Die mächtige Gewerkschaft SAG-AFTRA hat den Streik ausgerufen: Sämtliche Hollywood-Produktionen werden stillgelegt. Wir erklären, was das für euch bedeutet.
Auf der offiziellen Internetseite der Schauspieler*innengewerkschaft Screen Actors Guild-American Federation of Television and Radio Artists (SAG-AFTRA) haben sich Präsidentin Fran Drescher („Die Nanny“) und Chef-Verhandlungsführer Duncan Crabtree-Ireland nach dem Ausruf zum Arbeitskampf noch einmal zu Wort gemeldet:
„Nach mehr als vierwöchigen Verhandlungen ist die Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP) – die Organisation, die die großen Studios und Streamingdienste wie Amazon, Apple, Disney, NBCUniversal, Netflix, Paramount, Sony und Warner Bros. Discovery vertritt – nach wie vor nicht bereit, ein faires Angebot bei den wichtigsten Fragen anzubieten. […] Unsere 90-jährige Geschichte ist ein Beweis dafür, was durch unsere Überzeugung und Einigkeit erreicht werden kann. Für die Zukunft unseres Berufsstandes stehen wir zusammen.“
Eine erste direkte Folge des Streikbeginns ereignete sich weit weg in Großbritannien bei der dortigen Premiere von „Oppenheimer“ (deutscher Kinostart am 20. Juli 2023) in London, dem neuen Film von Christopher Nolan (via Variety): Als klar wurde, dass die SAG-AFTRA den Gewerkschaftsstreik ausruft, sollen alle anwesenden Hollywoodstars in Solidarität zu den Kolleg*innen zu Hause in den USA die Veranstaltung verlassen haben, noch vor Beginn des Films. Das wurde von Regisseur Nolan bestätigt. Die Stars waren im Vorfeld über die Ereignisse informiert worden und konnten sich entsprechend darauf einstellen, den roten Teppich direkt wieder zu verlassen.
Das ist aber nur eine nette Anekdote im Vergleich zu dem, was nun folgen wird: Jegliche in Arbeit befindliche Produktion, an der SAG-AFTRA-Mitglieder beteiligt sind und ganz gleich in welcher Phase sie sich befinden mag, wird durch diesen Streik abrupt zum Halten gebracht. Nichts geht mehr – mindestens über Wochen, wenn nicht über Monate hinaus, bis eine Einigung erzielt wird. Durch den Streik der Autor*innen waren bereits etliche Produktionen ausgebremst worden, einige konnten aber noch immer fortgeführt werden, so lange keine Autor*innen mehr an den fertiggestellten Drehbüchern arbeiteten. Jetzt geht dagegen gar nichts mehr. Als würde man einen Schnellzug per Notbremse mitten auf einer Brücke zum Halten bringen. Wie soll denn noch gedreht werden, wenn überhaupt keine Darsteller*innen mehr am Set sind?
Während es für Mitglieder von SAG-AFTRA verpflichtend ist, die Arbeit niederzulegen und zu streiken, gilt dieser Aufruf nicht für Darsteller*innen, die nicht zur Gewerkschaft gehören. Studios und Produktionsfirmen könnten eventuell versucht sein, genau diese Personen anzuheuern, etwa für eine Marketingkampagne. Allerdings wissen aufstrebende Schauspieler*innen um die weitreichende Macht der SAG-AFTRA. Wer einmal als Streikbrecher*in aufgefallen ist, wäre in gewisser Weise „gebrandmarkt“ und könnte damit nicht nur eine Mitgliedschaft, sondern auch gutbezahlte Rollen in Zukunft verwirken.
Aber der Streik betrifft nicht nur die Dreharbeiten selbst, sondern jegliche Veranstaltungen, die in irgendeiner Form mit den Darsteller*innen und Gewerkschaftsmitgliedern zu tun haben. Das bedeutet, dass sie weder an Marketingkampagnen wie Premieren-Events für kommende Filme und Serien sowie dazugehörigen Interviews noch an Veranstaltungen wie der San Diego Comic Con (20. bis 23. Juli 2023), Filmfestivals wie den Internationalen Filmfestspielen von Venedig (30. August bis 9. September 2023) oder der Verleihung des wichtigen US-Fernsehpreises, den Emmy Awards (19. September 2023), teilnehmen dürfen. Auch wenn die ganz großen Hollywood-Namen zig Millionen US-Dollar verdienen, kämpfen sie an vorderster Front um das Wohl ihrer Kolleg*innen, die es nicht so gut haben. Selbst im oberen Bereich unterscheiden sich die Gagen teils gravierend, wie unser Video zeigt.
SAG-ATFRA-Streik: Auf Film- und Serienfans kommt eine Durststrecke zu
Und dann wären da die Auswirkungen, die Film- und Serien-Fans weltweit am ehesten spüren werden: Es wird in naher Zukunft einfach kaum Neues geben. Diese Situation gab es erst vor wenigen Jahren durch die Corona-Pandemie. Da konnten allerdings nach kurzer Umorientierung und Anpassung die Arbeiten fortgesetzt werden. Und trotzdem war die Lücke, die dabei entstanden ist, zu spüren. Dieses Mal geht gar nichts mehr über eine wahrscheinlich relativ lange Zeit. Eine Durststrecke ist quasi Programm. Aktuell arbeiten etwa Ryan Reynolds und Hugh Jackman am Marvel-Film „Deadpool 3“. Diese Dreharbeiten werden jetzt ruhen und der Film wird womöglich verschoben werden müssen (aktueller US-Kinostart am 3. Mai 2024). Und das trifft auf etliche Produktionen zu. Die Filmstudios dürfen also ihre Starttermine abermals umstrukturieren.
Zu den weiteren Produktionen, die vom Streik betroffen sind, gehören etwa die Filme „Captain America: Brave New World“, „Gladiator 2“, „Beetlejuice 2“, „Mortal Kombat 2“ sowie die Serien „Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ Staffel 2, „Doctor Who“ und „Alien“. Interessante Randnotiz: Die Dreharbeiten zu „House of the Dragon“ Staffel 2 sollen trotz des Streiks laut den Angaben der Verantwortlichen fortgesetzt werden (via Deadline), die Darsteller*innen wurden entsprechend benachrichtigt. Möglich wäre es, da der überwiegende Anteil der britischen Schauspieler*innen Mitglieder der Gewerkschaft Equity UK sind. Ob die Arbeit aber tatsächlich fortgesetzt wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingeschätzt werden.
Ganz besonders hart trifft es zudem Dienste wie Netflix und Amazon, die im harten Konkurrenzkampf um die Streaming-Hoheit auf qualitativ hochwertige Eigenproduktionen setzen müssen. Vor allem heute, da so gut wie jedes Hollywood-Studio eigene Streaming-Plattformen aufgezogen hat. Mehr denn je werden sie also auf ausländische Produktionen (ohne SAG-AFTRA-Mitglieder) setzen müssen. Da dürften die 2,5 Milliarden US-Dollar, die Netflix in den nächsten vier Jahren in den starken südkoreanischen Markt investieren will, gut angelegt sein. Allerdings haben auch schon die dortigen Filmschaffenden und Darsteller*innen signalisiert, stärker für ihre eigenen Rechte einstehen zu wollen.
Da es eine ganze Weile dauern könnte, ehe eine Einigung erzielt wird, könnt ihr euch bis dahin an diesem Quiz zu Kultwerken der Filmgeschichte versuchen: