Hibat wächst im Iran der frühen 1960er Jahre auf. Schon als Kind lernt er sich durchzusetzen und für seine Rechte zu kämpfen - wenn es auch anfangs nur darum geht, beim Familienessen die strategisch günstigste Sitzposition zu erwischen. Als junger Mann jedoch kämpft Hibat für etwas anderes: Freiheit, Demokratie und mehr Rechte für das vom Schah unterdrückte Volk. Das bringt ihm eine Menge Ärger ein und bald schon landet Hibat, zusammen mit seinem Bruder und seinen Freunden, im Gefängnis. Doch der junge Anwalt lässt sich nicht unterkriegen, übersteht Einzelhaft und Folter und kämpft auch nach seiner Entlassung weiter. Als er auf die wunderschöne und selbstbewusste Fereshteh trifft, verliebt er sich in sie. Und umgekehrt. Die beiden heiraten, bekommen einen Sohn. Und müssen nach Frankreich fliehen. Zunächst will Hibat alleine fort. Doch Fereshteh macht ihm klar: Nur wir drei gemeinsam. In seinem Debüt erzählt der französische Comedian Kheiron die Geschichte seiner Eltern. In Personalunion ist er für Drehbuch, Regie und die Hauptrolle als Hibat verantwortlich und beeindruckt auf allen Ebenen. Der besondere Zauber des Films liegt in der Verbindung seines warmherzigen und pointierten Humors mit großartigen Figuren und einer spannenden wie berührenden Geschichte. Immer wieder gibt es leise Momente ohne viele Worte, in denen ein Blick, eine Geste oder ein stummes Telefonat zwischen Vater und Tochter genügen, um Gefühle zu vermitteln. Dazu lassen eine großartige Kamera und eine stimmungsvolle Musik den Zuschauer in die fremde Welt eintauchen. Hibat ist ein Rebell, ein politisch denkender Mensch, der sieht, wie die Welt funktioniert und sie ändern möchte. Doch er ist auch ein Träumer und ein Idealist. Kheiron spielt diese Rolle überzeugend, mit einer unglaublich positiven Ausstrahlung und einem offenen Blick, der den Zuschauer einlädt, Teil der Geschichte zu sein. Leila Bekhti als Fereshteh ist der Fels in der Brandung, an dem Hibat sich festhält. Bekhti spielt sie mit einer hinreißenden Mischung aus bestimmender Dominanz und der absoluten Hingabe an ihren Mann und ihren Sohn. Das Paar versucht Kulturen, Gesellschaftsschichten und Generationen zusammenzubringen. Nicht immer gelingt dies, die beiden erfahren Rückschläge. Und geben doch nie auf. Sämtliche Haupt- und Nebenfiguren sind starke Charaktere, mit realen Vorbildern und echte Originale. Sie wachsen dem Zuschauer ans Herz und ergeben als Ensemble ein stimmiges farbenfrohes Puzzle. NUR WIR DREI GEMEINSAM ist eine großartig erzählte Liebeserklärung eines Künstlers an seine Eltern. Ein hoffnungsvoller und warmherziger Film, der glänzend unterhält und genau zur richtigen Zeit kommt, um daran zu erinnern, wie das Konzept von Integration und dem gemeinsamen Leben der Kulturen funktionieren kann.
Jurybegründung:
Iran 1955: Schon in seiner Kindheit ist Hibat ein Stratege. Das muss er auch, will er in seiner Großfamilie mit fünf Brüdern und sechs Schwestern nicht zu kurz kommen. In den 1970er Jahren engagiert sich der junge Anwalt politisch gegen das Schah-Regime und kommt ins Gefängnis, wo er es zu trauriger Berühmtheit bringt, als er sogar den vom Herrscher anlässlich seines Geburtstages gespendeten Kuchen ablehnt und dafür Prügel und Isolation in Kauf nimmt. Nach seiner Freilassung lernt er die Krankenschwester Ferestheh kennen, es ist Liebe auf den ersten Blick. Aber das junge Paar kann sein Glück kaum genießen, denn Hibat ist im Untergrund politisch aktiv - jetzt gegen das Regime des Ayatollah Khomeini. Als der Druck zu groß wird, muss er fliehen. Allerdings besteht Ferestheh darauf, dass sie und der mittlerweile geborene kleine Sohn Nouchi ihn auf der gefährlichen Flucht über die Berge begleiten. „Nur wir drei gemeinsam“ heißt ihr Motto - und so gelangen sie über die Türkei nach Frankreich, wo sie in den Pariser Vorstädten landen und in einer multikulturellen Gesellschaft einen Neuanfang wagen.
In seinem Spielfilmdebüt geht der französische Comedian, Schauspieler und Musiker Kheiron ein großes Wagnis ein: Er erzählt seine eigene Familiengeschichte, zeichnet für Drehbuch und Regie verantwortlich und spielt auch noch die Hauptrolle, seinen Vater Hibat - und dabei gewinnt er auf ganzer Linie! Mit viel Witz, Intellekt und Leidenschaft gelingt ihm ein seltener und überzeugender Genremix aus packendem Flüchtlingsdrama und liebevollem Familienporträt. Und wann immer die Geschichte droht zu plakativ oder zu zuckersüß zu werden, sorgt eine gehörige Portion schwarzen Humors für die ironische Brechung. Kheiron zeigt eine sehr eigene Handschrift und hält die perfekte Balance zwischen Komödie und Tragödie - mit unterschiedlichen Gewichtungen: Die Szenen von Hibats Gefängnisaufenthalt erinnern an Roberto Benignis DAS LEBEN IST SCHÖN, während die eindrucksvoll fotografierte Flucht über schneebedeckte Berge in die Türkei sehr dramatisch gestaltet ist, bevor sich die Geschichte schließlich in Paris in eine bunte Multikulti-Komödie wandelt. In allen Teilen gibt es sehr eindringliche Szenen, die lange in Erinnerung bleiben, wie die Entbindung, die verknüpft wird mit dem Aufbau des Kinderbettes durch Hibats Bruder oder die Telefonszene zwischen Ferestheh und ihrem Vater, in der zwei Minuten Schweigen genügen, um über die gelungene Flucht zu informieren.
Dabei deckt der Film einen sehr langen Zeitraum ab: In 103 Minuten sind etwa vierzig Jahre sehr überzeugend zusammengefasst (zuzüglich des Prologs in der Kindheit). Das liegt an der guten Drehbuchkonstruktion, die wichtige Momente der Zeitgeschichte klar herausstellt und mit dokumentarischen Einschüben illustriert, an der Liebe zum Detail, die durch stimmige Ausstattung und passende Musik überzeugt, und vor allem an den sehr wandlungsfähigen Darstellern, die die Veränderungen im Laufe der Zeiten sehr glaubhaft verkörpern. Dabei geht es in erster Linie um die politische Auseinandersetzung: Während Schah Reza Pahlavi durchgängig völlig übersteigert als lächerliche Person dargestellt ist, erscheinen die noch machthabenden Mullahs zwar als suspekt, bleiben aber eher im Hintergrund.
Im Mittelpunkt des Films stehen starke Charaktere. Da ist die Kernfamilie von Hibat, Ferestheh und Nouchi, ergänzt durch Eltern und Geschwistern und später durch Angehörige der verschiedensten kulturellen Minderheiten in der Pariser Vorstadt. Sie werden mit viel Liebe und der genau richtigen Prise (Selbst-)Ironie gezeichnet. Darunter sind viele starke Frauenfiguren. Schon bei Hibats Brautwerbung ist klar, wer in dieser Beziehung das Sagen hat. Wenn im Abspann die Fotos der Darsteller mit denen der realen Personen gemischt werden, nimmt man mit Erstaunen wahr, wie nah die Schauspieler ihren Vorbildern kommen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)