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Netflix geht (vorerst) leer aus: Der für viele beste Film aus 2023 jetzt erstmals im Stream-Abo

Netflix geht (vorerst) leer aus: Der für viele beste Film aus 2023 jetzt erstmals im Stream-Abo
© IMAGO / Everett Collection / Picturelux

Fast eine Milliarde US-Dollar eingespielt und dazu auch noch bei den Oscars abgeräumt? Das kommt wahrlich nicht oft vor, umso interessierter dürften etliche auf diesen Streaming-Star blicken.

Ein Biopic über einen Physiker, das drei Stunden lang ist und viele Schwarz-Weiß-Szenen beinhaltet? Auf dem Papier klingt das wahrlich nicht nach einem Kassenschlager, doch es geht hier nicht um irgendeinen Physiker und den Film hat auch nicht irgendwer zu verantworten: „Oppenheimer“ handelt vom gleichnamigen „Vater der Atombombe“, dem niemand Geringeres als Christopher Nolan ein cineastisches Denkmal setzt.

Allein der Name von Christopher Nolan dürfte aufgrund seiner Filmografie etliche Tickets verkauft haben, schließlich verstand es niemand in den letzten Jahren so sehr, Blockbuster mit anspruchsvollem Kino zu vereinen. Zum zweiten Mal nach „Dunkirk“ taucht der „The Dark Knight“- und „Inception“-Regisseur hier in die Zeit des Zweiten Weltkriegs ein und erzählt die Geschichte von J. Robert Oppenheimer, dem Leiter des Manhattan-Projekts, aus dem die ersten Atombomben der Welt hervorgingen.

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Das Ergebnis konnte sich offensichtlich sehen lassen: 958,8 Millionen US-Dollar spielte „Oppenheimer“ weltweit in den Kinos ein (via Box Office Mojo). Doch der Film war als Event namens „Barbenheimer“ in Kombination mit „Barbie“ nicht nur äußerst erfolgreich, sondern überzeugte offenbar auch qualitativ: Satte sieben Academy Awards erhielt „Oppenheimer“ bei der Oscar-Verleihung 2024, darunter erhielt Nolan seinen ersten Regie-Oscar und das Werk wurde auch als Bester Film ausgezeichnet.

Wenn ihr das Kino-Highlight tatsächlich verpasst habt oder erneut sehen wollt: Seit dem 20. März 2024 könnt ihr „Oppenheimer“ erstmals im Stream-Abo sehen und zwar bei Sky beziehungsweise WOW. Einen klassischen Nolan-Twist solltet ihr dort aber nicht unbedingt erwarten, Beispiele dafür findet ihr hingegen in unserem Video:

Wie wir in der kino.de-Redaktion auf „Oppenheimer“ blicken, verraten euch unsere nachfolgenden Kritiken:

Andi: Wenn die Kino-Liebe zum Nachteil wird

Unter meinen 30 Lieblingsfilmen halten sich seit Jahren vier Nolan-Werke und mit „Memento“ stammt sogar der meiner Meinung nach beste Film überhaupt vom britischen Regisseur. Entsprechend hoch ist meine Meinung von seinen Qualitäten, entsprechend gespannt war ich auf sein neuestes Werk – und entsprechend enttäuscht bin ich jetzt, denn „Oppenheimer“ ist die für mich schlechteste Hollywood-Produktion von Christopher Nolan.

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Das heißt nicht, dass der Film eine Katastrophe ist; er hat sogar einige fesselnde Passagen. „Oppenheimer“ leidet allerdings unter denselben Problem wie so ziemlich alle Biopics, die nicht von Aaron Sorkin („The Social Network“, „Steve Jobs“) geschrieben wurden: Wir hetzen durch die wichtigsten Stationen im Leben einer Figur, dadurch können einzelne Szenen kaum atmen und die Charaktere selbst bleiben blass und oberflächlich, weil sie entweder mit Erklärungen beschäftigt sind oder schreckliche Dialoge vortragen, die alle wichtigen Eckpfeiler ihres Daseins in möglichst wenig Sätzen zusammenfassen. Und da Nolan seit Jahren dafür bekannt ist, keine menschlichen, emotionalen Dialoge schreiben zu können, wirkt er als Autor eines Biopics leider völlig fehl am Platz, da er diese Schwächen des Genres nur noch potenziert.

Nolan hat sich auch keinen Gefallen damit getan, sich so viel in „Oppenheimer“ vorzunehmen. Nach der ersten und für mich mit Abstand schwächsten Stunde, die durch die Anfänge von Robert Oppenheimers Physiklaufbahn und seinen Beziehungen hetzt, kommt mit dem Beginn des Manhattan-Projektes etwas Fokus und dadurch Fahrt auf; zumal hier Matt Damons Charakter auch endlich etwas Leben in die Sache bringt. Den kolossalen Ausmaßen dieses Unterfanges kann sich der Film aber nie in seiner Gänze widmen, da wir zugleich immer wieder Ausschnitte aus dem späteren Leben von Robert Oppenheimer sehen, der dort um seine Reputation kämpfen muss. Nolan hat schließlich wenig überraschend keine Lust auf die für Biopics typische lineare Erzählweise. Die Zeit nach dem Manhattan-Projekt behandelt wiederum die letzte Stunde des Films vollends, die für mich stärkste Phase und ich wünschte mir, Nolan hätte sich nur diesem Part gewidmet. Hier entfaltet sich ein spannender Konflikt über Eitelkeiten in der Wissenschaft und über den Umgang mit den eigenen, potentiell vernichtenden Errungenschaften.

Man hätte problemlos drei Filme aus all dem machen können und für mich sogar müssen, um allen Aspekten wirklich gerecht zu werden – und dieser Heerschaar an unterschiedlichen Figuren, die hier auf uns losgelassen wird. Bis in die kleinste Nebenrolle hinein erwartet uns ein bekanntes Gesicht, was mich oftmals sogar leider etwas aus dem Erlebnis gerissen hat, anstatt es zu bereichern. Wäre Nolan nicht so ein Feind des Streamings, hätte er ein Miniserien-Meisterwerk à la „Chernobyl“ (hier bei WOW streamen) aus all dem zimmern können. So erhalten wir zwar ein in technischer Hinsicht bombastisches Kino-Erlebnis, das vor allem im Sounddesign einmal mehr besticht – allerdings zugleich für mich inhaltlich schmerzlich flach ausfällt und mich fragen lässt: War es das wirklich wert?

Anne: Ein denkwürdiger biographischer Thriller

Wissenschaftliche Biografien üben schon immer einen besonderen Reiz auf mich aus, auch wenn davon meist nicht viele im Gedächtnis bleiben – ganz anders „Oppenheimer“.

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Mit seiner Bild- und Tongewalt zieht uns Christopher Nolan von der ersten Minute an in die eindrucksvolle Welt der Physik – manchmal ruhig, still und leise, manchmal aber auch brachial und ungestüm. Neben dem Stimmungsbild der Wissenschaftsszene der 1920er- und 1930er-Jahre vermag „Oppenheimer“ ein vielschichtiges, schonungsloses, aber auch verletzliches Bild des titelgebenden Protagonisten zu zeichnen, inklusive privater Verfehlungen, Hochmut und dem darauffolgenden Fall samt moralischer Katharsis. Die Einbettung von Oppenheimers Werdegang in die Rehabilitationsanhörung war ein nervenaufreibender Kniff, auch wenn den damit einhergehenden Zeitsprüngen zuweilen nicht leicht zu folgen war.

Ungeachtet dessen hat mich „Oppenheimer“ drei volle Stunden gefesselt, beeindruckt, an den richtigen Stellen zum Schmunzeln gebracht, mir Furcht eingeflößt und mich letztendlich mit einem mulmigen Gefühl entlassen. Wer sich diesem Wechselbad der Gefühle gewachsen fühlt, sollte sich diesen düsteren biographischen Thriller nicht entgehen lassen.

Mira: Der Trailer ist leider spannender

Mit „Oppenheimer“ hat Christopher Nolan mal wieder ein audio-visuell beeindruckendes Werk abgeliefert, das unbedingt im Kino angeschaut werden sollte, um die volle Wirkung zu entfalten. Die Bilder und das Nolan-typische Sounddesign lassen die Zuschauer*innen tief in die Psyche von Robert Oppenheimer eindringen, der von Cillian Murphy meisterhaft zwiespältig gespielt wird.

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Leider hatte ich das Gefühl, dass sich Nolan in seinen eigenen Bildern verloren und die Zuschauer*innen völlig vergessen hat. Das Ergebnis ist ein viel zu langer Film, der immer wieder in Fahrt kommt, aber die Spannung nicht halten kann. Die erdrückende Menge an Figuren, die von namenhaften Schauspieler*innen verkörpert werden, die aber genauso schnell wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht sind, tragen dazu bei, dass ich in der Welt, die „Oppenheimer“ zeichnet, nie wirklich ankommen konnte.

Unter dem fehlenden Flow leidet am Ende trotz der fabelhaften Bilder auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gefahren der Atombombe und der Verantwortung der Wissenschaftler*innen. Der Trailer hat es leider geschafft, diese Bedrohung eindringlicher zu vermitteln als der Film selbst.

Olli: Das Biopic als explosive Jahrmarktsattraktion

Als angekündigt wurde, dass Christopher Nolan nach „Tenet“ an einem Biopic über einen der bekanntesten Wissenschaftler der jüngeren Menschheitsgeschichte arbeitet, war ich zunächst skeptisch. Schließlich rückten die Figuren und ihr Innenleben in den meisten Werken des 52-jährigen Darstellers in meiner Wahrnehmung stets in den Hintergrund. Die Faszination lag für mich immer in der Mixtur aus einer kreativen Idee, der Raffinesse der Geschichte sowie dem audiovisuellen Bombast.
Bei „Oppenheimer“ habe ich vergebens nach den ersten zwei Aspekten gesucht, während der zuletzt erwähnte Bombast zwar in geringfügigem Maße vorhanden ist, in diesem Film aber endgültig zur Christopher-Nolan-Stil-Hyperbel avanciert.

So wird beispielsweise über physikalische Phänomene diskutiert, während dazwischen geschnittene Abstraktionen mit explosiven Sounds untermalt werden und das Publikum wie in einer Geisterbahn im Kinosessel zusammenzucken lassen. Und dann wären da noch die Dialoge, die selten ohne den Einsatz der bedrohlichen Bässe auskommen, was meine Aufmerksamkeit von dem Ernst der Lage oftmals auf die theatralische, fast schon lächerliche Aura der Inszenierung gelenkt hat.

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Daher wirkte „Oppenheimer“ für mich überwiegend wie ein verfilmtes Theaterstück, dem eine literarische Vorlage zugrunde liegt und das mit nolanesken Effekten ausstaffiert wurde. Wie eine Doppelstunde Physik, gefolgt von einer Doppelstunde Politik. Erst im letzten Drittel, wenn der Film das Zwischenmenschliche wie etwa die intriganten Beziehungen unter den Wissenschaftlern während des Manhattan-Projekts in den Fokus rückt, nimmt „Oppenheimer“ an Fahrt auf. An dieser Stelle hatte mich der Film jedoch schon verloren, sodass ich am Ende des Tages lediglich mit einer seichten Enttäuschung und folgender Frage aus dem Kinosaal schritt: War Christopher Nolan wirklich der richtige Mann für diese Art von Film?

Philipp: Wenn nur die Atombombe nicht wäre…

Christopher Nolan, der Mann hinter „The Dark Knight“, „Inception“ und „Interstellar“ setzt sich an ein, ja fast klassisches Biopic über den Wissenschaftler J. Robert Oppenheimer. Wo bleibt da das Potenzial für den Nolanschen Blockbuster, der uns auch nach dem Kino noch lange beschäftigen wird? Es ist doch „nur“ die Lebensgeschichte eines Mannes, der maßgeblich an der Entwicklung der Atombombe beteiligt war.

Greift man diesen Punkt auf, kommt man Nolans Ansatz schon näher, immerhin lässt sich das Testen und der Einsatz der Atombombe bildgewaltig inszenieren. „Ohne CGI-Aufnahme“ ging es durch die News, als von jener Sequenz im Film bereits im Vorfeld berichtet wurde. Daran allerdings einen dreistündigen Film anzulegen, erschien mir nur schwer vorstellbar. Und so ergab es sich auch, dass das gesamte filmische Erzählen rund um diesen Handlungsstrang mir leider etwas zu langatmig und gedehnt wurde.

Auch kam das moralische Dilemma, welches Oppenheimer fairerweise Zeit seines Lebens noch beschäftigte, angesichts der Relevanz im Leben des Wissenschaftlers viel zu kurz. An Fahrt, Spannung und positiven Eindruck gewinnt der Film dagegen jedes Mal dann, wenn das politische Konstrukt rund um das Manhattan-Projekt, Oppenheimer und dessen Verwicklung in kommunistische Aktivitäten behandelt wird. Dann wird „Oppenheimer“ zu einem faszinierenden „Gerichtsdrama“, das mir mehr erzählt als ein Wikipedia-Eintrag zur Person.

Und dann geht auch die Inszenierung von Nolan mit seinen Wechseln der Perspektive voll auf, etwa wenn wir im Geplänkel das Spiel um Oppenheimers Degradierung und spätere Rehabilitierung beobachten dürfen und der theoretische Prozess der Entwicklung der Atombombe in den Hintergrund gerät. Alles in allem leider kein starker Nolan, aber in seiner – gerne um eine Stunde gekürzten – Politstudie ein sehenswertes Werk.

Christopher-Nolan-Quiz: Beweist euer Wissen über die Filme des Regisseurs!

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