Indem er einen jungen Studenten mit einem alten Mathematik- und Logik-Professor zusammenstoßen lässt, entwickelt der Film seine philosophischen Diskurse: ist durch Fakten, durch Überlegung und gedankliche Kombination eine letztgültige Wahrheit zu erlangen, oder kann wittgensteinisch die Wahrheit überhaupt nicht ermittelt werden, weil die Variablen unberechenbar sind?
Diese Fragen zielen auf den Kern dessen, was eine Kriminal- und Detektivgeschichte ausmacht: die Gewissheit eines C. Auguste Dupin oder eines Sherlock Holmes, mit Hilfe der Logik die schlimmsten Verbrechen lösen zu können, ist inzwischen verloren gegangen. Und nun ereignen sich ausgerechnet in Oxford Morde, die genau die These von Professor Seldom, dass nämlich Verbrechen nicht logisch, sondern lediglich psychologisch zu ergründen seien, widerlegen zu wollen scheinen. Ein Duell der Masterminds logischer Philosophie ist damit eröffnet.
Sind Mordfälle, in denen es um Symbole und ihre Entschlüsselung geht, die begangen werden, um ein persönliches intellektuelles Duell auszufechten, die eine Art Puzzlespiel darstellen, das es im Wettbewerb zwischen Ermittler und Täter möglichst rasch zu lösen gilt, sind solche Geschichten an sich schon spannend und für den miträtselnden Zuschauer faszinieren, so erhält The Oxford Murders durch die Anreicherung mit dem selbstreflexiven Philosophiediskurs noch zusätzlichen Reiz.
Verwandeln sich Alex de la Iglesias Filme oft genug in einen absurden Exzess (und bewahren eben doch stets die immanente Logik von Handlung und Charakterentwicklung), so geht er hier ganz old fashioned vor: Eine Mordserie im altehrwürdigen Oxford. Doch Iglesia ist raffiniert, ein Meister der Inszenierungskunst wie der Plotentwicklung: wodurch sich die Gefahr der intellektuellen Gemächlichkeit eines Rätsels gar nicht erst einstellen kann. Denn Iglesias Timing ist hervorragend, der Einsatz filmischer Mittel genau abgewogen, um zum rechten Zeitpunkt immer neue Verdächtige aus dem Hut zu zaubern und gegebenenfalls wieder verschwinden zu lassen. Stets mit leiser Ironie, stets unter Wahrung jeder logischen Stringenz.
Elijah Wood will sich bei John Hurts Professor Seldom anbiedern, dessen Tochter ist in ihn verliebt, er selbst verliebt sich in eine Kommilitonin, die wiederum Seldoms Geliebte war, während sich sein Mitstudent in einen paranoiden Hass wider den Professor hineinsteigert und das sind nur einige der handelnden Figuren, die alle Verstand und Motiv genug haben, um Rätselmorde zu begehen.
Dazu und das macht den Reichtum des Films aus erzählt Iglesia noch kleine Nebengeschichten, die vordergründig gar nichts mit dem Plot zu tun haben, ihn aber ungemein dichter machen: der Film beginnt im Schützengraben mit Schlacht und Explosionen und Kampf und Chaos, inmitten dessen Wittgenstein seinen Tractatus Logico-Philosophicus schreibt, erzählt später eine Geschichte vom perfekten Verbrechen und von einem, der vor lauter Logik den Verstand verliert. Und eine alte mathematische Sekte der Pythagorianer spielt auch eine Rolle. Am Ende dieser meisterhaften Kriminalerzählung steht nur eins fest: dass sich allein in der Fälschung die Wahrheit befindet. Und dass daher auch in einer logischen Erklärung, die den Fall auflöst, jede Menge Unlogik stecken kann. Denn Unlogik steckt in der Variablen Mensch.
Fazit: Spannende Kriminalgeschichte um rätselhafte Morde im altehrwürdigen Oxford, angereichert mit einem philosophischen Wahrheitsdiskurs.