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Orly: Melancholisches, poetisch angehauchtes Drama, in dem sich die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verwischen: In der Anonymität eines Großflughafen kreuzen sich die Schicksale verschiedener Menschen.

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Handlung und Hintergrund

Am Flughafen Orly: Eine junge Französin auf dem Weg zu ihrem Mann in Montreal findet Gefallen an einem Musikproduzenten, der auf ihre Avancen aber nicht reagiert. Eine Mutter begleitet ihren Sohn zur Beerdigung des Vaters, sie erzählt von ihrem Ehebruch, und der Junge outet sich als schwul. Ein deutsches Rucksackpärchen redet aneinander vorbei. Eine Frau, die ihren Mann verlassen hat, traut sich erst im Gewühl, seinen Brief zu lesen.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Angela Schanelec
Produzent
  • Gian-Piero Ringel,
  • Céline Maugis,
  • Christophe Delsaux
Darsteller
  • Natacha Régnier,
  • Maren Eggert,
  • Bruno Todeschini,
  • Emile Berling,
  • Josse de Pauw,
  • Mireille Perrier,
  • Jirka Zett,
  • Lina Falkner
Drehbuch
  • Angela Schanelec
Schnitt
  • Mathilde Bonnefoy

Kritikerrezensionen

    1. „Orly“ verfolgt keine herkömmliche Dramaturgie, erzählt nicht eine große Geschichte oder von bestimmten Personen, bietet keinen großen dramatischen Überbau. Angela Schanelec blickt ins Kleine, ins Flüchtige, lässt den Moment wirken, ohne dass sich daraus notwendigerweise etwas Größeres, etwas Folgendes ergeben müsste. Professionelle Schauspieler hat sie in den Flughafen Paris-Orly gesetzt, lässt sie dort ihre Szenen spielen, beobachtet von einer Kamera mit Teleobjektiv, so dass die übrigen Reisenden, die durchs Bild laufen, gar nicht mitbekommen, dass hier überhaupt ein Film gedreht wird. Es geht also auch in der Machart des Films um den flüchtigen, unbeobachteten Moment, der dahinfliegt und dann schwindet…

      Der Flughafen als Ort des Transits, der ad-hoc-Begegnungen und der Trennungen: das ist ein Topos, den Schanelec nicht erfunden hat. Den sie aber durchaus auszufüllen weiß, mit ihren Szenen, in denen sich Menschen begegnen, die sich wieder trennen müssen, die nicht zufällig alle mit Verlusterfahrungen zu kämpfen haben: Verlust der Heimat bei einer, die nach Montreal gezogen ist; Verlust des Vaters bei Mutter und Sohn, die jetzt zur Beerdigung fliegen werden; Verlust des Ehemannes nach schmerzhafter Trennung. Das Konzept ist also durchaus durchdacht – und sichtlich schwelgt Angela Schanelec, die als Berliner Schule-Auteurfilmerin in den cineastischen Kreisen von Frankreich ohnehin hoch verehrt wird, in der Möglichkeit, endlich einen französischen Film zu drehen.

      Einen durch und durch französischen Film, wie das Klischee es vorsieht: Menschen, die dasitzen und reden. Und reden. Das wiederum ist genau das Problem des Films. Denn wo einerseits eine Art dokumentaristischer Ansatz gewählt ist, werden andererseits Dialoge gezeigt, die unnatürlich, unrealistisch, gekünstelt wirken – was in anderem Zusammenhang OK ist, wenn ein Verfremdungseffekt erwünscht ist, was aber in diesem Fall stört. Es ist einfach eine Verletzung der alltäglichen Lebenserfahrung, wenn sich am Flughafen zwei Wildfremde zueinandersetzen und ihr Herz ausschütten: Von Eheproblemen und dem Verhältnis zur Mutter reden, vom Beinahetod des Sohnes und der Beziehung zu dessen Mutter. Oder wenn eine Mutter ihrem halbwüchsigen Sohn aus heiterem Himmel eine Sexaffäre gesteht, die lange vorüber ist, und der Sohn im Gegenzug von seinen schwulen Erlebnissen berichtet.

      Ganz deutlich wird dieser Mangel des Films, wenn das junge deutsche Pärchen an der Reihe ist mit seinen Dialogszenen – die anderen hatten alle französisch gesprochen, und vielleicht deshalb fällt es umso mehr auf, wie unbeholfen-hölzern diese beiden ihre Sätze dahersagen, wie schlecht sie dabei auch schauspielern. Sicher: Es wird gerade hier viel mit Blicken gearbeitet, mit Blicken der Kamera auf die Figuren und mit Blicken der Figuren auf ihre Umgebung. Und da ergibt sich eine kleine, feine Geschichte der Charakterisierung, vor allem von ihm, dem Blonden, der nie so richtig gegenwärtig ist, der stets seinen Blick schweifen lässt, der eine andere Frau ins Auge gefasst hat, während die Freundin sich mit ihm unterhält… Vielleicht waren die Schauspieler, vielleicht gar die Regisseurin mit sovielen Details, mit so vielen Ebenen des Erzählens überfordert? Oder ist es Absicht, dass gerade bei diesen beiden alles dermaßen gekünstelt wirkt, nicht in einer künstlerischen Weise, sondern eher dilettantisch gespielt?

      Diese Episode, gegen Ende des Filmes, zieht den ganzen Film herunter, gerade weil zuvor auch im unnatürlichen Verhalten stets ein Konzept der Inszenierung, der Aussage durchschimmert, was sich nun in Ambivalenz auflöst: Was bei diesen beiden ist denn nun beabsichtigt, als Verfremdung/selbstreflexive Film-Bewusstmachung beim Zuschauer, und was schlicht nicht genug ausgearbeitet? Und da fallen einem dann all die anderen bedeutungsschweren Dialogsätze wieder ein, die zuvor gefallen sind, die großen Sinn suggerieren, wo vielleicht doch nur Leere herrscht: „Es ist nicht wichtig, ob der andere einen liebt, sondern, ob er einem ermöglicht, sich selbst zu lieben“ – ist es möglich, dass sich am Flughafen, am Ort des Transits, des Moments, auch Inhalt und Substanz verflüchtigen?

      Fazit: Film ohne Handlung, mit rudimentärer Dramaturgie – und leider mit zu vielen Dialogen, die allzu sehr an den Haaren herbeigezogen wirken.
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    2. Orly: Melancholisches, poetisch angehauchtes Drama, in dem sich die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verwischen: In der Anonymität eines Großflughafen kreuzen sich die Schicksale verschiedener Menschen.

      In der Anonymität eines Großflughafen kreuzen sich die Schicksale verschiedener Menschen, die ihre Wartezeit mit banalen Gesprächen und bedeutsamen Schweigen überbrücken.

      „Im Wartesaal zum großen Glück, da warten viele, viele Leute“ hieß es mal in einem deutschen Schlager, und dieser lapidare Satz fasst eigentlich schon die Geschichte zusammen. Im anonymen Raum des Flughafens Orly, den die Pariser scheuen wie die Pest, versuchen Passagiere die Zeit irgendwie herumzubringen. Im Gewühl kristallisieren sich einige Menschen heraus, die Angela Schanelec in bewährter und bewusster Langsamkeit beobachtet.

      Fast dokumentarisch wirken die Aufnahmen, gedreht wurde mit zwei Kameras bei vollem Flughafenbetrieb, oft mit langen Brennweiten. So verdecken schon mal Köpfe die Protagonisten oder kommt ungewohnte Hektik ins Spiel, wenn jemand mit dem Trolly durchs Bild läuft, verschwinden die starken Darsteller (vor allem Natacha Régnier und Bruno Todeschini) in der Masse.

      In der ersten Hälfte wecken die Dialoge und Geschichten Interesse - eine junge Französin auf dem Weg zu ihrem Mann in Montreal findet Gefallen an einem Musikproduzenten, der auf ihre Avancen aber nicht reagiert, eine Mutter begleitet ihren Sohn zur Beerdigung des Vaters, sie erzählt von ihrem Ehebruch und der Junge outet sich als schwul - Sprachlosigkeit, Irritation. Doch dann ist die Luft raus, wenn ein deutsches Rucksackpärchen schrecklich gestelzt aneinander vorbeiredet und die Frau, die ihren Mann verlassen hat und sich erst in der Menge traut, seinen Brief zu lesen, bekommt zu wenig Raum.

      Die Komposition des Films mit melancholischem Unterton scheint manchmal dissonant. Kleine Geheimnisse werden ausgetauscht, die großen verschwiegen in der lauten Geräuschkulisse, narrative Fäden sind so fein gesponnen, dass der Zuschauer sie trotz zarter Poesie fast verliert, die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit einer Abflughalle verwischen sich, ein Ort der Vergänglichkeit und des Aufbruchs, der Sehnsucht und des Verlangens, der zerplatzten Träume und leisen Hoffnungen, wo eigentlich nichts passiert, aber vieles möglich scheint. Weit weg vom klassischen Erzählkino spielt die Repräsentantin der „Berliner Schule“ mit vielen Fragmenten, die nicht immer ein Ganzes ergeben. Der Minimalismus und der Verzicht auf berührende Emotionen muss nicht jedem gefallen. .mk.
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