Eigentlich ist es schade, dass der Film sich selbst eine Falle stellt. Denn er leidet gegen Ende an zunehmender Handlungsschwäche, die Verheißungen, die er selbst aufbaut, erfüllt er nicht Verheißungen von einem großen Krieg zwischen Vampiren und Vampyren, aufeinandergehetzt vom trickreich-intriganten Mr. Tiny, dem glatzköpfigen Fettwanst. Verheißungen auch von einem großen Zweikampf zwischen zwei ehemaligen Freunden, die sich nun auf verfeindeten Fronten gegenüberstehen. Der Große Vampirrat m Hintergrund hat kaum was zu sagen, das Buch der Seelen, das Mr. Tiny manipuliert hat, taucht auch gar nicht mehr auf, und offenbar waren John C. Reillys Crepsley, dessen Freund Gavner (Willem Dafoe) und der verstorbene Vincent so was wie legendäre Vampirgenerale gewesen, was aber auch keine große Rolle spielt.
In den letzten 20, 30 Filmminuten zeichnet sich ab, dass dieser Film nicht das furiose Finale haben wird, auf das alles hingedeutet hat; vielmehr trägt der Mitternachtszirkus offensiv die Tatsache vor sich her, dass er nur der Auftakt für ein Sequel ist, bei dem es dann vielleicht so richtig losgehen könnte. Das Doofe daran: Vielleicht wegen der Plotschwächen dieses ersten Teils wird der Film zumindest in Deutschland in vielen Kinos lediglich auf der Vorabendschiene programmiert, er wird allein schon deswegen kein großes Publikum erreichen, und weil er kein großer Boxoffice-Erfolg sein wird, wird es auch vielleicht überhaupt kein Sequel geben. Und der Film wird allein stehen bleiben müssen, auf Beinen, die im Lauf der 110 Minuten immer schwächer werden.
Dabei ist der Film an sich durchaus faszinierend: Der Cirque du Freak ist in der Stadt, eine Freakshow mit abartigen Gestalten, wie sie nur eine ausreichend groteske Fantasie und die Möglichkeiten der Digitaleffekte erschaffen können: Ein Hungerkünstler ohne Bauch, ein anderer dafür mit gleich zwei Bäuchen, in die alles mögliche reinpasst, eine Dame mit nachwachsenden Gliedmaßen, eine Wahrsagerin mit Bartwuchs Salma Hayek einer Star-Nebenrolle neben Dafoe und dem japanischen Star Ken Watanabe -, und Crepsley, der Spinnendompteur und Vampir. Er ist das Zentrum des Films, und das Zentrum des Interesses für Darren und Steve, die Teenagerjungs: Darren, der Spinnenfan, und Steve, der Vampirfan. So werden beide hineingezogen in die Welt der Mitternachtsfreaks, wo eine ganz eigene Mythologie herrscht, ein Waffenstillstand zwischen den Vampiren, die zwar Blut trinken, aber nicht töten, und den blutrünstigen und mordlüsternen Vampyren und zwischen ihnen Mr. Tiny, hinter ihnen der Vampirrat aber das eben nur in einem hypothetischen Sequel, das es vielleicht nie geben wird... Immerhin gibt es noch neun weitere Cirque du Freak-Romane, die man verfilmen könnte.
Paul Weitz geht seinen Film mit einer erfrischenden, aber unaufdringlichen Ironie an, das ist es, was den eigentlichen Reiz des Films ausmacht. Wie sich der Film immer wieder seiner selbst bewusst ist, etwa wenn Mr. Tiny sich freut auf das große Duell zweier ehemaliger Freunde, oder wenn er gleich zu Anfang zu sehen ist mit einer großen Popcorn-Packung auf dem Friedhof, bei einer Beerdigung: das genau will der Film sein, Popcornspektakel um das Schaurige, Unterhaltsames im Morbiden. Und wenn er seine Freakshow darbietet, baut er auch die Schaulust des Kinopublikums mit ein, in die Schaulust der Freakshowbesucher im Film. Missgeburten, arme Kreaturen, missgestaltete Typen anzuschauen: Was ist das für ein unanständiger, perverser Zeitvertreib! Und zugleich weiß der Film, dass genau deshalb die Leute ins Kino kommen... und dass eigentlich, hinter den abnormen Ausformungen, eben doch Menschen stecken, weil es nicht wichtig ist, was man ist, sondern wer man ist...
Die Welt des Mitternachtszirkus ist wirklich lustig, auf unschuldige Art gruslig, durchaus auch spannend, immer wieder angemessen düster etwas Tim-Burton-haftes ist zu spüren, eine Hinwendung zur Schauerromantik von E.T.A. Hoffman und den Gothic Novels im Gegensatz zur Romantikschnulze des Twilight-Films, den Paul Weitz Bruder Chris inszeniert hat. Aber was der Film zeigt, das hält dem Hintergrund halt nicht stand. Auch Darren, der vampirgewordene Jugendliche, wirkt in seiner Darstellung immer blasser, je mehr seiner Figur das Blut fehlt, das er nicht trinken mag... Und so ist dieser Film einer der seltenen Fälle, dessen wahre Qualitäten erst durch ein Sequel aufgezeigt würden so es denn einigermaßen ordentlich gemacht sein wird. Erst, wenn die Geschichte weitergeht, wird sie sich so richtig sich entfalten können; dieser erste Mitternachtszirkus-Film ist nicht mehr als ein Vorgeschmack; und wenn wir Pech haben, wird nichts mehr nachfolgen.
Fazit: Ausflug in die morbid-schaurig-düstere-witzig-ironische Welt der Mitternachtsfreaks; allerdings leider mit abflauender Handlung zum Ende hin, die stark auf ein Sequel hindeutet, das aber noch nicht angekündigt, vielleicht noch nicht mal angedacht ist.