Am Bahnsteig im Londoner Bahnhof Paddington sitzt ein kleiner Bär. Er hat kein Zuhause, keinen Platz zum Schlafen und ihm ist kalt vom vielen Regen. Als die Familie Brown ihn findet, nimmt sie ihn mit zu sich nach Hause. Der Vater ist jedoch zunächst dagegen, weiß er doch, welch großes Versicherungsrisiko so ein Bär im Hause mit sich bringt. Doch die Mutter und die beiden Kinder sind bald begeistert vom pelzigen neuen Mitbewohner, der stets höflich ist und in seiner übergroßen Neugier so manches Chaos in das eingefahrene Familienleben bringt - und der von Orangenmarmelade nicht genug kriegen kann. Vor über 50 Jahren schrieb Michael Bond die ersten Geschichten rund um den sprechenden kleinen Bären, der seinen Namen von dem Ort hat, an dem er gefunden wurde. Regisseur Paul King gelingt es, mit der allerersten Realverfilmung zu beweisen, wie viel Zauber und Charme die Geschichte auch heute noch besitzt. Wie im Flug vergehen die 96 Minuten, immer wieder wartet das Drehbuch mit neuen urkomischen und berührenden Ideen auf, die mit perfektem Timing erzählt werden. Dass der Film Unterhaltung für die ganze Familie bietet, zeigen auch die vielen Filmzitate und Anspielungen sowie eine gehörige Portion Situationskomik und Dialogwitz. Und die spannenden Momente und der Showdown sind bei aller Raffinesse kindgerecht erzählt. Tricktechnisch perfekt wird Paddington so real in die Szenerie eingebaut, dass man beim Zusehen fast vergisst, dass es sich hier um ein digitales Geschöpf und nicht ein echtes pelzig-flauschiges Wesen handelt. Bis ins kleinste Detail durchdacht wirkt die Ausstattung, die mit liebevoll ausgesuchten Details auf unglaublich kreative Weise inszeniert wird, wenn das Zuhause der Browns zum Puppenhaus wird oder Wandbilder zum Leben erwachen. Hugh Bonneville und Sally Hawkings als Mr. und Mrs. Brown sowie Peter Capaldi als Nachbar und Nicole Kidman als die Böse, die Jagd auf Paddington macht, sind das perfekte „reale“ Ensemble für die Geschichte. Vor allem die Browns bieten mit ihrer Herzensgüte und ausgesuchter englischer Höflichkeit Paddington ein Zuhause. Positive Botschaften von Freundschaft, Akzeptanz, Mut und Familienzusammenhalt vermittelt PADDINGTON ganz nebenbei und unaufdringlich. So macht der Film es leicht, Identifikationsfiguren zu finden und mit Spaß etwas Wichtiges zu lernen: Dass man Fremde immer willkommen heißen soll. Denn sie können das Leben und das Zuhause enorm bereichern, mit Spaß, Abwechslung und vor allem ganz viel Marmelade. Im Grunde braucht jede Familie einen Bären! PADDINGTON ist ein klug erzählter und liebevoll gemachter Familienfilm über einen kleinen Bären, der die Herzen der Zuschauer im Sturm erobern wird. Charmant, zauberhaft und bärenstark.
Jurybegründung:
Man muss ihn einfach retten, diesen kleinen hilflosen Bären, der unerwartet aus dem Peruanischen Dschungel kommend in das turbulente Leben von London geworfen wird. Dort steht er nun, einsam und verlassen und staunt über das bunte Treiben in der Großstadt. Dabei bleibt er jedoch stets freundlich und grüßt jeden, der an ihm vorbeigeht. Aber niemand scheint ihn zu bemerken, bis Familie Brown vorbei kommt. Die Tante des kleinen Bären hatte ihm vor der Abreise noch ein Schild um den Hals gehängt: „Bitte kümmern Sie sich um diesen Bären - Danke!“. Frau Brown nimmt den Aufruf ernst und so nehmen sie ihn mit zu sich nach Hause, in die Windsor Gardens, wo sie mit ihrem Mann, ihren beiden Kindern Jonathan und Judy und ihrer Haushälterin Mrs. Bird wohnt.
Getauft wird der Bär auf den Namen des Bahnhofs, an dem er gefunden wurde - „Paddington“. In dem gutbürgerlichen Haus fühlt sich Paddington sogleich sehr wohl, ahnungslos stellt er dabei so allerlei Blödsinn an und erlebt mit den Browns manches Abenteuer. So flutet er gleich zu Beginn in seiner Unwissenheit um die Technik der Dusche das gesamte Badezimmer. Eine technisch sicher herausfordernde Regieaufgabe, die detail- und temporeich sehr stimmig umgesetzt wurde.
In seiner tollpatschigen, ehrlichen Art stellt Paddington unfreiwillig auch einen Taschendieb und wird so zum Helden der Familie. Doch sein größtes Abenteuer muss er noch bestehen. Eine Tierpräparatorin will den seltensten aller Bären für das Museum als Trophäe. In einer spannend inszenierten Abenteuerjagd und einem großen Showdown gelingt es Paddington schließlich, unterstützt von der ganzen Familie, ihr zu entkommen.
Die Haushälterin der Familie Brown bringt es zum Schluss klar und deutlich auf den Punkt: „Diese Familie braucht den Bären mindestens genauso dringend wie der Bär die Familie!“
Es spielt dabei keine Rolle, dass er zu einer anderen Spezies gehört, vom anderen Ende der Welt kommt und in unnatürlicher Weise eine Liebe für Orangenmarmelade pflegt, Paddington ist anders, aber er gehört zur Familie und ist hier zu Hause. Dieses Credo scheint in der heutigen Zeit wichtiger denn je, wo so viele Angst vor dem Fremden haben.
Die erstmals 1958 erschienenen Kinderbücher von Michael Bond über die Abenteuer eines kleinen Bären, der von einer Londoner Familie adoptiert wird, sind Klassiker und in England jedem Kind bekannt. Seine Heimat, sagt er, sei, das dunkelste Peru“. Er ist - ohne Papiere, nur mit einem Köfferchen - im Schiff nach England gekommen. Ganz illegal. Als blinder Passagier. Somit gehört er zu der Art Migranten, denen viele Staaten heute nur unter öffentlichem Druck ein Zuhause anbieten. Er ist der Inbegriff des unerwünschten Fremden, wenn man es genau nimmt, doch alle lieben den kleinen tollpatschigen Bär. 26 Paddington-Bände hat Michael Bond geschrieben, 30 Millionen Exemplare in 30 verschiedenen Sprachen soll es heute davon geben. Erst jetzt schien aber die Zeit reif, den Stoff in einem Realfilm umzusetzen. Produziert wurde er von HARRY POTTER-Macher David Heyman. Die Tricktechnik ist makellos, die animierte Figur des Paddington ist dabei perfekt digital gestaltet, sodass der Zuschauer gar nicht mehr weiß, ob der kleine Teddy-Bär nicht doch real ist. Tatsächlich ist die Animation auch deshalb so gut, weil sie niemals von dem Spaß und der Emotion der in die Gegenwart verlegten Geschichte ablenkt, sondern diese in professioneller, künstlerischer Weise unterstützt.
Gut umgesetzt wurden auch die Veränderungen der Erwachsenen in ihrem Elternsein. Als junge werdende Eltern düsen sie auf dem Motorrad in die Klinik zur Entbindung, als Mutter und Kind die Klinik jedoch verlassen, steht eine Volvo-Limousine in gedeckter Farbe vor der Tür. Aus dem rebellischen jungen Mann ist ein verantwortungsvoller Vater geworden, der sich um seine Familie sorgt. Mit den Kindern ist die Zeit vorbei, in der das Leben bunt und wild war. Jetzt ist Sicherheit gefragt, so scheint es. Wenn da nicht ein kleiner Bär vor allem dem Vater einen Strich durch die wohlterminierte Rechnung machen würde. Viele Kinderfilme wirken oft sehr laut, bunt und glitzernd und stecken dazu noch voller Actionszenen. Nicht selten kommt daher das Lachen vor dem schillernden Aufbau zu kurz. Anders bei PADDINGTON. Dieser harmlose, trottelige Braunbär aus Peru erobert nicht nur die Herzen der großen und kleinen Zuschauer im Sturm, er hat mit seiner unfreiwilligen Komik gleichzeitig sowohl die jüngeren als auch die älteren Lacher auf seiner Seite.
Auch die anderen Charaktere wurden stimmig ausgewählt und mit großartigen Schauspielern besetzt. So konnte Regisseur Paul King Golden-Globe-Gewinnerin Sally Hawkins, Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman und Hugh Bonneville, bekannt aus DOWNTON ABBEY, gewinnen.
Es macht großen Spaß, die Geschichte zu verfolgen und man kann sogar ein bisschen nachdenklich werden, wenn man das Kino verlässt und sich an Paddington mit seinem Schlapphut und dem abgewetzten Koffer am Bahnhof zurück erinnert.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)