FBW-Pressetext:
Schon in der Schulzeit haben sich Lea, Maja, Steffi und Toni geschworen, dass sie auf ihren jeweiligen Hochzeiten miteinander feiern werden. Deswegen ist es auch Ehrensache, dass sich, als Maja verkündet, in Italien heiraten zu wollen, die anderen drei auf den Weg zur Hochzeitslocation machen. Dort angekommen, erwartet die Mädels eine überraschende Nachricht - und ein Auftrag, der sie auf einen anstrengenden Roadtrip quer durch Italien schickt und ihre jahrelange Freundschaft auf eine harte Zerreißprobe stellt.
In ihrer zweiten Regiearbeit führt die Filmemacherin und Schauspielerin Julia Becker sich selbst und ihre Mitstreiterinnen Jessica Schwarz und Petra Schmidt-Schaller federleicht durch einen wilden Italien-Roadtrip, der aufgrund der pointierten Dialoge und der vielen unvorhersehbaren Wendungen wie im Flug vergeht. Ein verbaler Schlagabtausch zwischen den so unterschiedlichen Freundinnen jagt den nächsten. Und nach und nach offenbaren sich Geheimnisse, Sehnsüchte und Krisen, die man jeder der Drei vollends abnimmt und die nachvollziehbar aus dem wahren Leben gegriffen scheinen. Das liegt auch an dem kongenialen (Zusammen-)Spiel von Schwarz, Schmidt-Schaller und Becker selbst, die Lea, Steffi und Toni als dreidimensionale Charaktere mit Ecken und Kanten, mit Wehmut und Tapferkeit, mit Schwäche und Stärke darstellen. Ein geschickt aufgebautes Drehbuch erschafft Dialoge, die sich authentisch anhören und in denen Lea, Steffi und Toni im Ringen miteinander auch als eigenständige Persönlichkeiten wachsen, auch weil sie als Figuren ernstgenommen werden. Eine besonders schöne Rolle kommt Nora Tschirner zu, deren Funktion irgendwo zwischen Dauerpräsenz und Abwesenheit anzusiedeln ist - und die alleine mit nur einer Videobotschaft eine so enorme emotionale Kraft beschwören kann, die tief berührt. OVER & OUT changiert kunstvoll zwischen der komischen und tragischen Note. Ein wunderbar lebensbejahender Film über das Leben, die Freundschaft und die Erfüllung verdrängter oder letzter Wünsche.
FBW-Jury-Begründung:
Lea, Steffi, Toni und Maja sind schon als Kinder zu Freundinnen fürs Leben geworden. Durch ihr gemeinsames Training im Turnverein haben sich die Vier den Namen „Muskeltiere“ gegeben und geschworen, ihre Hochzeiten gemeinsam zu feiern. 26 Jahre später lädt Maja per Videobotschaft zu ihrer Hochzeit ein und erinnert an ihren gemeinsamen Schwur. Die erfolgreiche Managerin Lea, Rockstar Toni und Steffi, die als einzige schon verheiratet und im Familienhaushalt mit Kindern nicht ganz glücklich festgefahren ist, machen sich auf den Weg nach Italien. Nach dem gemeinsamen Flug soll ihnen am Flughafen schon ein Wagen für die Weiterfahrt in die Provinz bereitstehen. Schon die längere Reise im Auto zum Hochzeitsort zeigt, dass jede der sehr unterschiedlichen Freundinnen nicht nur ihre ganz eigenen Lebenserfahrungen gesammelt hat, sondern dass sie in vielen Dingen nicht gerade auf gleicher Linie liegen und Wortgefechte folgerichtig sind. Bei Ankunft in der kleinen Hochzeitskapelle in der Provinz trifft sie dort eine Botschaft von Maja wie ein Hammerschlag. Sie müssen für sie einen Auftrag erfüllen, der sie über mehr als 800 km durch Italien an einen vorbestimmten Ort am Meer führen soll. So beginnt ein streckenweise chaotischer Roadtrip, bei dem die Freundinnen Zeit genug haben werden, nicht ganz freiwillig über ihre Lebenskrisen und geplatzten Träumen zu sprechen. Das führt an den verschiedenen Stationen der Reise teils zu heftigen Auseinandersetzungen, welche die Freundschaft der „Muskeltiere“ in Wellenbewegungen, mit Höhen und Tiefen auf eine harte Probe stellen wird.
Ein hervorragend ausgearbeitetes Drehbuch war die Grundlage für einen wunderbar inszenierten Film, der in erster Linie vom großartigen Spiel von Jessica Schwarz (Lea), Petra Schmidt-Schaller (Toni) und Autorin und Regisseurin Julia Becker als Steffi lebt. Das Drehbuch schenkte den Protagonisten ein Feuerwerk an glaubhaft realistischen Dialogen, versehen mit einer großen Leichtigkeit. Ihre Sprache ist überaus lebendig und strahlt nahezu dokumentarisch-authentischen Duktus aus. Kurzum: Der Zuschauer wird durch dieses Feuerwerk an Lebenserfahrungen in ständiger Spannung gehalten und kann sich gut emotional in die Handlung einbinden, auch mit Identifikationspotential. Überraschende Einfälle, verbunden auch mit Spaß, auf den Haltestationen der Reise bereichern die Handlung, die zum großen Teil im Innern eines Autos stattfinden muss. Dies war auch eine große Aufgabe für die Kamera, für variable Einstellungen in diesem eingeschränkten Bereich und mit den entsprechenden Perspektiven in Nahaufnahmen auf die Gesichter der Protagonisten zu sorgen, was bestens gelungen ist. Dazu kommen selbstverständlich auch die schönen Landschaftspanoramen des Drehlandes Kroatien, die dem Flair Italiens vollendet entsprechen. Am Ende der Reise versprechen sich die Freundinnen, dass aus den Erfahrungen von 38 nicht ganz einfachen Lebensjahren jetzt gerne weitere 38 und bessere Lebensjahre kommen dürfen. Sehr gerne zeichnet die Jury diese bezaubernde Tragikomödie mit dem höchsten Prädikat aus.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)