Eyad ist Palästinenser in Israel. Sein Vater glaubt an die Unabhängigkeit seines Volkes, will aber auch, dass die Schulbildung seines hochintelligenten und begabten Sohnes an erster Stelle steht. Und so kommt Eyad Ende der 1980er Jahre auf eine Eliteschule in Jerusalem. Dort ist er als Araber ein Außenseiter und findet nur schwer Kontakt zu seinen Mitschülern. Nur Naomi, ein israelisches Mädchen, findet Gefallen an seiner ruhigen Art. Und auch dem im Rollstuhl sitzenden Yonatan ist es egal, was oder wer Eyad eigentlich ist. Doch für Eyad selbst wird es immer schwieriger, den Drahtseilakt zwischen den Kulturen, Religionen und politischen Ansichten auszubalancieren. Und dabei nicht sich selbst zu verlieren. Zu Beginn des Films von Eran Riklis, der auf dem Roman „Dancing Arabs“ von Sayed Kashua basiert, ist die Stimmung noch von kindlich-heiterem Spaß geprägt. Interkulturelle Missverständnisse zwischen Palästinensern und Isrealis gehören zum Alltag in Eyads Heimatdorf. Je erwachsener Eyad wird, desto komplexer und dramatischer gestalten sich allerdings die Schwierigkeiten. Glaubwürdig verkörpert Tawfeek Barhum dabei einen jungen Mann, der innerhalb der politischen Unruhen seine eigene Position im Leben sucht und dabei mit mancher Hürde konfrontiert wird. Sämtliche Charaktere sind mit liebevollem Einfühlungsvermögen gezeichnet, fern von Klischees oder Abziehbildern. Auch die Schauspielführung durch die Regie sowie die Dialoge und die beeindruckende Kameraarbeit wirken sensibel und klug durchdacht. Dem Zuschauer wird es leicht gemacht, jede Position im Film nachvollziehen zu können, um sich dann seine eigene Meinung zu bilden. Wie nebenbei und zwischen den Zeilen vermittelt sich auch ein geschichtlicher Exkurs über den jahrzehntelangen Konflikt zwischen Israel und Palästina, die auch heute noch ungelöst besteht. In erster Linie aber ist MEIN HERZ TANZT ein angenehm ruhig erzählter und berührender Film mit vielen kleinen wahrhaftigen Momenten und Erkenntnissen. Ein Film über Freundschaft, Respekt, das Erwachsenwerden und das Finden der eigenen Stimme und Identität.
Jurybegründung:
Arabern fällt es schwer das ‚P‘ richtig zu artikulieren, wohingegen Israelis Probleme mit der Aussprache des Namens Eyad haben. Das sind Schwierigkeiten, die sich im Verlauf von MEIN HERZ TANZT in Luft auflösen werden, andere Schwierigkeiten aber werden bestehen bleiben.
Eran Riklis Spielfilm begleitet Eyad, der Ende der 70er Jahre als Palästinenser in Israel aufwächst. Der blitzgescheite Junge ist in der Nachbarschaft beliebt, auch wenn sich sein Vater, der einst als Terrorist verhaftet wurde, als Tagelöhner durchschlagen muss. Ende der 80er Jahre wird Eyad als erster Palästinenser an einer Elitekunsthochschule in Jerusalem angenommen. Er verlässt seine Familie, um sein Studium unter Israelis aufzunehmen. Dort lernt er nicht nur eine neue Sicht auf die Lage der Palästinenser kennen, sondern freundet sich auch mit dem schwer erkrankten Israeli Yonatan an.
Mit Herz und Humor greift MEIN HERZ TANZT das tägliche Misstrauen und die Schikanen auf, denen sich Palästinenser ausgesetzt sehen. Aber Regisseur Eran Riklis Film klagt nicht bloß an. Mit Interesse hat die Jury wahrgenommen, dass er auch ein wenig Lachen über den Wahnsinn gestattet, der seit Jahrzehnten den Alltag der Region bestimmt. Diese Leichtfüßigkeit kann auch jenen Zuschauern den filmthematischen Zugang erleichtern, die sich mit politischen Themen eher schwer tun. Gleichwohl hat sich die Jury vorstellen können, dass sich politisch interessierte Kinogänger, besonders zu Beginn des Filmes, mit dem stark ausgeprägten Humor schwer tun könnten. Hier verliert der Film ein wenig seiner starken Gesamtwirkung. Auch die deutsche Synchronfassung wurde von der Jury kritisiert.
Dennoch ist sich die Jury sicher, dass MEIN HERZ TANZT über so viel Esprit und Kraft verfügt, dass über diese Defizite schlichtweg hinweggesehen werden darf. Mit genauso viel Mut wie Unterhaltungswert wagt sich der Film an ein komplexes Thema und vermag Tabus scheinbar mühelos zu brechen.
Besonders beeindruckt zeigte sich die Jury von den wirklich liebevoll entwickelten Charakteren. Riklis zeichnet das überzeugende Portrait eines Teenagers, der sich nicht nur durch die Pubertät kämpft, sondern es auch noch mit seiner kulturellen Identität und deren Ablehnung durch seine Umgebung zu tun hat. Hilfe bekommt er von der israelischen Mitschülerin Naomi, in die sich Eyad verliebt, und von seinem „Sozialprojekt“, dem sterbenskranken Yonatan und dessen Mutter, denen er wie ein Bruder und Sohn zur Seite steht.
In Szenen der Nähe hebt der Film das Thema Integration, bzw. Inklusion auf ein besonderes Niveau. Wenn er mehr oder weniger implizit die Antwort darauf gibt, ob man von Geburt an Araber, Israeli oder behindert ist, oder aber erst im Laufe der Zeit dazu gemacht wird, dann ist schon viel in Sachen des Miteinander gesagt.
MEIN HERZ TANZT ist ein außergewöhnlicher Film über Grenzgänge, der mit unverhofftem Schwung und Leichtigkeit, aber gänzlich ohne Pathos, vom schwierigen Verhältnis von Palästinensern und Israelis erzählt.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)