„New Moon“ ist so ein Film, bei dem man nach dem Nutzen einer Besprechung fragen kann. Den einen ist er ohnehin kitschiger Teenie-Romanzen-Gruselkäse, den anderen, die Fans, die ihm einen Wahnsinnskinoerfolg in den USA beschert und damit gar „The Dark Knight“ vom Starterfolgsthron gestoßen haben, kümmern sich ohnehin nicht drum.
Allerdings: Wer hat (mehr) Recht?
Um gleich Farbe zu bekennen: „Twilight“ war toll und funktionierte auf seine Art großartig. „New Moon“ hingegen ist stellenweise schon eine rechte Pein. Was gar nicht mal so sehr an den Machen und dem Wie des Gemachten liegt (daran freilich auch), sondern vor allem an der Story selbst.
Chris Weitz, Regisseur u.a. von „About a Boy“ und „Der Goldene Kompass“ ist nicht Catherine Hardwicke. Die hatte der Liebesgeschichte des ersten Teils visuell sein nötigen Ecken und Kanten verliehen und gelungen die Facetten von Teenagerliebe transportiert, die einem „anderen“, geheimnisvollen Wesen gilt. Weitz hingegen inszeniert solide, hat auch einige schmucke „Überblendungen“, in denen die Zeit gerafft wird, zu Hand, leider auch nicht mehr. Zum Innenleben der Figuren bietet er keinen rechten Zugang. Vieles bleibt Behauptung, „New Moon“ eine Buchbebilderung.
Verkaufsträchtige Songs kleistern oft die Szenen zu, sind aber hübsch – und allen voran ist Kristen Steward ganz groß. Wenn man sie lässt. Leider aber kann auch sie letztlich nicht gegen den Sumpf aus Wirrheit und pathetisch verklebten Süßholzraspeln machen, in der die Handlung viel zu oft steckenbleibt, auf der Stelle tritt und in der denn auch Robert Pattinson als Edward untergeht.
Irgendwie hätte man alles schneller und vielleicht auch mit etwas mehr Schwung haben können. Vor allem die erste halbe Stunde. Bella und Edward schmachten sich an wie verrückt und mit heiligem Ernst, dazu noch Shakespeares „Romeo und Julia“ in Schule. Fast atmet man auf, wenn Edward endlich fort ist, auch wenn man dafür eine depressive, liebesleidende Bella bekommt. Der Edward dann auch noch als mahnende Geisterstaubwolke erscheint.
Bodenständig dagegen Jacob, mit dem Bella zunächst zwei Motorräder wieder in Schuss setzt. Der Film macht jedoch klar, dass – zumindest aus Bellas Sicht – Jacob nie mehr sein wird als nur ein guter Freund, was dem Film hier auch ein bisschen die dramatische Spitze nimmt. Dafür wird hier ein neuer Teenie-Pinup zelebriert: Wenn Taylor Lautner immerzu seine eindrucksvollen Muskelpakete zur Schau stellt – vor allem wenn er für die blutende Bella nach einem kleinen Unfall sich das T-Shirt auszieht – gräbt „New Moon“ jeder künftigen Parodie schon vorab das Wasser ab.
Die Idee der (computeranimierten) Wer- / Riesenwölfe ist spannend, braucht aber zu lange, bis sie sich entwickelt und tut dies auch nur halbherzig und ohne Gespür für eigenen Mythos, derweil die Vampire einem auf der anderen irgendwie verloren gehen. Bis zum holperigen Ende hin: Nach Victorias lahmen Einsatz muss Bella nach Italien, um ihren „Romeo“ vor dem quasi Selbstmord zu retten, was alles recht abrupt hergeleitet wird. Vielleicht hat man gerade wegen dieses Raffens der Erzählung Regisseur Weitz engagiert: Schon sein „Goldener Kompass“ war ein negatives Highlight in Sachen verkürztes Schnell-Schnell.
Die ganze Lücken und offenen Fragen wie auch der Mangel an einer durchgehenden Dramaturgie liegt sicher auch darin begründet, dass man Stephenie Meyers Roman in knapp zwei Stunden pressen musste, ohne dabei auf die großen und langen Gefühle verzichten zu wollen. Gerade hierin aber hat „New Moon“ an sich schon einen schlechten Stand gegenüber „Twilight“, dieser verführerischen Exposition. Die Wälder Nordwestamerikas, das Einleben in die Stadt und das väterliche Haus (Papa Swann bleibt in „New Moon“ eine nette Randfigur), das schüchterne Annähern von Bella und Edward, das Kennenlernen Edwards, seiner Familie und dem Vampir-Dasein – all das bot für die Teenager-Romanze besseres Material, auch für Steward, die aus ihrer recht passiven Rolle das Bestmögliche über das schiere Mienenspiel herauszuholen verstand.
Nach diesem spannenden Einanderfindenlassen herzerwärmend linkischer Teenager birgt die voll entbrannten Romanze von „New Moon“ mit allem unentwegten „Du bist meine Seele“- und „Ich kann ohne dich nicht sein“-Reden (inklusive prüder Biss-Verweigerung von Jungenseite aus) soviel Spaß, wie ironiefreien Jungverliebten beim Dauerschmachten (und Vorehelichem-Sex-Philosophieren) zuzuschauen. Ist man älter als vierzehn oder wenigstens halbwegs duchpubertiert wird es schnell nervig. Allein schon weil man weiß, wie ernst die große erste „Ewige Liebe“ zu nehmen ist und dass es halt doch auch was anderes gibt als das „Beißen“. Was wäre das ein interessanter Film, wenn Bella eine desillusionierte Anfang-30erin wäre?!
Egal, auch die allzu ausgespielte Emotionalität samt Soap-Cliffhanger wird ihre Freunde und Anhänger finden und kann die Idee nicht ruinieren. Vielleicht wird – so er denn kommen sollte – ein 160-Minuten-Director’s Cut die gröbsten inhaltlichen und erzählrhythmischen Holpereien retten (oder eine 100-Minute-Fassung die ärgsten Klebrigkeiten entfernen). Und ein bisschen weniger gelackt, mit mehr Sinn für Detail, Alltag, Figuren und vor allem ironischer Leichtigkeit, dürfte „Eclipse – Bis(s) zum Abendrot“ vielleicht wieder von besonderem zuckersüßen Charme werden.
Fazit: Gelackter in der Inszenierung, mit – notgedrungen – etwas rumpligem Erzählen und seiner Überdosis Schmachterei und Herzschmerz gerät „New Moon“ zur deutlich weniger charmanten und packenden „Twilight“-Fortsetzung.