Das Böse ist nicht nur immer und überall, es hat auch Konjunktur. Gerade erst stand mit Ich einfach unverbesserlich im Animationsfilm der traditionelle genialistische Schuft im Mittelpunkt, nun also schmiedet Megamind, der liebenswert chaotische nosferatu-hafte Sardonikus aus dem All im theatralischen Umhang-Outfit seine sinisteren Pläne. Und natürlich ist jeder Schurke immer interessanter als der Held.
Da sprühen auch ordentlich die Funken, wenn Madagaskar-Regisseur Tom McGrath das Genre des Superhelden-Comics auseinander- und auf die Schippe nimmt, wobei die Figuren selbst die Standards launig kommentieren. Wunderbar eitel und schmierig-souverän wird Held Metro Man als Superman-Abklatsch gezeigt und von seinen Fans (= der ganzen Stadt) gefeiert, wobei er mit Babies jongliert und sich jovial seine Posen zum Besten gibt.
Ja ja, Buh-buh, kann hingegen der arme-böse Megamind gegen die Anfeindungen nur zurückätzen, die hübsche Reporterin Roxanne kidnappen und ihr alle futuristischen Mord- und Folterwerkzeuge vorführen. Zu sehr kennt sie (und wir) das Spiel allerdings, und eigentlich fragt man sich als Zuschauer schnell, was Neues der neue Dreamworksstreifen hier einem bieten möchte. Doch als dann der saubere Superheroe als Skelett im Cape vor Megaminds Füßen liegt, ist nur einer erstaunter als wir: der Fiesling selbst.
Was dann folgt, erinnert ein wenig an M. Night Shyamalans Unzerbrechlich und ist natürlich ganz anders: viel bunter und auf Speed. Aber auch hier ist ein Schurke auf der Suche nach dem verlorenen Helden, auf jemanden, der ihn in seinem Tun definiert. Und dabei geht es drunter und drüber zwischen Genre-Parodie, Persiflage und Philosophie, zwischen Brechen, Kommentieren und Auf-den-Kopf-Stellen.
Wie Madagaskar zeigt sich auch Megamind mit einer überbordenden Stimmung, die trotzdem bisweilen einen bemerkenswert trockenen Humor aufweist. Manchmal tobt der blanke Blödsinn, so wenn Megamind als Marlon-Brando-Karikatur den Sternen-Papa aus Richard Donners Superman (1978) gibt, um seinen neuen Heroen Tighten zu einem solchen zu erziehen. Dann wieder gerade zum Finale herrscht hemmungslose Action- und Zerstörungswut durch die Hochhausschluchten als gäbe es kein Morgen mehr.
Und trotz all diesen wunderbaren Anlagen bleibt Megamind ein ganz kleinbisschen fade. Vielleicht ist die Story doch zu dünn und zu sehr auf den einzelnen Moment und den schnellen Lacher hin konstruiert, vielleicht verheddert sich McGrath aber auch ein wenig in seinem Stoff selbst.
Es fängt damit an, dass Megamind (in der deutschen Version von Bastian Pastewka gesprochen, im Original von Will Ferrell) einfach nicht böse genug daherkommt. Von Anfang an machen begleiten wir ihn auf seinem Lebensweg, aus seiner Sicht, und Leid tut er uns, der Arme, der einfach nur geliebt werden und seinen Platz im Leben finden will. So das Böse zu erklären, geht ja in Ordnung für einen kindgerechten Film. Aber wenn man schon von vornherein auf diese Weise seinen Außenseiter-Antihelden gebrochen bekommt, fällt es schwer, all das Och und Ach mit spaßiger Diabolik wettzumachen die schlicht in Megamind einfach zu kurz kommt. Klar, Bilder aus dem Museum klaut Megamind, malt das Rathaus blau an und unterjocht die Stadt. Doch gerade von Letzterem bekommen wir eigentlich nichts mit. Ach, er hat einfach nicht nur schon vom Start weg ein zu großes Gehirn in seinem Schädel, der Megamind, sondern auch ein viel zu liebes und einsames Herz in der schmalen Brust. Dass er am Ende der Held ist, ist ebenso vorprogrammiert, wie ein bisschen zu selbstverständlich und ohne große Höhen und Tiefen dahererzählt. Ich einfach unverbesserlich mit seinem Gru als eine Mischung aus James-Bond-Finsterling und Ebenzer Scrooge aus Dickens A Christmas Carol bietet mit seiner echten anfänglichen Menschenfeindlichkeit da beispielsweise schlicht mehr, wenn auch nicht unbedingt etwas Neues. Der Freundschaft zwischen Roxanne und Megamind, der in Gestalt eines feschen Bibliothekars auftaucht, geht McGrath dagegen recht lustlos an.
Wiederum zu lebensecht und damit unheimlich kann einem Tighten / Titan werden. Erst nerdiger Kameramann und Kollege Roxannes, baggert er die hübsche heillos an, ehe er durch Zufall Metro Mans Superkräfte erbt. Mit denen versucht ihn Megamind auf Heldenniveau zu bringen. Doch dass aus großer Kraft große Verantwortung erwächst, hat vielleicht Spider Man verinnerlicht, dem dicken Rotschopf ist das hingegen egal. So klaut er und wird zum halben Psycho aufgrund von Roxannes Abfuhr. Tighten, eine Realversion Megaminds, wird hier zum richtigen Schurken, einen den die wohlfeinen (zumindest klassischen) Comicregeln von Gut und Böse nicht mehr zu bändigen wissen. Der Nerd das lehrte uns nach Unzerbrechlich schon The Incredibles Die Unglaublichen (2004) ist eben doch der Schlimmste, der Meta-Mind.
Um seinem eigenen Geist aus der Flasche Herr zu werden, zettelt Megamind schließlich eine Wendung nach der anderen an und kümmert sich auch nicht um irgendwelche wüsten Plot-Hasen, wenn sie einmal aus dem Hut gezogen werden. Am Ende ist freilich alles ein bisschen zu sehr so, wie es sein sollte und Megamind letztlich genau den Normen, Standards und Werten erlegen, die er vorher noch beherzt aufs Korn genommen hat. Welche Drehungen und Wendungen dafür es auch immer braucht.
Aber, na ja, vielleicht gehts halt nicht anders. Und selbst wenn nicht jeder Gag sitzt und der Film ein klein wenig zu oberflächlich daherkommt, als dass man mit Herz und Verstand noch nach dem Abspann sonderlich dran hängenbliebe, ist Megamind schon eine vergnügliche Sause.
Fazit: Zwischen Parodie, Persiflage und Hommage verheddert sich Megamind im Genre der Comic-Superhelden, nicht zuletzt weil seine Superschurken-Hauptfigur zu lieb daherkommt. Trotzdem: dank Irrwitz und Tempo sehenswert.