Ja: Rhys Ifans ist großartig als Howard Marks, der zum großen Haschisch-Tycoon im Großbritannien der 70er und 80er aufsteigt. Dennoch fragt man sich, warum der Film eigentlich gedreht wurde. Denn Regisseur Bernard Rose scheint selbst nicht so ganz zu wissen, worauf er sich konzentrieren soll. Und eine ähnliche Geschichte von Auf- und Abstieg eines Drogengroßhändlers hat man ja auch schon öfters gesehen; in Blow zum Beispiel, mit Kokain und den USA.
Dynamisch fängt der Film an, Marks erzählt von der Theaterbühne herab seine eigene Lebensgeschichte, die Kindheit im Arbeiter-Wales, das Stipendium in Oxford bis hierhin alles in Schwarzweiß, bis er Drogen kennenlernt, dann wird der Film, sein Leben bunt. Und die Handlung zerfleddert, was zunächst noch als Übernahme von Marks zerfahrenem Verstand und seiner überbordenden Erzählkunst zwischen Lüge und Wahrheit sein könnte, sich aber dann als dramaturgisch-handlungstechnische Mängel herausstellt.
Figuren tauchen auf und verschwinden wieder, die, die bleiben, bleiben oftmals unscharf gezeichnet, und nur die wenigen, die doch scharf gezeichnet sind, beleuchten den historischen Hintergrund, die Angst der Engländer vor der IRA, mit denen sich Marks für seine Drogendistribution einlässt, die Connections, die er nach Afghanistan aufbaut in einer Zeit ohne Handy und Internet, wenn man sich über Telefone im Pub mit ein paar Codewörtern verständigen muss, das Sicherheitsnetz, das er als Informant für den MI 6 immer wieder für sich in Anspruch nimmt. In diesen Szenen erzählt der Film stringente Handlung die dann aber wieder in einer Art schnell abfolgenden Nummernrevue aufgelöst wird.
Ausgerechnet die Hauptfigur Marks verbleibt im Unklaren, und das ist das Problem: Regisseur Rose will sie offensichtlich als zutiefst ambivalenten Charakter präsentieren, lässt ihn immer wieder davon faseln, dass nicht sein Tun, sondern die Gesetze falsch seien er handle nicht moralisch, nur juristisch illegal. Und verfällt dann in opportunistische Gier nach dem immer Mehr, die die Grundform des Gangsterfilms seit seinen Anfängen immer neu durchdekliniert. Soll auch der Titel deutet es an ein freundlicher Mann sein, der Schreckliches tut; bis der Film aber zu diesem Thema kommt, ist schon allzu viel Zeit verflossen: Irgendwann holt sich Marks eine neue Identität, lässt seine Frau (Chloe Sevigny) im Pub als Wahrsagerin auftreten, belauscht einen Kunden, der viel, zu viel von sich preisgibt: fortan nennt sich Marks Mr. Nice, eigentlich ausgesprochen wie der englische Name von Nizza, er spricht sie wie das englische nett aus. Just zu dem Zeitpunkt, als er sein Drogennetzwerk global, über den Atlantik hinaus, ausrichtet.
Was hier zur ambivalenten Charakterisierung beitragen soll, wird aber im Film nur punktuell abgehakt, und das ist tödlich für den Versuch, eine vielschichtige, vieldimensionale Figur zu schaffen: dass man als Zuschauer nicht genau weiß, ob man Marks jetzt tatsächlich als ambivalent begreifen soll oder nicht ambivalente Ambivalenz also, wodurch gerade das Zentrum des Films vage bleibt. Immer wieder scheint Marks Charisma durch um dann wieder unterzugehen in einem weiteren Fass, das Rose halb öffnet, um dann doch wieder weiterzuziehen zum Nächsten.
Als oberflächliches Porträt über einen englischen Drogengroßboss, über sein privates Leben, über die Details seines Werdegangs ist Mr. Nice nicht schlecht; als Einblick in seine Persönlichkeit, als vielleicht gar übergreifende Geschichte von der Diskrepanz zwischen den eigenen Idealen und dem dazugehörenden Handeln, von Gier, von Karriere und Abstieg, vom Gefühl und Zeitgeist einer bestimmten Epoche funktioniert der Film dafür leider nicht, wenn er auch immer wieder witzig ist und mit schön konstruierten Einzelszenen aufwarten kann.
Bezeichnend, dass die Rahmenhandlung - Marks erzählt im Theater seine Biographie gar nichts mit dem Film zu tun hat und eigentlich völlig sinnlos ist Beispiel für die allzu weit schweifende und zuwenig gebündelte Erzählhaltung des Regisseurs.
Fazit: Karriere eines Drogentycoons, das sich in zu vielen Details verzettelt, ohne sich einen großen Rahmen erschaffen zu können.