Irgendwann steckt Kotschie mitten in der Nacht fest. Im Scheinwerferlicht unnatürlich rot beleuchtet, steht er da an seinem Auto, und ihm ist unheimlich. Da streift doch ein Wolf dort durch die Büsche?! In dieser Szene ist die unwirkliche Atmosphäre des Films nochmals potenziert, in höchster Konzentration eingedampft und danach sitzt ein zotteliger Hund in Kotschies Auto. Der wird von jetzt an sein einziger Freund, sein einziger Vertrauter sein. Weil er zuhört oder zumindest so aussieht , und weil er selbst nicht redet.
Jürgen Kotschie wird bald 50, und das ist fast das einzige, was seine Frau interessiert: wie die Party ausgestaltet werden soll, vor allem welcher Partyservice der beste ist. Ein zweites liegt ihr am Herzen: der Gartenschlauch ist kaputt. Wie im Schlauch der Wasserdruck nachlässt: das ist ein bezeichnendes Symbol für die Beschwernisse des alternden Mannes. Der Sohn Mario beachtet Kotschie nur, wenn er mal den A 6 ausleihen will. Und Kotschies gebrechlicher, pflegebedürftiger Vater redet überhaupt nicht, sondern klammert sich stets an die Fernbedienung, die er immer und überall hin mitnimmt. Nur wenn er eine rote Rose sieht: dann küsst er die Schwiegertochter. Und einer Frau mit dickem Hintern steigt er auf dem Friedhof nach.
Kotschie dagegen macht gar nichts, scheint gar nicht mehr vorhanden zu sein für die anderen. Im Baumarkt fühlt sich keiner für ihn zuständig, selbst die automatische Schiebetür beachtet ihn nicht. Da hat er dann bei den Kettensägen Gewaltphantasien, heftig spritzt das Blut rot, das ist ohnehin seine Farbe, das Leitmotiv des Films, den die Spuren von Rot durchziehen als Faden, an dem sich Kotschie festklammert.
Überhaupt arbeitet Regisseur Norbert Baumgarten mit kräftigen Primärfarben, der gelbe Gartenschlauch auf der fetten grünen Wiese etwa: das ist visuell überzeichnet, ganz irreal, wie auch für Kotschie sein Leben weniger und weniger real vorkommt; es findet quasi nicht mehr statt. Was eine Menge komischer Situationen heraufbeschwört, die mehr oder weniger episodisch aneinander gereiht sind und dennoch ein präzises Gesamtbild von krisenbehafteter Männlichkeit ergeben.
Und so vermischen sich auch Traum und Wirklichkeit. In einem leeren Hotel, an dem die Rezeptionsklingel nicht funktioniert ohnehin ein unwirklicher Ort hat Kotschie eine schöne Phantasie von seiner ehemaligen Geliebten; in diesen Traum bricht aber unversehens seine Frau ein, und so ist es eben mit allem: mit dem, was einmal schön war, kann Kotschie nichts mehr anfangen, will ihm alles profan geworden ist. Und keiner hilft ihm: bei seinen Schweißausbrüchen, bei Schwindel und Schlaflosigkeit diagnostiziert der Arzt eindeutig männliche Menopause, und bricht zusammen mit seiner Krankenschwester in unbändiges Gelächter über Kotschies Zustand aus.
Tatsächlich beweist Baumgarten ausgesprochenes Gespür dafür, den verwirrten, von allem ausgeschlossenen inneren Zustand von Kotschie in treffliche Bilder zu übersetzen, in kleine Szenen, die so komisch sind, wie es nur die Tragik eines in pathetischem Selbstmitleid versinkenden Mannes in der Krise sein kann, der kein Ziel mehr sieht, der sich keine Aufgabe mehr stellen mag. Und sehnsuchtsvoll blickt er der Baumliebhaberin nach, die sich an eine dicke Eiche gekettet hat und nun von der Polizei abgeführt wird: immerhin hat sie etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt...
Doch Kotschie, selbst als er mal tatsächlich etwas tut und nach Osnabrück ausbricht, wo seine Ex-Geliebte wohnt mit dem Mädchen, das wohl seine illegitime Tochter ist: selbst da versagt er. Und es bleibt nichts übrig außer einem ausgeliehenen Vater-Tochter-Nachmittag im Vergnügungspark, wüsten Beschimpfungen und einem leeren Bankkonto.
Fazit: Wunderbar in seiner Unwirklichkeit aufgehendes Porträt eines Mannes in der Krise, das die existentielle Tragik der Hauptfigur in komische Momente zu übersetzen vermag.