zeitebenen erzählt wurde, nun in seiner Erzähl-Gegenwart angekommen ist und verbleibt. In Houston, bei der Sommerakademie der Ballettcompagnie, die Li im Zeichen der US-chinesischen Entspannungspolitik Anfang der 80er besuchen darf, wird er wegen seines Könnens schnell bekannt. Und dabei verrät sich der Film auch gerne mal selbst: das alte Klischee des Revuefilms wird aufgewärmt, dass Li als kurzfristiger Ersatz für den Startänzer einspringen muss, drei Stunden hat er für die Einstudierung der Don Quichote-Rolle bei der abendlichen Vorführung, die sogar Vizepräsident Bush mit Ehefrau Barbara besuchen werden. Das widerspricht freilich völlig dem, was zuvor von der harten Arbeit beim Ballett erzählt wurde, von den Entbehrungen und der körperlichen Beanspruchung; dieser Plot ist nur auf wohlfeile Emotionalisierung des Kinopublikums aus, und das allzu offensichtlich.
Billige Dramaturgie ist das, die zudem läppisch hingekloppt ist kein Wunder, es ist ja erst die Hälfte des Films um, man kann sich nicht vertiefend mit etwas befassen! Es fehlt noch eine Liebesgeschichte, bevor es wieder politisch wird wobei sich der Film abermals selbst verrät. Weil nach dramatischer Zuspitzung im chinesischen Konsulat, wo Li gefangengenommen wird und zur Rückreise nach China gezwungen werden soll, plötzlich alles wieder gut wird und das eine weitere halbe Stunde lang.
Dass Li seine Familie in China nicht mehr besuchen darf, ja: dass er nichts über sie weiß, ist nun der emotionale Konflikt, der uns freilich nie nahe geht, weil der Film mit seiner Hopplahopp-Melodram-Biographie-Dramaturgie den Zuschauer ungewollt auf Distanz hält. Am Ende dann wird es richtig heftig, wenn sich das allseitige Happy End entfaltet inklusive Familienzusammenführung und Wiedersehen mit einem alten, damals wegen konterrevolutionärer Anklage verhafteten Freund hier ist wirklich jeder happy, auch das China von heute, das diesen Film koproduziert hat. Weshalb sichtlich keine Kritik an der heutigen Volksrepublik geübt wird, die vielmehr im Schlussbild in strahlendstem Licht scheint.
Immerhin waren die Ballettszenen gut und das sage ich, der ich ansonsten mit Tanz gar nichts am Hut habe. Die Schauspieler sind auch ausgebildete Weltklassetänzer, verschiedene Ballettcompagnien, insbesondere das Australian Ballet, haben mitgewirkt, in den dokumentarisch erscheinenden Aufnahmen der Tanzvorführungen ist der Film wirklich packend.
Fazit: Immerhin leistet diese verhindert melodramatische Filmbiographie eines: dass man sich freut auf Darren Aronofskys Annäherung an und Auseinandersetzung mit klassischem Ballett in Black Swan, Kinostart im Februar.