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Niemand ist bei den Kälbern: Verfilmung des Bestsellers von Alina Herbing über eine junge Frau, die gegen die Tristesse ihres Lebens in der ostdeutschen Provinz rebelliert.

Handlung und Hintergrund

In den Sommermonaten nimmt die Arbeit auf dem ländlichen Bauernhof nicht ab. Christin (Saskia Rosendahl) lebt bei ihrem Freund Jan (Rick Okon) und packt bei den täglichen harten Arbeiten selbst mit an. Für sie fühlt sich der Alltag trist, immerwährend gleich an. Befeuert wird die Hoffnungslosigkeit durch die Trinkerei ihres Vaters, auch Christin ist dem hochprozentigen Korn nicht abgeneigt.

Erst als sie bei einem Tag auf der Weide den Windkraftingenieur Klaus (Godehard Giese) kennenlernt, nimmt ihre Welt langsam wieder Farbe an. Der Schein trügt jedoch in der patriarchalisch-veranlagten Provinz in Mecklenburg-Vorpommern. Schon bald wird sich Christin fragen, ob sie aus ihrem eintönigen Leben nicht besser ausbrechen sollte.

„Niemand ist bei den Kälbern“ – Hintergründe, Besetzung, Kinostart

Basierend auf dem gleichnamigen Roman „Niemand ist bei den Kälbern“ von Bestseller-Autorin Alina Herbing entstand 2021 der zweite Film von Regisseurin Sabrina Sarabi („Prélude“). Die Weltpremiere feierte das Drama beim Filmfestival in Locarno, wo Hauptdarstellerin Saskia Rosendahl als beste Schauspielerin geehrt wurde.

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Die Drehorte lassen sich in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg verorten, die Regisseurin entschloss sich jedoch bewusst dagegen, dass Originalschauplätze aus dem Buch gezeigt werden. Dies lag daran, dass einige Orte heute nicht mehr in gleicher Form existieren. Sarabi war nicht nur für Regie verantwortlich, sondern adaptierte das Drehbuch selbst. Die Autorin Alina Herbing ließ ihr den Freiraum und gab ihrem fertigen Drehbuch lediglich einige Anmerkungen mit auf den Weg.

In der Hauptrolle ist Saskia Rosendahl zu sehen. Die Besetzung von „Niemand ist bei den Kälbern“ wird von Rick Okon, Godehard Giese, Enno Trebs und Anne Weinknecht komplementiert. Am 20. Januar 2022 ist der Kinostart von „Niemand ist bei den Kälbern“. Das anspruchsvolle Drama erhielt die FSK 16.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Sabrina Sarabi
Darsteller
  • Saskia Rosendahl,
  • Godehard Giese,
  • Rick Okon,
  • Enno Trebs,
  • Peter Moltzen,
  • Anne Weinknecht,
  • Elisa Schlott

Kritikerrezensionen

    1. FBW-Pressetext:

      Christin lebt mit ihrem Freund und dessen Eltern auf einem Hof in der ostdeutschen Provinz. Hier herrscht stumpfe Alltagstristesse, die jedes Leben zu betäuben scheint. Als der Windkraftingenieur Klaus aus der Stadt auftaucht, beginnt Christin an einen eigenen Aufbruch in ein neues, ein anderes Leben zu denken. Das intensive Spiel von Saskia Rosendahl und die sinnlich-atmospärische Inszenierung eines tristen Alltags auf dem Land machen diesen Film zu einem Ausnahmebeitrag des aktuellen jungen deutschen Kinos.

      Die große Ruhe und die bewusste Trägheit, mit der Sabrina Sarabi die Romanvorlage von Alina Herbing für die Kinoleinwand aufbereitet, täuschen nicht darüber hinweg, dass unter der Oberfläche immer etwas zu brodeln scheint. Die flirrende Sommerhitze, die aufgestauten Aggressionen des Freundes, die frustrierte Langeweile der besten Freundin oder die alkoholumnebelte Wut des Vaters, der längst aufgegeben hat - all das sorgt für ein permanentes Herzklopfen und Mitfiebern in der authentischen Szenerie, die von der Kamera von Max Preiss mit dem genauen Blick für kleine Details eingefangen werden. In all dem Frust und der Lustlosigkeit ist Christin das Zentrum der Aufmerksamkeit. In jeder Szene ist sie präsent, und Saskia Rosendahl gelingt es auf beeindruckende Weise und ohne große Worte, die mittlerweile gelernte Gefühlstaubheit der jungen Frau glaubhaft darzustellen. Wie losgelöst von all dem, was auf dem Land Alltag ist, erscheint Christin, und man spürt und sieht in jedem ihrer Blicke, wie sehr sie sich wünscht, aus all dem auszubrechen. Als Anstoß von Außen fungiert der Städter Klaus, den Godehard Giese charismatisch und immer ein bisschen geheimnisvoll verkörpert. Und wenn am Ende dann ein klein wenig Hoffnung aufkommt, ob ein anderes Leben doch möglich ist, dann bleiben ungeheure intensive Eindrücke einer kraftvollen Erzählung.

      FBW-Jury-Begründung:

      Mit wenigen, sonnendurchfluteten Bildern skizziert Sabrina Sarabi in ihrem Film NIEMAND IST BEI DEN KÄLBERN eine beklemmend kleine Welt, die sich aller Weite der nordostdeutschen Landschaft zum Trotz, als bedrückend klein und einengend erweist. Hier, in einem kleinen Weiler mit gerade mal ein paar Häusern und riesigen Kuhställen, lebt die 24-Jährige Christine (bravourös gespielt von Saskia Rosendahl) gemeinsam mit der Familie ihres Freundes Jan (Rick Okon), vertrödelt den Tag, schaut widerwillig nach dem Vieh und unternimmt immer wieder kleine Fluchtversuche, die aber samt und sonders scheitern. Dabei unternimmt sie immer wieder Provokationen und Gesten des Widerstandes, die offensichtlich dazu führen sollen, dass andere für sie die Entscheidungen treffen sollen, zu denen sie selbst nicht in der Lage ist. Doch so leicht ist das alles nicht und der ersehnte Ausbruch kann schlussendlich nur gewaltsam erfolgen.

      Für die Jury besteht kein Zweifel: Sabrina Sarabis beklemmender Film nach dem gleichnamigen Roman von Alina Herbing gehört zu dem besten und intensivsten Werken der letzten Monate, vielleicht sogar Jahre. Und das liegt nicht allein an den durchweg herausragenden Darsteller*innen, bei denen vor allem Saskia Rosendahl mehr als überzeugt. Es ist eine Sensation, wie feinfühlig und nuancenreich sie ihre Figur ausfüllt und all die Widersprüchlichkeiten spür- und nachvollziehbar macht, wie sie die Balance hält zwischen großer Sinnlichkeit und dem allgegenwärtigen Gefühl einer bleiernen Beklemmung.

      Immer wieder fängt die Kamera kleine, sich wiederholende Gesten und Handlungen ein, die subtil Christines Gemütszustand versinnbildlichen: Das häufige sich Umziehen und das wiederholte Waschen zeigen, dass sich hier eine junge Frau nicht wohlfühlt in ihrer Haut. Der gelegentliche und sehr beiläufige Griff zur Flasche steht für die kleinen Fluchten aus einem Alltag, der selbst keine große Flucht, kein endgültiges „alles hinter sich lassen“ erlaubt - zumindest findet sie diesen Auswege nicht.

      Subtil und mit wiederkehrenden Motiven und kleinen Details (das Zündeln, das zeigt, dass hier eine mit dem Feuer spielt, die Spur der toten Tieren, die ihren Weg pflastern) reichlich ausgestattet, ist NIEMAND IST BEI DEN KÄLBERN ein Glücksfall für das deutsche Kino - kein leichter Film, aber einer mit einem großen Reichtum an Bildern, Gesten, Nuancen und wirkmächtigen Metaphern für eine schier ausweglose Situation.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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    2. Niemand ist bei den Kälbern: Verfilmung des Bestsellers von Alina Herbing über eine junge Frau, die gegen die Tristesse ihres Lebens in der ostdeutschen Provinz rebelliert.

      Verfilmung des Bestsellers von Alina Herbing über eine junge Frau, die gegen die Tristesse ihres Lebens in der ostdeutschen Provinz rebelliert. Saskia Rosendahl wurde für ihre Hauptrolle in Locarno als beste Darstellerin des Wettbewerbs Concorso Cineasti del presente ausgezeichnet.

      Klagt nicht, kämpft. Steht in Runenschrift als Aufkleber auf einem Auto, Kennzeichen Nordwestmecklenburg, an dem Christin gleich zu Beginn von „Niemand ist bei den Kälbern“ am liebsten knacken würde, das Auto ihres Bruders. Für die junge Frau in ihren frühen Zwanzigern steht da nicht die wegen ihres nationalsozialistischen Hintergrunds verrufene Kampfansage der Fallschirmjäger der deutschen Wehrmacht, sondern das Motto ihres bisher so eintönigen und unbefriedigenden Lebens. Sie will weg. Weg von ihrem tristen Dasein im ländlichen Osten, wo sich Windräder nahtlos in die Trostlosigkeit der Gegend schmiegen. Weg von ihrem einsilbigen Freund, dem besoffenen Vater, den desinteressierten Pflegeeltern, der nur vermeintlich besten Freundin. Weg von den rassistischen und sadistischen Mackern, die so vorgestrig sind mit ihrem breitbeinigen Gehabe, dass sie wie die Faust passen auf diese Gegend, die von Gott vergessen wurde. Aber wenn sie wo hinwill an diesem Tag, muss Christin darauf hoffen, dass ein Typ sie in seiner Karre mitnimmt. Und wenn er sie mitgenommen hat, muss sie warten, bis er die Tür aufmacht. Weil sie klemmt. So läuft das Spiel.

      Nach fünf Minuten ist eigentlich alles klar. Weiß man alles, was man erst einmal wissen muss, vom zweiten Spielfilm der iranischstämmigen, in Kassel geborenen Filmemacherin Sabrina Sarabi. Nach ihrem Debüt „Prélude“ vor zwei Jahren macht sie jetzt ernst. Mit ihrer Verfilmung des gefeierten Debütromans von Alina Herbing aus dem Jahr 2017. Kein schönes Landleben in dieser Zeit: Als gäbe es jemand, der sich irgendwelcher Illusionen hingibt, wie es zugeht in der deutschen Provinz. Ist alles endlos ausgewalzt in Meinungsartikeln, Reportagen, Literatur. Aber war doch selten so greifbar nah und spürbar echt wie hier, wo man der Protagonistin zusieht, wie sie in Hotpants oder Miniröcken und knappen Tops ein Ausrufezeichen setzt: Seht mich an, hier bin ich. Das ist ihre Form der ganz stillen Rebellion. Immer wieder kommt die Kamera auf dem Gesicht von Saskia Rosendahl zu ruhen, die nicht viel sagen muss, um einem zu vermitteln, was in ihrer Figur vor sich geht, zwischen Pflicht auf dem Bauernhof und Flucht in billigen Fusel oder lieblosen Sex.

      Es ist ihre Präsenz, die „Niemand ist bei den Kälbern“ so elektrisierend macht, abhebt von anderen deutschen Sommerfilmen jüngerer Vergangenheit, in denen die Sonne so erbarmungslos auf die Felder brennt wie in einem Sergio-Leone-Western, „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ von Philip Gröning beispielsweise oder vielleicht auch „Tschick“ von Fatih Akin. Oft folgt die Kamera von Max Preiss ihrer stillen Heldin wie in einem Film der Dardenne-Brüder, was passt, weil auch der Blick von Sabrina Sarabi, die abermals mit einem eigenen Drehbuch arbeitet, unbestechlich und fast dokumentarisch ist. Weshalb die kleinen Triumphe nicht von Himmelschören begleitet werden, sondern von einer kaum merklichen und doch so himmlischen Zufriedenheit im Saskia Rosendahls Gesicht, so kurz diese Momente auch sein mögen. Sie klagt nicht, obwohl sie allemal Grund dazu hätte. Sie kämpft, auf ihre stoische und unmerkliche Weise, und kommt doch nicht vom Fleck. Am Schluss sitzt sie selbst am Steuer. Immerhin. Unklar ist, wohin sie fährt.

      Thomas Schultze.
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