Von jeher und in den verschiedensten Kulturen umgibt den Spiegel eine Vielzahl von Mythen und Mysterien. Reflektierende Flächen galten lange Zeit als magisch, als Projektionsflächen für die Träume und Ängste der Menschen, als übernatürliche Fenster in die Zukunft oder direkt in die Seele derer, die hineinblickten. In seiner Adaption des koreanischen Horrorfilms Into The Mirror macht der französische Regisseur Alexandre Aja (The Hills Have Eyes Hügel der blutigen Augen) die Spiegel zum zentralen Motiv der Geschichte.
Spiegel, richtig inszeniert, haben etwas Unheimliches an sich. Hierzulande erinnern sich die älteren Semester vielleicht an die Verfilmung des Kinderromans Das Haus der Krokodile von Helmut Ballot, 1976 von der ARD ausgestrahlt, mit Tommi Ohrner in der Hauptrolle. Eine Serie für Kinder zwar, aber zumindest in der vagen Erinnerung an damals mit einer zutiefst verstörenden Szene, als der junge Protagonist, allein zuhaus, in einem Spiegel ganz kurz die schemenhaften Umrisse eines maskierten Mannes sieht. Jemanden, der nur eben dort, im Spiegel, zu erkennen war und schon die Sekunde später, die man benötigt, um sich umzudrehen, wieder verschwunden ist.
Mirrors ist ganz eindeutig nichts für Kinder. Der Film hat einige äußerst brutale Szenen, blutig, schmerzhaft allein beim zusehen. Aber vor allem spielt er mit jener unterschwelligen Angst, dass der Spiegel mehr zeigen könnte, als das bloße Auge zu erkennen vermag. Der Spiegel offenbart das, was hinter einem liegt, was dem nach vorne gerichteten Blick eigentlich verborgen bleibt und bleiben müsste. Das Spiegelbild als physikalische Reflektion von Licht, als rational erklärbares optisches Phänomen? Nicht in Mirrors: Hier führen Spiegelbilder ein alptraumhaftes Eigenleben, gesteuert von einer übersinnlichen, bösartigen Macht.
Auch Hauptdarsteller Kiefer Sutherland äußert sich fasziniert von dem Motiv: Spiegel fordern uns automatisch heraus, in unser Inneres zu blicken. Der Schauspieler gibt in Mirrors erneut einen gebrochenen, schwer traumatisierten Antihelden, nach dem Tod seines Partners zerfressen von Schuld und Wut, der sich durch sein unberechenbares Temperament und die Alkoholsucht immer mehr von seiner Familie distanziert hat und jetzt Gefahr läuft, seine Liebsten endgültig zu verlieren. Sutherland macht das richtig gut, keine Frage ganz offensichtlich hat er sich nach den mittlerweile sieben Staffeln der Echtzeit-Serie 24 auf dieses latent masochistische Rollenbild des leidenden Helden eingespielt.
Wenn er allein durch das dunkle, verlassene Kaufhaus streift und über weite Teile des Films als einzige Figur vor der Kamera steht, hat Kiefer Sutherland eigentlich nur einen Konkurrenten: das Haus selbst. Das Gebäude ist gewissermaßen die großstädtische Version des haunted house, eine düstere Ruine mit unheilvoller Vergangenheit, respekt- und angsteinflößend allein durch die mächtige Architektur. Den idealen Drehort fand Alexandre Aja in Rumänien: die Akademie der Wissenschaften in Bukarest, unter Nikolae Ceausescu errichtet und nach seinem Tod im Jahre 1989 unvollendet als Bauruine zurückgelassen. Durch die gewaltigen Spiegel an den Wänden wird das ohnehin große Gebäude noch erweitert und darin Kiefer Sutherland, nicht nur physisch verloren, sondern auch emotional isoliert, allein in der Welt, immer in Gefahr, auch noch das letzte bisschen Zuneigung seiner Familie und am Ende sogar seinen Verstand zu verlieren.
Fazit: Kiefer Sutherland in einer Paraderolle als traumatisierter Antiheld, ein beklemmender, ja bedrohlich wirkender Schauplatz und einige wirklich nervenaufreibende Szenen gelungener Horror, dem unterm Strich lediglich das gewisse Etwas zum ganz großen Film fehlt.