Oslo, 31. August: Drama um einen 34-Jährigen auf Entzug, der versucht, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Regisseur Joachim Trier beobachtet ihn über den Lauf eines Tages.
Ein 34-jähriger Ex-Junkie versucht einen Neuanfang. Sensibles, innerhalb von 24 Stunden angesiedeltes Drama nach Pierre Drieu la Rochelles „Das Irrlicht“.
Ein Mann, eine Stadt, 24 Stunden. Zunächst sieht man flüssig montierte Bilder von Oslo aus vergangenen Tagen, TV-Aufnahmen von leeren Straßen, von einem Hochhaus, das nach einer Sprengung geradezu majestätisch in sich zusammenfällt. Aus dem Off räsonieren Menschen über die Metropole, erzählen wie sie einst vom Land in die Stadt gekommen sind. Dann schneidet der Film in ein schlichtes Hotelzimmer. Es wird vom 34-jährigen Anders bewohnt, einst Journalist, der erst dem süßen Leben und dann den Drogen verfallen ist. Mehrere Jahre hat er sich in einer Klinik einer Entziehungskur unterzogen, jetzt ist wegen eines Vorstellungsgesprächs nach Oslo zurückgekehrt, jene Stadt, die mit den Geistern seiner Vergangenheit bevölkert ist.
„Oslo, 31. August“ ist der zweite Spielfilm von Joachim Trier („Auf Anfang“, 2006), die Hauptrolle hat er erneut mit Anders Danielsen Lie besetzt, einem Arzt, der hobbymäßig schauspielert und nebenbei auch Musik macht. Reduziert, geradezu minimalistisch legt er seine Figur an, lebensecht und glaubwürdig. Einst war er der „coolste Typ“ der Stadt, erinnert sich sein ehemals bester Kumpel Thomas, der inzwischen eine bürgerliche Existenz führt. Anders widerspricht: „Ich bin nur ein verzogener Bengel, der’s verpfuscht hat“.
„Oslo, 31. August“ zeigt Momentaufnahmen eines langen Tages Reise in die Nacht: Anders trifft alte Freunde und Bekannte, landet zufällig auf einer Geburtstagsfeier, lernt in einem Club ein Mädchen kennen mit dem er schließlich durch die Straßen radelt, ist ine Art norwegische Variante von Fellinis „La dolce vita“. Ein Mann ist hier auf der Suche nach sich selbst, während der Film auch viel vom heutigen Zustand der Gesellschaft erzählt. Das von Eskil Vogt und Trier verfasste Drehbuch basiert auf Pierre Drieu la Rochelles Roman „Das Irrlicht“, den Louis Malle 1963 schon einmal adaptiert hat. Wobei der dänische Regisseur das Material gekonnt „modernisiert“. Die existenzialistische Furcht, die den französischen Film befeuerte, ist typischen Post-Millenniums-Phänomenen wie Lebensangst und Entfremdung gewichen. Kann man noch einmal von vorne beginnen, lautet die Frage, die im Raum steht. Die Antwort darauf ist, wie in der literarischen Vorlage, pessimistisch.
Geradezu dokumentarisch mutet die Arbeit an. Manchmal beobachtet Trier seinen Protagonisten nur, dann taucht er in dessen Wahrnehmung ein. Mit Anders belauscht man etwa in einem Café die Gespräche am Nachbarstisch, hört ein paar Mädchen zu, die sich über Kurt Cobains Selbstmord unterhalten. Der Ton wird dabei auf- und zugezogen, genauso beiläufig bewegt sich manchmal die Kamera, die „zufällig“ an Passanten hängenbleibt, nur um diese dann wieder mit einer Schärfeverlagerung „verschwinden“ zu lassen: Film als Bewusstseinsstrom - emotional, irritierend, faszinierend. geh.