Metzger sind wunderbare Typen für einen schrägen Film. Dick, mit ungeschlachtem Gesicht, zerrütteten Gefühlen geht auch in Meat der Metzger seinem Handwerk nach, mit dem üblichen Handwerkszeug: scharfe Hackmesser, die tief ins Fleisch schneiden, das dann rot und blutig in der Auslage ausgestellt ist. Im Metzger verbinden sich Horror, Ekel und bizarre Komik, weil hier der Mensch ganz Mensch ist: ein Schlächter, der für Nahrung sorgt, der humane Gefühlsduselei in seinem Job ausschalten muss, Mitgefühl mit der Kreatur etwa oder Widerwille vor dem Inneren diverser Lebewesen
Der Metzger: das ist auch die Verkörperung der Fleischeslust. Der Beruf des Tötens und Schlachtens geht im Metzger-Mythos einher mit roher, reiner, triebhafter Sexualität. Klar, dass es auch in Meat der Metzger mit der Verkäuferin namens Roxy treibt, standesgerecht in der Kühlkammer, zwischen den Schweinehälften. Bei ihm geht die Liebe nicht vornehm durch den Magen, sondern aus dem Mund ins Ohr: süße Schweinereien flüstert er Roxy zu, es geht ums Lecken und Auffressen, und natürlich benennt er sie mit diversen Tiernamen.
Während seine Frau ihn offen und unverhohlen betrügt.
Die Konstellationen der Figuren des Films werden erst so allmählich klar, seine Struktur bleibt viel länger im Dunkeln. Wo sonst eine Exposition die Grundlagen der Handlung, ihre Voraussetzungen und Bedingungen erklärt, werden hier erstmal Bilder und Szenen gesetzt, deren Zusammenhang nur erahnbar ist, die immer wieder auf Sexszenen hinauslaufen, die nicht wirklich erotisch, sondern kühl und distanziert wirken.
Der Metzger, seine Geliebte, seine Frau: das schält sich heraus. Doch was waren das am Anfang für Bilder: die Nackte unter Wasser in der Badewanne? Der Schmetterling auf einer Blüte? Und wer ist der Langhaarige, der dem Metzger gleicht, mit seinen Beziehungsproblemen, der in der U-Bahn-Station bestohlen wird. Ist das nicht die Polizei, wo er arbeitet? Nach 20, 30 Minuten scheint so etwas wie Handlung zu beginnen, zumindest passiert etwas: Die Frau, die der langhaarige, mutmaßliche Polizeikommissar abserviert hat, stürzt sich aus dem Fenster. Ein Schockmoment, den er mit gleichmütiger Regungslosigkeit quittiert. Und es dabei belässt.
Die Regisseure Maartje Seyferth und Victor Nieuwenhuijs bleiben auf Distanz, lassen ihre Figuren verschlossen, erhellen das Geschehen nicht, verzögern alles, was mit Handlung zu tun haben könnte, versetzen das Geschehen mit rätselhaften Szenen und immer wieder mit Liebesspielen und es ist gar nicht langweilig. Weil von vornherein klar ist, dass dies ein Mysterienspiel ist, ein Rätsel um Fleisch, Sex, Erotik, Liebe, Eifersucht, Mord, das gar nicht aufgelöst werden will. Sie verbinden das Disparate, und zeigen damit, wie sich die einzelnen Elemente des Films Szenen, Handlungen, Figuren selbst zersetzen.
Paradoxerweise bekommt der Film gerade dann Längen, wenn so etwas wie ein Plot einsetzt. Wenn es einen Toten gibt und der Kommissar mit seinen Befragungen beginnt, scheint der Film irgendwie im Leerlauf zu stecken; vielleicht liegt es daran, dass wir nun in einem Kriminal-Ermittlungs-Stadium sind, das auch in einer Form, die mit den Genres, mit den Erwartungen bricht, eine Lösung irgendwelcher Art einfordert. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass sich Unzusammenhängendes häuft, ohne sich zu steigern. Auch wenn es bizarre Witzigkeiten gibt, wie der Freund von Roxy, der als Tierschutz-Aktivist als Täter in Frage kommen könnte; auch wenn immer wieder diverse Sexszenen eingestreut sind, die nicht weiter von der Handlung oder von den Figuren motiviert sind.
Vielleicht liegt die latente Langeweile im Mittelteil auch daran, dass der Film sich hier wandelt, sich verpuppt hat und sich deshalb nicht mehr so viel bewegt. Denn und das gibt dem Film so, wie er ist, vom Ende her gesehen wieder seine volle Berechtigung: Was zu Beginn ausgesehen hat, als hätte Aki Kaurismäki mit den farbentsättigten, artifiziell steril gehaltenen Bildern des modernen Kunstkinos eine abgespeckte Delicatessen-Version verfilmt, entpuppt sich nun als wortkarge David-Lynch-Variation. Das plakativ Fleischliche, die Motive von Doppelgängern, Parallelhandlungen, die aus Parallelwelten stammen können, räumliche und zeitliche Unproportionalitäten: das Bizarr-Grotesk-Traumhaft-Mysteriöse erhält nun eine letzte Logik, nämlich die, dass es keine gibt und geben kann. Die Wurst mag zwei Enden haben; das Fleisch hat keines, kennt nur Verbindung und Auflösung. Und dahin taucht der Film ein: wo die fleischliche Verbindungen sich auflösen, und wo die Auflösungen, die Verwesungen sich verbinden.
Fazit: Bizarr-traumartiges Erotikdrama, offen mystifiziert Kaurismäki und Lynch geben sich hinterrücks die Hand.