Das Bibeldrama MARIA MAGDALENA erzählt die faszinierende Geschichte der Frau, die als weiblicher Apostel Jesus bei seiner Passion bis zu seinem Tod begleitete - und sich dafür gegen die Konventionen ihrer Zeit auflehnte.
Maria Magdalena ist eine rätselhafte Figur der christlichen Geschichte. Von den Evangelisten bereits als Begleiterin Jesus und Zeugin seiner Auferstehung erwähnt, erscheint sie doch oftmals in Texten lediglich als Randfigur. In MARIA MAGDALENA erzählt der Regisseur Garth Davis nun ihre außergewöhnliche Geschichte. Diese beginnt, als Maria als junge Frau verheiratet werden soll. Ihre Familie schätzt und liebt sie, auch wegen ihres großen Einfühlungsvermögens - und dennoch ist es ab einem gewissen Alter für eine Frau unnatürlich, nicht Ehefrau und Mutter zu sein. Maria wehrt sich gegen dieses erzwungene Schicksal. Sie spürt, dass Gott sie zu etwas anderem berufen hat. Vor allem, seit sie Jesus begegnet ist, der seit einiger Zeit in ihrem Dorf predigt. Maria spürt eine tiefe Verbundenheit zu dem Mann, den sie den Messias, den Sohn Gottes, nennen. Und so reißt sie sich von ihrer Familie los und folgt Jesus und seinen anderen Weggefährten, den Aposteln. Doch obwohl Jesus der jungen Frau von Anfang an vertraut, begegnen ihr die Apostel mit Argwohn. Eine Frau, die ihnen als Männern gleichgestellt sein soll? Die Geschichte von MARIA MAGDALENA ist nicht nur das Porträt einer ikonischen Bibelfigur, sondern vor allem auch die inspirierende Geschichte einer starken Frau, die sich gegen die Konventionen ihrer Zeit auflehnt und ihren Platz an der Seite Jesus findet - entgegen allen Anfeindungen und Zweifeln. Den geschichtlichen Hintergrund, also die willkürliche Herrschaft des Königs Herodes über ein unterdrücktes und immer stärker aufbegehrendes Volk, kann man als Zuschauer auch als klugen Verweis auf das Hier und Jetzt lesen. Die Besetzung mit Joaquin Phoenix als Jesus und Chiwetel Eijofor als Petrus ist hochkarätig. Doch es ist Rooney Mara, die den Film und die darin erzählte Passionsgeschichte trägt. Ihre Maria Magdalena ist eine Gestalt, die geprägt ist von Sanftheit und Ruhe. Doch in ihren Aussagen und in ihrem Auftreten steckt bisweilen eine solch stolze Kraft, die sie als Charakter in vielen Szenen aus dem Schatten Jesus heraustreten und strahlen lässt. Und genau das macht sie zu einer eigenständigen Heldin der Geschichte und damit auch zu einer Identifikationsfigur. Zusammen mit einem epischen Score, einer Kamera, die die atemberaubende Landschaft in Szene setzt, und einer erzählerischen Genauigkeit ist MARIA MAGDALENA damit ein gelungenes Drama, welches der biblischen Passionsgeschichte nicht nur einen neuen Aspekt hinzufügt, sondern auch einer dafür wichtigen Figur den Respekt zollt, der ihr bisher verwehrt blieb.
Jurybegründung:
Papst Franziskus gab Maria Magdalena 2016 ihren gleichberechtigten Platz unter den Jüngern Jesus. Zudem gilt sie als erste Verkünderin der Auferstehung Christi. Die Männer, die später mit den Evangelien ihre Version der Geschichte erzählten und sie verbannten, versteckten sich während der Kreuzigung ihres Messias und retteten ihr eigenes Leben, während Maria Magdalena Jesus in den Stunden des Leids beiseite stand und ihn in seinem Schmerz tröstete.
Der Australier Garth Davis erzählt die entscheidenden Monate ihres Lebens als klassische Passionsgeschichte vor grandiosen Wüstenlandschaften. Maria stammt aus dem kleinen Örtchen Magdala. Sie ist eine starke, unabhängige und geschätzte Frau, deren Rat bei schwierigen Geburten und Krankheiten gefragt ist. Sie sträubt sich gegen die Verheiratung durch ihren Vater und schließt sich stattdessen dem kleinen Trupp um den neuen Messias an. Sie wird selbst getauft und sorgt dafür, dass auch die Frauen ihre Scheu überwinden und zum neuen Glauben übertreten.
Maria erlebt einige Wunder mit, die Jesus bewirkt, und erweist sich selbst als stark im Glauben. Sie gewehrt allen Liebe, Mitgefühl und Gnade. Gemeinsam mit den Jüngern und Jesus pilgert sie zum Pessachfest in den Tempel von Jerusalem, wo Jesus verhaftet und gekreuzigt wird.
Bei der Neuerzählung des Lebens Maria Magdalenas meistert der Regisseur den Spagat, Maria endlich als gleichberechtigte Anhängerin Jesus einzuführen, ohne die Traditionalisten in der Katholischen Kirche zu vergrätzen. Der Film wirkt wie eine Ergänzung des Neuen Testaments. Maria wird weder zur Feministin noch zur Revolutionärin hochstilisiert, sie stellt weder die archaisch-patriarchalischen Familienstrukturen der damaligen Gesellschaft in Frage noch fordert sie für Frauen die Gleichberechtigung ein. Und auch Jesus, ein eher in sich gekehrter Heiland, der hier schwer an seiner Last zu tragen hat, bringt nur verbal seine Überzeugung zum Ausdruck, dass Frauen und Männer vor ihrem Schöpfer gleich seien. Taten folgen diesem Lippenbekenntnis kaum.
Die Autorinnen nehmen weitere Änderungen der überlieferten Geschichte vor, die sicher für Gesprächsstoff sorgen werden. Da ist zum einen Judas, der Jesus nicht für Geld verrät, sondern dem Irrglauben aufsitzt, nach der Verhaftung des Messias werde sich das Volk von Jerusalem erheben und so jene Gesellschaft schaffen, in der er seine verhungerte Familie wiedersehen kann.
Zum anderen randaliert Jesus im Tempel im Stile Martin Luthers vor 500 Jahren in der Schlosskirche von Wittenberg, wenn er die Schlachtung von Schafen als Opfergaben als Ablasshandel anprangert. Hier lassen sich auch aktuelle Deutungen und Parallelen zu Herrschaftssystemen finden, die sich von ihren Idealen entfernen.
Der Film wird von Rooney Mara über alle Klippen getragen, sie vereint Sanftmut und Stärke und schenkt mit einem Lächeln im Gesicht Hoffnung und Trost. Sie wird als wahre Botin des Christentums gefeiert, den Weg in ein besseres Leben in sich selbst zu suchen.
Das Setting ist überzeugend, die Ausstattung stimmig, die Kamera taucht das Geschehen in ein sanftes Licht. Insgesamt entsteht ein rundes Zeitgemälde Judäas zur Zeit der Kreuzigung Christi.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)