Wer hat in seinem Leben nicht schon einmal gedacht, diese Geschichte verkaufe ich nach Hollywood? Die Realität ist oftmals so viel rasanter, grausamer und witziger als jede Fantasie. Hier ein paar Beispiele.
Wer Filme nach wahren Begebenheiten mag, könnte wahrscheinlich für den Rest seines Lebens nur solche anschauen, denn es gibt sie in Hülle und Fülle. Vielleicht findet ihr in dieser Liste wenigstens ein spannendes Exemplar dieses Genres, das euch bisher verborgen blieb.
Filme nach wahrer Begebenheit: Kristinas All-Time-Top 5
1. „Boys Don’t Cry“
Dieser Film brachte 1999 das Thema Transgender und geschlechtliche Identität in den Mainstream. Wer genau hinschaut, wird feststellen, dass das Werk trotzdem ein Kind seiner Zeit ist und eben auch nicht frei von den damals und teilweise auch heute noch herrschenden normativen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. Davon abgesehen ist der Film von Kimberley Peirce aber ein zeitloses, eindringliches Produkt, das zu Herzen und nie mehr aus dem Kopf geht. Transphobie ist leider immer noch Alltag und gerade Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich an ein neues Pronomen zu gewöhnen oder zwanghaft bemerken müssen, dass das doch mal eine Frau / ein Mann war, sollten sich die Chance geben, sich von diesem Film berühren und verändern zu lassen.
„Boys Don’t Cry“ erzählt die wahre Geschichte von Brandon Teena, der im Dezember 1972 als Frau mit dem Namen Teena Renae Brandon geboren und im Dezember 1993 ermordet wurde. Brandon hatte auch ohne Hormonbehandlung oder Operation ein sehr gutes „Passing“ und wurde von seiner Umwelt nicht als Frau definiert, sondern als Mann erkannt. Genau dies wurde ihm zum Verhängnis, denn als seine Kumpels herausfanden, dass er den Körper einer Frau hat, wollten sie ihn für ihren Irrtum bestrafen und vergewaltigten ihn. Damit er lernt, dass er eine Frau ist. Wenige Tage später wurden Brandon und zwei Zeugen von den Tätern ermordet. Hilary Swank bekam für ihre Hauptrolle einen Oscar und den Golden Globe.
Ihr könnt den Film bei diversen Anbietern im Stream kaufen und leihen, aber auch mit einem Disney+-Abo in der Flatrate ansehen.
2. „Wilde Nächte“
Dieser französische Film hat ebenfalls schon ein paar Jahre auf dem Buckel, aber er sei hier wärmstens empfohlen, gerade weil er in Deutschland in den 1993 noch existierenden Videotheken immer fälschlicherweise in der Porno-Abteilung landete und selbst in unserer Datenbank im Genre „Erotikfilm“ einsortiert ist. Das mag der deutschen Titelübersetzung und dem Poster geschuldet sein, es bleibt aber dennoch falsch. Es handelt sich vielmehr um ein herausragendes und einzigartiges Drama, das nicht nur auf einer wahren Begebenheit, sondern auf einem wahren Menschen beruht, der diesen Film quasi als Testament hinterließ. Cyril Collard war ein bisexueller Dokumentarfilmer, der zu einer Zeit an AIDS erkrankt war, als diese Diagnose noch bedeutete „auf kleiner Flamme zu verrecken“, wie er es selbst damals beschrieb. Da er mit Mitte 30 den Tod vor Augen hatte, hat der Film mehrere Schlüsse, denn Collard hatte die Regie und die Hauptrolle inne. Der Film wurde zwar fertig, aber den Start und den Erfolg im französischen Kino hat Cyril Collard nicht mehr miterleben können.
„Wilde Nächte“ erzählt oberflächlich die Geschichte einer Romanze (Romane Bohringer spielt an seiner Seite) und einer Dreiecksbeziehung, die kompliziert wird. Tatsächlich hinterfragt er aber, wie wir im Leben Beziehungen knüpfen, halten und verwalten. Cyril zeigt das am Beispiel seiner Erfahrungen, drastisch, witzig, melancholisch und wahrhaftig, unterlegt mit seinen eigenen Songs und wir müssen uns nicht mit ihm identifizieren, um zu verstehen, wie er am Ende zu der Aussage kommt: „Es ist nicht mehr länger mein Leben – es ist das Leben“.
Ihr seht den Film in Deutschland in keiner Flatrate und könnt ihn nicht mal im Stream erwerben. Es gibt ihn aber auf DVD und er hat aufgrund seiner Einzigartigkeit wirklich einen Platz im Regal verdient. Und nochmal sei betont: Sexszenen oder Bohringers Brüste machen insgesamt vielleicht 2,5 Prozent des Films aus, es ist kein Erotikfilm!
3. „Total Eclipse – Die Affäre von Rimbaud und Verlaine“
Für alle Fans des Dichters Arthur Rimbaud ist dieser Film ein Muss. Aber auch all jenen, die bisher mit französischer Dichtkunst aus dem 19. Jahrhundert nichts anfangen konnten, sei diese Produktion ans Herz gelegt. Für seine mutige und einfühlsame Darstellung Rimbauds hätte Leonardo DiCaprio schon 1995 einen Oscar verdient, wie wir aber alle wissen, musste er noch sehr lange auf diese Auszeichnung warten. Der Film hält sich sehr nah an die bekannten Fakten und nutzt gekonnt die Literatur Rimbauds, besonders aus der Sammlung „Eine Zeit in der Hölle“, um auch der Gefühlswelt der Protagonisten nahezukommen.
„Total Eclipse“ erzählt von der (damals streng verbotenen) homosexuellen Beziehung zwischen dem 16-Jährigen Autor, dessen Gedichte die Literatur revolutionierten und dem 40-Jährigen renommierten Lyriker Paul Verlaine. Beide gingen später als Vertreter des Symbolismus in die Literaturgeschichte ein.
4. „Pain & Gain“
Zur Abwechslung mal was Lustiges mit richtig harten Hetero-Männern. Das Besondere an diesem Film ist, dass die Realität noch viel krasser als die filmische Darstellung war, obwohl der Film schon in seiner Handlung völlig absurd und an den Haaren herbeigezogen wirkt. So dumm kann doch in Wirklichkeit einfach niemand sein? Doch. Ist alles belegt und nachzulesen, nur war es in der Realität einfach alles noch unglaubwürdiger und fürchterlicher für den Betroffenen.
„Pain & Gain“ erzählt von einem dummdreisten und überaus brutalen Verbrechen, das ohne die Kombination des erhöhten Konsums von Anabolika, eher begrenzter geistiger Kapazitäten und eines Erfolgs-Coachings wohl gar nicht hätte passieren können. Was zumindest das gute Gefühl hinterlässt, dass es sich höchstwahrscheinlich nicht wiederholt. In der Komödie von Michael Bay aus dem Jahr 2013 spielen Mark Wahlberg, Dwayne Johnson und Anthony Mackie die Hauptrollen der kriminellen Bodybuilder, die den Unternehmer Victor Kershaw entführen, ihn um sein gesamtes Vermögen erleichtern, aber daran scheitern, ihn umzubringen. Klingt schlicht, ist aber eine echte Achterbahnfahrt von Unglaublichkeiten, bei deren Darstellung man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll und sich wirklich keine Minute langweilt.
„Pain & Gain“ ist einer der acht Tipps für Filme nach wahren Begebenheiten in diesem Video, erfahrt jetzt welche die anderen sieben sind:
5. „Fear and Loathing in Las Vegas“
Hunter S. Thompson war ein Journalist und Schriftsteller, der nicht nur einen extrem exzessiven Lebensstil, sondern auch einen einzigartigen Schreibstil entwickelte, den er später selbst als Gonzo-Journalismus bezeichnete. Der Film basiert auf seinem gleichnamigen erfolgreichsten Buch. Gespielt wird er selbst von Johnny Depp, der so gut mit ihm befreundet war, dass er nach dem Selbstmord Thompsons 2005 den größten Teil der Kosten für die 3 Millionen teure Trauerfeier trug. Depp war es auch, der dort Thompsons Asche mit einer Kanone in den Himmel schoss.
„Fear and Loathing in Las Vegas“ mag surreal erscheinen, zeichnet aber die Realität des hochbegabten Drogen- und Grapefruit-Fans recht authentisch nach und macht sehr viel Lust, ihn im Original zu lesen. Sonst ist es einfach ein krasser Drogentrip, der gut unterhält und einige unvergessliche ikonische Szenen enthält. Und dank des Regisseurs Terry Gilliam sehr viel absurden Humor bietet.
10 weitere Empfehlungen für Filme nach wahrer Geschichte
- „Silverton Siege“: Drei junge südafrikanische Freiheitskämpfer*innen suchen nach einem Sabotageakt in einer Bank in Silverton Zuflucht. Sie nehmen dabei Geiseln und fordern die Freilassung Nelson Mandelas. Schnell postieren sich Scharfschützen rund um das Gebäude und es steht die Frage im Raum, ob unter den Geiselnehmer*innen vielleicht ein Polizeispitzel ist.
- „The Revenant“: Da war er endlich – der lang verdiente Oscar für Leonardo DiCaprio! Survival-Western mit Pawnees aus den Central Plains, die wirklich echtes Pawnee sprechen, nahezu einmalig in einer Filmproduktionswelt, in der sonst sämtliche Native Americans Lakota sprechen.
- „127 Hours“: Schon mal über Selbstamputation nachgedacht? Als sich Bergsteiger Aaron Ralston in einer Felsspalte verklemmt, bleibt ihm nur dieser Schritt. Leider hat er nur ein Taschenmesser zugriffsbereit, um seinen Arm vom Körper abzutrennen. Immer noch besser als eine Nagelschere.
- „The Big Short“: Witzige Managerbiographie über die Verkommenheit des Immobilienmarktes und des Finanzsystems.
- „The Disaster Artist“: Wie entstand der schlechteste Film der Welt? Diese Komödie gibt Aufschluss!
- „Vice – Der zweite Mann“: Jüngste Geschichte gut nacherzählt, aber vor allem sehenswert dank eines großartigen Christian Bale.
- „The Imitation Game“: Grandioses Codeknacken im zweiten Weltkrieg mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle.
- „Apollo 13“: Wenn es im Weltraum nicht klappt, ist das sehr viel bedrückender als eine Reise mit der Deutschen Bahn.
- „Der Goldene Handschuh“: Der deutsche Serienmörder Fritz Honka trieb sein Unwesen in Hamburg in den 1970er Jahren. Fatih Akin bringt euch die Geschichte gefahrlos nach Hause.
- „The King’s Speech“: Colin Firth ist genau der Richtige, um die Bemühungen eines britischen Königssohns gegen seine Stotterei zu zeigen.
Es war kein neuer Vorschlag dabei und seid frustriert, weil ihr einfach schon alles kennt? Dann macht das Quiz und schaut, ob ihr wirklich gut aufgepasst habt: