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Mutzenbacher: Dokumentarfilm, der Josephine Mutzenbacher ins Heute holt. Josefine Mutzenbacher ist eine minderjährige Wiener Dirnenfigur, die aller Wahrscheinlichkeit nach der österreichische „Bambi“-Autor Felix Salten alias Siegmund Salzmann schuf. In Deutschland ist sie den älteren Semestern vor allem durch den gleichnamigen pornografischen Literaturklassiker als verruchtes Erotiksynonym bekannt. Etwas jüngere Kandidaten werden...

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Handlung und Hintergrund

News und Stories

  • Berlinale 2022: Im Zeichen des Schachbrettmusters
    Susan Engels22.02.2022

    Die Internationalen Filmfestspiele Berlin kehrten in diesem Jahr trotz hoher Inzidenzen zum physischen Festivalformat zurück. Ein Erfahrungsbericht übers Kino in Zeiten von Corona.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Ruth Beckermann

Kritikerrezensionen

  • Dokumentarfilm, der Josephine Mutzenbacher ins Heute holt.

    Josefine Mutzenbacher ist eine minderjährige Wiener Dirnenfigur, die aller Wahrscheinlichkeit nach der österreichische „Bambi“-Autor Felix Salten alias Siegmund Salzmann schuf. In Deutschland ist sie den älteren Semestern vor allem durch den gleichnamigen pornografischen Literaturklassiker als verruchtes Erotiksynonym bekannt. Etwas jüngere Kandidaten werden Kurt Nachmanns gleichnamige 1970er-Jahre-Sexploitation mit Christine Schuberth in der Hauptrolle gesehen haben, noch abseitigere Kandidaten kennen die Hardcore-Version von Hans Billian. Daran zeigt sich schon, dass es sich da eigentlich um ein etwas eingestaubtes Männerthema handelt.

    Umso erfrischender ist Ruth Beckermanns neuer Dokumentarfilm „Mutzenbacher“ geworden, der seine Weltpremiere im Encounters-Wettbewerb der Berlinale feierte. Wenn das Projekt allerdings nur darauf abgezielt hätte, den schon 1906 höchst umstrittenen pornografischen Roman mit heutigen Moralvorstellungen den Garaus zu machen, wäre es ein enttäuschender Film geworden. Aber Beckermann, die zuletzt schon rigoros in „Waldheims Walzer“ mit der österreichischen Nazivergangenheit aufräumte, ist dafür zu intelligent. Für ihr Projekt machte sie einen Castingaufruf in Wien. Männer zwischen 16 und 99 Jahren sollten sich melden und vor der Kamera Texte aus dem Originalbuch vorlesen und improvisierend spielen.

    Einerseits entsteht so vor und hinter der Kamera die spielerische Situation einer intellektuellen Umkehrung des klassischen schmuddeligen Porno-Castings: Eine Frau lässt rund 100 Männer von Jung bis Alt im Chor von „Fut“ und „Schweif“ krakelen. Noch spannender ist allerdings der Aspekt, dass Beckermann hier wortwörtlich die Wiener Männerschaft auf die Couch eingeladen hat. Die Gespräche über den Text werden zu einer Art psychosexuellem Querschnitt des männlichen Geschlechts. Die „Josefine Mutzenbacher“-Passagen dienen vor allem auch als Katalysator und Spiegel, um über Männerfantasien im Wandel der Zeit zu reflektieren und Konstanten festzumachen. Natürlich sind auch unter den Casting-Kandidaten ein paar schwarze Schafe für moralischen Entgleisungen, die etwa das pädophile Narrativ der Literatur eins zu eins in die Realität übernehmen oder etwa die ständig verfügbare und Lust habende Mädchen als Emanzipationstriumph feiern.

    Wenn aber die unterschiedlichen Generationen von Männertypen auf dem rosa Sofa aufeinandertreffen, etwa Alt-68er und Hipster, wird es richtig unterhaltsam und kurzweilig. Wobei auffällt, dass die jungen Männer sich durchgehend nach Lehrbuch fortschrittlich äußern, während die älteren Männer dafür ehrlicher sind und persönlichere Geschichten zu den Textstellen beisteuern. Und eine andere, schwer zu akzeptierende Wahrheit manifestiert sich: So abartig und verurteilenswert diese Männerfantasie „Josefine Mutzenbacher“ auch heute erscheinen mag, so faszinierend ist die obszöne Sprachgewalt und so sehr finden sich darin Elemente, die noch heute zur Grundstruktur männlicher Erotik gehören.

    Michael Müller.
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