Noah ist ein gottesfürchtiger Mann, der mit seiner Frau Naameh und seinen drei Söhnen im Einklang mit der Natur lebt. Als er eines Nachts von einer schrecklichen Vision heimgesucht wird, sieht Noah dies als Zeichen Gottes. Alle Menschen werden sterben, durch eine noch nie dagewesene Flut. Nur Noah und seine Familie sind dazu auserkoren, mit einer selbstgebauten Arche den Tieren dieser Erde das Überleben zu sichern, indem jeweils ein Paar mit auf die Arche genommen wird. Entschlossen macht sich Noah an die Arbeit. Doch es gibt einen mächtigen König, der sich dem Urteil von Gott nicht unterwerfen will und der seine Armee schickt, um Noah aufzuhalten. Und auch Noahs Söhne zweifeln am göttlichen Auftrag ihres Vaters. Für seinen neuen Film hat Regisseur Darren Aronofsky keine geringere Vorlage als das Alte Testament gewählt. Mit monumentaler Erzählkraft interpretiert er die bekannte Geschichte Noahs, fügt jedoch Figuren hinzu, um so weitere inhaltliche Ebenen in die Story einzuflechten. So gelingt ihm ein Rekurs auf immer wieder brisant diskutierte Themen wie Evolution, religiöse Sinnsuche, die Selbstbestimmung des Menschen, bis hin zum Naturschutz. Denn Noah ist in Aronofskys Film nicht ein fremdgesteuerter Gottgesandter. Er ist ein Mensch, der Gefühle hat und im Zwiespalt mit seinem Gewissen steht. Wie üblich arbeitet Aronofsky auch bei NOAH mit einer Vielzahl an faszinierenden visuellen Ideen, mystische und religiöse Symbole finden sich an vielen Stellen, das Spiel mit Farbe, Licht, Schatten und Düsternis regiert das postapokalyptische Szenenbild. Russell Crowe ist die Idealbesetzung als Noah, der noch zu Beginn entschlossen und kraftvoll auftritt, zunehmend aber den inneren Kampf eines Zweifelnden ausficht. Die digitalen Effekte verkörpern auf überwältigende Weise die Urkräfte der Natur, bis hin zu einer denkwürdigen Ankunft aller Tiere auf der Arche und dem Ausbruch der Flut, der man nur staunend beiwohnen kann. NOAH ist ein bild- und tongewaltiges Epos über eine der ältesten Geschichten der Welt - mitreißend, imposant und künstlerisch visionär.
Jurybegründung:
Noah erlebt als Kind sein großes Trauma: Gerade als sein Vater ihm die Haut der Schlange aus dem Garten Eden übergeben will, die über Generationen in der Sippe weitergereicht wurde, zieht der Herrscher Tubal-Kain, ein Nachfahre Kains, mit seinen Horden heran, tötet den Vater und nimmt die Schlangenhaut an sich. Noah kann fliehen und zieht sich in die Einöde zurück, wo er auch später mit seiner Frau Naameh und seinen Söhnen Sem, Ham und Jafet lebt. Er lehrt sie, ehrfürchtig zu sein und die Natur zu achten. Als er in einem Traum die Erde von Wasser bedeckt sieht, beschließt er, eine Arche zu bauen. Noch bevor die Arche fertig gestellt ist, strömen aus allen Richtungen die verschiedenen Tiere paarweise hinein, aber in der Familie entstehen Konflikte
Der Film von Darren Aronofsky ist inspiriert durch die biblische Geschichte von Noah, wie sie im Buch Genesis geschildert wird, gleichwohl hat Aronofsky einige Modifikationen und Modernisierungen vorgenommen. Er erzählt die Geschichte als grandioses Fantasy-Abenteuer, das ein hohes Maß an Schauwerten aufweist, aber immer wieder von ruhigen, reflexiven Passagen unterbrochen wird, in denen mystische Fragen erörtert werden. Wiewohl die kammerspielartigen Szenen, in denen menschliche Konflikte thematisiert werden, durchaus überzeugen, liegt die besondere Stärke des Films in seiner Bilderkraft. Modernste Computeranimationen und spektakuläre 3D-Effekte erschaffen eine Szenerie überirdischer Wunder und Katastrophen: Die gewaltige Arche, die anschwellende Flut, die Verwandlung der Wüste in einen Regenwald oder die im Zeitraffer geschilderte Evolution sind beeindruckende Bilderfolgen, die nachhaltig in Erinnerung bleiben. Andere Effekte wie die steinernen Wächter erinnern dagegen an Kreaturen aus HERR DER RINGE.
Die Schauspieler stellen die Charaktere glaubhaft dar: Russell Crowe als zerrissener Titelheld, Anthony Hopkins als charismatischer Methusalem, aber auch Jennifer Connelly und Emma Watson, die als Naameh und als Ila starke Frauenfiguren geben. Dass der Film dennoch nicht vollends überzeugen kann, liegt eher daran, dass die Modernisierungen und Ausschmückungen laut Ansicht der Jury nicht immer stimmig sind. Der Film plädiert für ökologische Verantwortung, aber der andauernde Zwist zwischen dem gottesfürchtigen Noah aus dem Stamm Set und den ?sündigen‘ Nachkommen Kains erscheint weitgehend als ein Konflikt zwischen Stadt und Land, Jägern und Sammlern, Fleischessern und Vegetariern. In seinem ökologischen Rigorismus, die Schöpfung zu retten, betreibt Noah die Ausrottung der Menschheit, die er dafür verantwortlich macht. Seine Zwiesprache mit Gott ist im Film nicht nachvollziehbar. Er wirkt eher wie ein unbeirrbarer Sektenführer, der keinen Widerspruch duldet. Das gilt auch für die eigene Familie. Indem der Film das biblische Geschehen auf die moderne Kleinfamilie herunterbricht, erscheint Noah als der sture Rechthaber und Patriarch, der jegliche freie Meinungsäußerung und Entfaltungsmöglichkeit seiner Angehörigen rigoros unterbindet. In diesem Setting wirkt es erstaunlich, dass die als stark gekennzeichneten Frauen zwar Einwände vorbringen, aber nie rebellieren. Der einzig glaubhafte Konflikt ist der mit seinem Sohn Ham, der allerdings nicht in aller Konsequenz ausgeführt ist. Ham erscheint als der gekränkte Sohn, der keine Frau haben darf und deshalb letztendlich seiner Wege geht. Was eine solche Modernisierung der Noah-Geschichte letztlich den Zuschauern von heute geben kann, muss jeder einzelne für sich selbst beantworten.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)