Jedem (Neu-)Anfang wohnt ein Zauber inne… In seinem beeindruckend authentischen Debütspielfilm zeigt Regisseur Alexander Riedel die Kehrseite des Münchner Glanzes und konzentriert sich episodenhaft auf drei krisengeplagte Lebensläufe. Jochen, Ulrike und Judith sind um die vierzig, unzufrieden und an entscheidenden Wendepunkten angelangt: Der alternde Hippie sucht einen Weg aus dem sozialen Milieu durch ein verändertes Äußeres und den Einstieg in die Versicherungsbranche, die frisch Getrennte schult zur Masseuse um und die alleinerziehende Mutter sehnt sich in der Enge von Heimarbeit und trister Wohnsiedlung nach den vergangenen Abenteuern als Stewardess. Verpuppung und Aufbruch sind die existenziellen Themen, die der Filmemacher mit bewegter Handkamera und der hervorragenden Leistung seiner grandios agierenden Darsteller vermittelt. Die alltäglichen Gefühle von Tristesse, Einsamkeit und der Wunsch nach Wegen aus der Sackgasse erzeugen die Drei beim Zuschauer über ihre einfühlsame Mimik, kleine Gesten und den sparsam verwendeten Dialogen. Glaubwürdig, reich an Nuancen und tragisch-schönen Momente!
Jurybegründung:
Jenes wunderschöne München, das zu Beginn und am Ende des Films in einem Lied besungen wird, taucht in Alexander Riedels Studie dreier Menschen zwischen der Bürde des Alltags und den Träumen von einem besseren „Morgen“ nicht auf. Es ist das München trister Neubausiedlungen, in denen zehn Quadratmeter Garten schon Grund sind, den Mietpreis astronomisch in die Höhe zu treiben. Alle drei Protagonisten sind Menschen um die vierzig, die sich irgendwie in ihrem Leben eingerichtet haben, aber nicht glücklich werden. Da ist die allein erziehende Mutter, die einst als Flugbegleiterin ein recht spannendes Leben führte und nun mit diversen Variationen von Telefonservice und anderen Heimtätigkeiten ihren Unterhalt verdient, da ist der junge Mann, der nach Jahren des „Zu sich Selbstfindens“ versucht, nicht nur sein äußeres Image zu verändern, sondern auch als seriöser Berater einen neuen Weg zu finden. Und da ist die so eben von ihrem Freund verlassene ehemalige Mitarbeiterin eines Jugendamtes, die als Masseurin neu anfangen möchte.
Daraus ist ein Spielfilm in realem Umfeld entstanden, der in raschen Schnitten dem Lebensweg seiner drei Hauptfiguren über mehrere Tage hinweg folgt. Der junge Mann beginnt seinen neuen Lebensabschnitt als Versicherungsvertreter und landet in einer Schauwohnung genau gegenüber der fernwehkranken Alleinerziehenden, was zu einer sexuellen Begegnung der beiden führt. Die Dritte in diesem kleinen Reigen sucht einen anderen Ausweg aus ihrer Lebensmisere und feiert am Schluss ihren 40. Geburtstag an der Isar, als Insekt verkleidet mit gleichgesinnten, sprich ebenfalls betrunkenen Kolleginnen.
Ob die Drei wirklich ein besseres Morgen erleben werden, bleibt ein Geheimnis, so wie dieser Film vieles in der Schwebe hält, viele Fragen offen lässt und seine Hauptfiguren am Ende sich selbst überlässt. Die gute Kamera, sehr gute Darsteller und in ihrer sterilen Modernität eindrucksvolle Schauplätze - Hochhäuser, kahle Wohnungen und Bürogebäude mit viel Stahl und Glas - verleihen dem Film eine starke Authentizität. Dennoch wirkt die Dramaturgie an manchen Stellen für einen Spielfilm zu stark im Dokumentarfilm-Genre verhaftet und auch der Schlussakkord mit den drei als Insekten verkleideten Damen am Isarufer überzeugt nicht und wirkt leider aufgesetzt und unbeholfen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)